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das zeichnet einen großen Humanisten aus.“ Thomas Schnabel, der
Gründungsdirektor des Hauses der Geschichte Baden-Württem¬
berg, schreibt: „Es ist ein außergewöhnliches Glück, ihn erleben
zu können, ein Gewinn für Geist und Seele.“ Das Buch ist damit
nicht, wie bei Festschriften oft üblich, eine unzusammenhängende
wilde Sammlung von Aufsätzen der Autoren zu ihren jeweiligen
Arbeitsgebieten. Nach einem Grußwort von Frido Mann ragt der
Aufsatz des Hildesheimer Philosophen Wolfgang Christian Schnei¬
der über das publizistische Spätwerk des schlesischen Dichters Art¬
hur Silbergleit heraus, von dem der Autor eine Edition vorbereitet.
Der konservative Rabbiner Michael Panitz vom Temple Israel in
Norfolk, Virginia verfasste eine persönliche, feinsinnige und nicht
unkritische Erinnerung an Monsignore John M. Oesterreicher. In
einem zweiten Beitrag beschreibt Panitz „Ihe Yiddish Revival in
America as Cultural Self-Assertion“; am Ende formuliert er: „More
confident, even if less traditionally observant, this newly assertive
generation was louder and prouder about its Jewish identity than its
predecessor. It could and did choose to celebrate its culture and the
mamaloshn of its ancestors.”

Sigrid Bauschinger vergleicht in ihrem Beitrag Heather Morris‘ Der
Tätowierer und Erick Hackls Die Hochzeit von Auschwitz. Frank
Mecklenburg, Leiter des Archivs des Leo Baeck Instituts in New
York, beschreibt Sterns Verbindung mit dem Institut, dessen Fellow
er 1962 und dessen Vorstandsmitglied er 1967 wurde. Im Yearbook
des Instituts publizierte Stern auch erstmals seine später zu einem
Buch ausgeweitete Forschung über den Neuen Merkur von Ef
raim Frisch. Die Festschrift endet mit einem Beitrag von Julius H.
Schoeps, Vorstandsvorsitzender der Moses Mendelssohn Stiftung.
Er beschreibt mit dem in Hildesheim von der Stiftung geplanten

Franz Richard Reiter
Man muss daruber reden

Wie erst jetzt bekannt wurde, ist die Autorin und ORF-Mitarbei¬
terin Monika Horsky vor kurzem einundsechzigjährig in Griechen¬
land verstorben.

Monika Horsky hat sich von Jugend an für Gleichberechtigung,
Toleranz und Fairness eingesetzt. Dieser Haltung blieb sie treu,
auch nachdem sie auf Wiens Straßen wiederholt Anpöbelungen
und Schmähungen ausgesetzt war.

Sie stellte fest, dass viele österreichische Jugendliche über den
Nationalsozialismus nichts, wenig oder Falsches wussten. Um
dem Abhilfe zu schaffen, begleitete sie ehemalige KZ-Häftlin¬
ge, die von Schulen eingeladen wurden, um den Jugendlichen
zu vermitteln, was die ideologischen Wurzeln des Nationalso¬
zialiimus waren und wie sie in die Praxis umgesetzt wurden.
Sie dokumentierte mit Tonbandaufnahmen rund 100 dieser
sogenannten „Zeitzeugen“-Gespräche, die in der Regel für zwei
Unterrichtsstunden angesetzt waren. Manchmal ließen die Ju¬
gendlichen ihre Zeitzeugen sechs Stunden lang nicht weggehen.
Das Prozedere war immer dasselbe: die Zeitzeugen hielten einen
sehr kurzen Vortrag und standen anschließend den Schülerinnen
und Schülern Rede und Antwort. Monika Horsky schrieb die
rund 100 Zeitzeugengespräche ab und stellte Dokumentationen
zusammen. Die Zeitzeugen waren in unterschiedlicher Verfas¬
sung, formulierten einmal schr klar, ein anderes Mal weniger
klar, die Schülerfragen wiederholten sich häufig. Deshalb nahm

Studentenwohnheim, das nach Guy Stern benannt und 2024 eröff¬
net werden soll, eine „Ehrung zu Lebzeiten“.

