Town major, der ihn offensichtlich in gewohnter militärischer
Weise „zivilisieren“ wollte, tätlich angriff. Das Handgemen¬
ge mit den Besatzungssoldaten führte zu seiner Einweisung in
die Landes-Nervenklinik, und einmal in Gang gesetzt, erlitt er
dieses Einweisungsschicksal in den folgenden Jahren mehrere
Male. Ein durchaus düsteres Erlebnis, dem der Poet allerdings
eine seiner wichtigsten Schaffensphasen „verdankt“. Seine ein¬
drucksvollsten Antikriegsgedichte stammen aus diesen Monaten.
Aber über ihn entstand in einer sensiblen historischen Phase des
Bundeslandes, während der sich die demokratische Gesellschaft
nach einem jahrzehntelangen Irrweg erst wieder finden muss¬
te, ein rebellisches Meinungsbild, das ihm viele Jahre anhing.
Aber wir kennen auch einen anderen Michael Guttenbrunner,
den sein Geburtsland Kärnten, seine Schul- und Heimatstadt
Klagenfurt nie losgelassen hat und dessen aus dieser Erinnerung
entsprungene Essays eine dauerhafte Hommage an die Heimat
und ihre Menschen darstellen, voller Sorge um architektonische
und soziale Veränderungen, die geeignet waren, die Traditionen
des Landes zu zerstören. Ähnlich verhält es sich mit der Rezep¬
tion seines Sehnsuchtslandes Griechenland, das für ihn offenbar
erst ab den 1960er Jahren in den Focus seiner schriftstellerischen
Arbeit rückte. Es gibt in der Biografie Michael Guttenbrunners
ein „Netzwerk“ von Freunden und loyalen Bekannten, die sei¬
ne Begabung schätzten und ihn zu unterstützen versuchten. Er
selbst beschrieb einige von ihnen so:
(...) Zu meinen Lehrern, Helfern und Freunden zählen ferner die
Schriftstellerin Nora Urban in Klagenfurt, die Malerin Elisabeth
von Guttenberg-Sterneck, die Maler Eduard Bäumer, Boeckl, Cle¬
mentschitsch und Alfred Wickenburg, mein Bruder Josef Gutten¬
brunner und der Stiefbruder Willi Hartl. Jetzt hätte ich bald den
20 Jahre jüngeren Pfarrer, Lorenz von Gyömörey, den Übersetzer
des Makyjannis vergessen, dem habe ich heuer, zusammen mit Ete¬
le Patka, an seinem Haus auf Amorgos eine Gedenktafel errichtet.
(.."
Im Jahre 1958 hatte Michael Guttenbrunner die Tochter von
Carl Zuckmayer, Maria „Winnetou“, kennen gelernt. Kurze Zeit
darauf heirateten die beiden; diese Verbindung hielt nun lebens¬
lang, und mit ihr begann auch die familiäre Eingliederung des
immer noch rebellischen Kärntner Schriftstellers, der sich mit
harter körperlicher Arbeit seinen Lebensunterhalt verdiente, da¬
rüber hinaus aber in seinem literarischen Schaffen auf zahlreiche
soziale Kontakte zählen konnte. Bald wurde er Vater einer Toch¬
ter: Katharina Gruttenbrunner. Obwohl Winnie Guttenbrunner
die Flucht und die Emigration ihrer Familie aus Wien als „das
einschneidendste Erlebnis ihrer Kindheit“ bezeichnete, kehrte sie
wieder hierher zurück und baute damit mit ihrem Ehemann Mi¬
chael eine familiäre Brücke zur nächsten Generation. Es ist nach¬
vollziehbar, dass dies nicht leicht war, denn die Erinnerungen
an Kriegszeit und Emigration wirkten ebenfalls lebenslang. Ma¬
ria Zuckmayer-Guttenbrunner hinterließ auch Empfindungen,
wie man in diesem neuen Leben der 1960er Jahre mit Freunden
sonntags zusammen war; zum Beispiel am „Sonntag beim Präla¬
ten“ : (...) „Der Sonntag war offener Besuchstag bei Prälat Ungar.
Er saß in seinem hellbraunen Lederfauteuil, sämtliche Zeitungen
um sich herum auf dem Boden verstreut, Stapel von Büchern
auf den Tischen, alle Pfeifen, von Etele Patka frisch geputzt und
mit Pfeifendochten darin, auf einem Tischchen neben ihm. (...)
