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der Zivilbevölkerung. Meist wird die gesamte männliche Bevölkerung im Alter von 16 bis 60 Jahren von Wehrmachtssoldaten oder der SS ermordet, die Ortschaft dem Erdboden gleichgemacht. Insgesamt werden circa 1.700 Dörfer und Kleinstädte durch Sühneaktionen zerstört, während die männliche Bevölkerung zur Zwangsarbeit gezwungen wird. Im von den Bulgaren okkupierten Thrakien kommt es ebenfalls zu Massakern an der Zivilbevölkerung, so am 28.9.1941 in der Stadt Drama. Bis zur Befreiung Ende 1944 kommen circa 30.000 GriechInnen, meist Andarten, durch Kriegshandlungen um. Circa 5.000 weitere GriechInnen werden bei den „Sühneaktionen“ am Land und 6.000 GriechInnen in den Städten ermordet. Dazu kommen noch die 3.000 ZivilistInnen, die kurz nach der Invasion von der Wehrmacht, zumeist auf Kreta, ermordet wurden. Die zahlenmäBig nicht erfassten Morde in den von den Italienern und Bulgaren besetzten Gebieten (alleine in Drama und Umgebung circa 2.000 Tote) und der Großteil der circa 25.000 GriechInnen, die gefangen genommen und deportiert wurden, dürften die Zahl der Todesopfer massiv erhöhen. In Mauthausen werden 3.700 Griechen ermordet, zu den Überlebenden zählt der Schriftsteller Iakovos Kambanellis. 58.886 bis 67.000 GriechInnen wurden Opfer der Shoah. Der Winter 1941/1942 wird zum „Hungerwinter“. Die Deutschen rationalisieren Nahrungsmittel und Brennstoff, um es dem Afrikakorps zukommen zu lassen. Man schätzt, dass 300.000 bis 360.000 GriechInnen verhungert oder erfroren sind, davon 40.000 in Athen und Umgebung. Die Sterblichkeitsrate von Neugeborenen erreicht 80 bis 90%. Griechenland hat circa acht Millionen EinwohnerInnen. Weiters müssen die GriechInnen fiir die Kosten der Besatzung aufkommen, was circa 90 Prozent des Volkseinkommens kostet. Es kommt auch zur monetären Ausbeutung Griechenlands. Wehrmachtsangehörige in Griechenland erhalten ihren Sold in Drachmen, wodurch es zu einer Aufblähung der Drachmen-Geldmenge, zur Hyperinflation und zur schleichenden Enteignung der Bevölkerung kommt. Oktober 1941 Das türkische Schiff „SS Kurtulus“ (Befreiung) und weitere Frachtschiffe bringen im Auftrag der türkischen Regierung mehrfach Hilfslieferungen für die notleidende Bevölkerung. Auch werden 1.000 griechische Kinder nach Istanbul evakuiert. Das Rote Kreuz und Schweden sind ebenfalls bereit Hilfsgüter zu liefern. 1942 Anfang 1942 Griechenland wird zum Export seiner Erze, vor allem Chrom (28.000 Tonnen bis 1944), und der gesamten Tabakernte nach Deutschland gezwungen. Zehntausende ZwangsarbeiterInnen kommen in den Minen zum Einsatz. Im Februar 1942 gründen kommunistische Offiziere und Parteifunktionäre unter der Führung von Aris Velouchiotis, Kampfname Thanasis Klaras, das „Griechische Volksbefreiungsheer“, ELAS (Ellinikos Laikos Apeleftherotikos Stratos). Der bewaffnete Widerstand in den Bergen von Ihessalien und Roumeli, der „Andartiko“, wird vorbereitet. Man versucht, symbolisch an den Aufstand von 1821 anzuschließen. März 1942 Die griechische Zentralbank muss Deutschland einen Kredit von 568 Millionen Reichsmark gewähren. Das waren alle Devisen der Bank. Im Oktober 1944 sind davon noch 460 Millionen nicht zurück bezahlt, was circa 2,5 bis 3 Milliarden Euro ausmacht. Die Schulden werden seitens Deutschlands nie beglichen. Am 25.3.1942, am Nationalfeiertag, erfolgen Demonstrationen in Athen und einigen anderen Städten. Im April 1942 streiken die Beamten des Landes. Mai 1942 Thanasis Klaras baut eine erste Partisanentruppe der ELAS in Thessalien auf: In den folgenden Jahren wird die ELAS auf eine Starke von circa 50.000 Kampferlnnen anwachsen und zur größten militärischen Kraft des Widerstandes werden. 