Das Gemälde auf dem Cover der Festschrift stammt von dem
KZ-Uberlebenden Max Mannheimer (1920 — 2016), der für seine
engagierten Führungen durch die Gedenkstätte Dachau bekannt
war und 2012 mit Marie-Luise von der Leyen das Buch Zrinne¬
rungen. Meine drei Leben publizierte. Wie Frederick A. Lubich
hinwies sind zwei weitere Bilder Mannheimers auf dem Cover der
Festschrift für Robert Schopflocher (2014) zu sehen beziehungswei¬
se werden in der derzeit vorbereiteten Festschrift für die aus Fürth
stammende Autorin Ruth Weiss, der heutigen Ehrenpräsidentin des
PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland, abgebildet.
Auch diese beiden Festschriften erschienen und erscheinen bei Kö¬
nigshausen & Neumann.

Literatur

Guy Stern: Wir sind nur noch wenige. Erinnerungen eines hundertjährigen
Ritchie Boys. Aus dem Amerikanischen von Susanna Piontek. Berlin: Auf
bau Verlag 2022. 297 S., Euro 23,70

Rolf Altmann, Hans-Jürgen Bertsche, Hartmut Häger, Rainer Zirbeck
(Hg): Guy Stern und Hildesheim. Bewegende Begegnungen. Hildesheim:
Georg Olms Verlag 2022. 207 S., Euro 20,40

Frederick A. Lubich, Marlen Eckl (Hg.): Von der Exilerfahrung zur Exil¬
forschung. Zum Jahrhundertleben eines transatlantischen Brückenbauers.
Festschrift zu Ehren von Guy Stern. Würzburg: Königshausen & Neumann
2022. 737 S., Euro 48,¬

Monika Horsky aus den vielen Gesprächen die besten Formu¬
lierungen und fügte sie zu einem Ganzen. Die dokumentierten
Worte blieben völlig authentisch. Horsky legte sie den ehemali¬
gen KZ-Häftlingen vor und diese approbierten sie.

Daraus schuf Horsky das Buch “Man muss darüber reden. Schü¬
ler fragen KZ-Häftlinge”. Das Buch erschien in mehreren Auf¬
lagen und ist immer noch lieferbar. (216 Seiten; Euro 22,- ISBN
978-3-9007-6601-6). Es stellt eine Pionierleistung dar die in den
letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat, weil fast alle dieser
Zeitzeugen nicht mehr am Leben sind.

Für das Buch wählte sie die folgenden Zeitzeugen und ihre
Antworten auf Schülerfragen: Hermann Langbein: Sucht euch
nicht den leichteren Weg; Fritz Kleinmann: Über Nacht waren
wir nicht “rassenrein”; Ella Lingens: Das Versprechen; Ferdin¬
and Berger: Das Schlimmste: absolute Rechtlosigkeit; Anni und
Heinrich Sussmann: Macht’s den Mund auf und red’s; Hilde
Zimmermann: Sich die Menschenwürde nicht nehmen lassen.

Monika Horsky entwarf einige sehr kreative innovative Konzep¬
te, um Jugendliche Gleichberechtigung, Toleranz und Fairness
lieben zu lehren. Ohne Unterstützung der öffentlichen Hand war
nichts davon zu verwirklichen. Auch deshalb kehrte sie Öster¬
reich den Rücken und wanderte nach Kreta aus.

In ihrem neuen Zuhause lebte sie ihre Ideale und teilte sie, auch
streitbar, in zahllosen Gesprächen mit Freunden und Fremden.
Monika Horsky wurde vor kurzem in ihrer Wohnung auf Kreta
tot aufgefunden.

August 2022 9