Wenn nicht zu viele Leute da waren, las er öfter etwas vor, und
noch schöner war es, wenn er etwas vorsang, zum Beispiel Of
fenbach. Dann hatte er den lieblichsten Ausdruck im Gesicht:
Freude mit dem Lied, mit sich selbst und mit uns.“
In diesem Zirkel nachdenkender und reflexionsfreudiger Men¬
schen lernte Michael Guttenbrunner den Priester Lorenz Gyö¬
mörey kennen, der ihm vermutlich entscheidende geistige Brü¬
cken in sein Sehnsuchtsland errichten half. Der in Graz geborene
Gyömörey war der Sohn des Offiziers Anton Gyömörey und der
aus einer österreichisch-ungarischen Adelsfamilie stammenden
Schriftstellerin und Übersetzerin Georgine von Almäsy. Die
Kriegsjahre verbrachte er mit seiner Familie im ungarischen
Köszeg, wo er bis zur Rückkehr nach Österreich ein Gymna¬
sium der Benediktiner besuchte. Nach bestandener Matura am
Bundesgymnasium Mattersburg studierte er ab 1949 in Wien
Theologie und empfing 1954 die Priesterweihe. In den folgen¬
den Jahren war er im Dienste der Wiener Erzdiözese unter ande¬
rem als Seelsorger, Journalist und Sekretär eines internationalen
Kulturzentrums tätig. Gyömöreys seit Beginn der 1960er Jahre
beständig intensivierte Beziehungen zu Griechenland äußerten
sich zunächst in Form von Reisen, 1966 durch den Erwerb eines
Hauses auf der Kykladeninsel Amorgos und schließlich, nach
dem Sturz der griechischen Militärdiktatur, in der endgültigen
Übersiedlung in seine zweite Heimat, wo er bis zum Tod als Seel¬
sorger in der römisch-katholischen Gemeinde von Athen wirkte.
Unter den Übersetzungen aus dem Griechischen ins Deutsche,
die überwiegend in griechischen Verlagen erschienen, sind neben
Gyömöreys Ausgaben griechischer Lyriker wie Elytis, Kavafıs
und Seferis vor allem seine Übersetzung der griechischen Oster¬
liturgie (1981) und die Memoiren des Generals Makryjannis.'?
Zwei Bücher hat Michael Guttenbrunner als Hommage an sein
Sehnsuchtsland verfasst. Bei Molden in Wien erschien 1981 der
repräsentative Bildband „Traumfahrt durch Griechenland“ mit
einer Einleitung von Hugo von Hofmannsthal und 2001 ver¬
öffentlichte er bei seinem Freund Erhard Löcker in Wien den
Lyrik- und Essayband „Griechenland / eine Landesstreifung“
mit zahlreichen Eindrücken zur neueren griechischen Geschich¬
te. Lorenz Gyömöreys Wanderschaft zu den Griechen schilderte
er so:
Auf’ seiner Flucht zu den Griechen, ist Lorenz Gyömörey zuerst auf
Amorgos gelandet. Dort fand er die Stille der Einöde, einen Schlaf¬
stall am Berg über der Bucht von Katapola mit Ausblick auf das
freie Meer. Dieser Ort hat G., an prinzipieller Schlichtheit festhal¬
tend, nach und nach wohnlich gemacht; und er hat ihn den Musen
geweiht. Er übte die Kunst des Übersetzens. Er hat das Buch der
griechischen Osterliturgie ins Deutsche übersetzt; ferner Palamas
und andere Erzähler; dann Kavafıs und Seferis; zuletzt aber die
Memoiren des Generals Makryjannis; und dieses unvergleichliche
Buch, das für den deutschen Leser eine wahrhaft „menschenfreund¬
liche Einladung und gütige Erlaubnis“ ist, wird sein ewiger Ruhm
sein. Im griechischen Volk glaubte Gyömörey den gemeinen freien
und gleichen Mann gefunden zu haben, dem noch keine Tyrannei
das Kreuz gebrochen hat. Das feierte er, dem weihte er sein Leben,
und davon haben seine Behausungen — das Haus an den Schafhür¬
den bei Katapola „Stanera“ und die Hütte in Chalandri bei Athen—
für jeden, der auf seiner Fährte, wie Hölderlin sich ausdrückt, „aus
Liebe wandert“, die herrliche Aura behalten. MGIM/169"
Man kann wohl davon ausgehen, dass Michael Guttenbrunner
ab seiner zweiten Lebenshälfte emotional und gedanklich am
griechischen Kosmos festhielt. Davon zeugen auch jene Artefak¬
te, die der Dichter in seinem home office vor seinen Augen arran¬
gierte — ein Gemälde vom Averoff-Gefängnis; eine überschaubare
Handbibliothek; kleinere, aber für ihn wichtige Erinnerungsstü¬