76 ZWISCHENWELT Im Sommer 1942 werden in Thessaloniki 7.000 jüdische Männer zur Zwangsarbeit gezwungen. Der deutsche Kriegsverwaltungsrat Max Merten, zuständig für „Verwaltung und Wirtschaft“, organisiert die systematische Ausplünderung der Juden und Jüdinnen Thessalonikis. Es werden Ghettos geplant, der „Gelbe Stern“ muss getragen werden. Viele Juden und Jüdinnen flüchten aus Thessaloniki in die von der italienischen Armee besetzte Zone. Im Juli 1942 gründet Napoleon Zervas in Epirus den Militärischen Arm der EDES, die „Nationale Gruppe der griechischen Partisanen“, die EOFA (Ethnikes Omades Ellinon Antarton). Der EOEA werden sich circa 14.000 Kämpfer anschließen. Am 20.9.1942 legen Kostas Perrikos, Antonis Mytilinaios, Spyros Galatis und Julia Bimba von der PEAN im Athener Hauptquartier der griechischen FaschistInnen, der „Nationalen Sozialistische Patriotischen Organisation“, ESPO (Ethniki Socialistiki Patriotiki Organosis), eine Bombe, durch die deren Anführer, 28 Mitglieder und 48 Wehrmachtssoldaten getötet werden. Die ESPO wollte eine „Griechische Legion“ aufstellen. In Folge des Anschlags werden fast alle Mitglieder der PEAN verhaftet und ermordet. 1.10.1942 wird die Deutsch-Griechische Warenausgleichsgesellschaft mbH (DEGRIGES) in Berlin gegründet. Diese besitzt das Monopol auf den Außenhandel Griechenlands. Exporte nach Deutschland erfolgen zu einem sehr niedrigen Preis, der zugleich mit den Kosten der Besatzung gegen gerechnet wird — die griechischen SteuerzahleInnen müssen für die Besatzungskosten der Deutschen aufkommen. Gleichzeitig werden Waren aus Deutschland zu einem extrem hohen Preis importiert. Der Manager Hermann Neubacher, von 1938 bis 1940 Bürgermeister von Wien, wird zum „Sonderbeauftragten des Reichs für wirtschaftliche und finanzielle Fragen in Griechenland“ ernannt. Damit die Deutschen nicht von der Hyperinflation und dem Zusammenbruch der griechischen Wirtschaft betroffen sind, hält Hermann Neubacher an einem fiktiven Kurs von 60 Drachmen pro Reichsmark (5,5 Euro) fest, zumindest bei den Geschäften der DEGRIGES. Für die GriechInnen in Griechenland gilt der Besatzungsdrachmen. So bekommt man 1942 für 30.000 Papierdrachmen in Athen eineinhalb Liter Olivenöl. Zur „Aktion Neubacher“ gehört auch, dass die Vermögenswerte der deportierten und ermordeten Juden und Jüdinnen an der Athener Börse verkauft werden und mit den eingenommenen Drachmen die Wehrmacht ihre Ausgaben bezahlt. Gemeinsam mit der ELAS und der EOEA gelingen Agenten der „Harling-Mission“ der SOE größere militärische Erfolge, wie am 25.11.1942 die Sprengung des Eisenbahnviadukts von Gorgopotamos. Gleichzeitig organisiert die EAM Massenstreiks. Am 2.12.1942 tritt der Ministerpräsident der Kollaborationsregierung Georgios Tsolakoglou zurück. Sein Nachfolger ist Konstantinos Logothetopoulos. Im Dezember 1942 wird in Thessaloniki die im August durch die Stadtverwaltung begonnene Zerstörung des jüdischen Friedhofs mit seinen 300.000 Gräbern zu Ende gebracht. Auf dem Gelände wird nach dem Krieg die größte Universität des Landes, die Aristotelis-Universität, erbaut. 1943 Im Februar 1943 treffen in Thessaloniki Alois Brunner und Dieter Wisliceny ein, um mit den Deportationen zu beginnen. Um die Flucht zu unterbinden, werden in Thessaloniki weitere Ghettos geschaffen, deren Verlassen mit dem Tod bestraft wird. Die „Umzugskosten“ der Menschen in die Ghettos trägt die jüdische Gemeinde. Neben dem Bahnhof entsteht das Durchgangslager „Hirsch“. Am 23.2.1943 wird Julia Bimba im Wiener Landesgericht enthauptet. Ab 3.3.1943 werden im von Bulgarien besetzen Norden Griechenlands circa 4.000 Juden und Jüdinnen von der bulgarischen Polizei und Armee über die Donau nach Wien gebracht und dann weiter