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Ein wohlhabender Mann, Zuckerfabrikant, war Israel Brods¬
kyj im Städtchen Slatopil im Gouvernement Kiew, in dem aus¬
schließlich jüdische Familien lebten. Im Jahr 1848 erblickte
Sohn Lasar Israelewitsch Brodskyj in diesem Schtetl das Licht
der Welt. Mit Vater und Bruder erarbeitete sich Lazar seinen
späteren Reichtum, wurde ein tüchtiger Geschäftsmann. Ein
Zuckermagnat war er sowieso, die größte Weizenmühle in Kiew
kam hinzu, zudem bekleidete er hohe Ämter in Öffentlichen An¬
gelegenheiten in Kiew, angesehen waren er und seine Familie.
Großzügig und sehr sozial soll er gewesen sein, ein Mäzen auch
für nichtjüdische Einrichtungen. Das Polytechnische Institut,
ein großartiges Gebäude , das später zur Technischen Universität
wurde, konnte mit seiner Spende errichtet werden, auch zum Bau
des Bakteriologischen Instituts soll er beigetragen haben. Die Jü¬
dische Handelsschule für Jungen ließ er bauen und das Jüdische
Krankenhaus in Kiew. Es soll damals das größte im Russischen
Reich gewesen sein. Auch Die größte Synagoge von Kiew, die
Choralsynagoge, ließ Lazar Brodskyj errichten. Im Jahr 1897/98
entwarf der deutsch-russische Architekt Georg Schleifer 1855 —
1913), in Kiew in eine evangelische Familie geboren, das Gottes¬
haus im maurischen Stil. Der prächtige Tempel steht in der Shota
Rustaveli vulytsya. In der Sowjetzeit, 1926, wurde der Prachtbau
ein Klubhaus für Künstler, die Nazis degradierten in ihrer Besat¬
zungszeit die einstige Synagoge zum Pferdestall. Doch auch nach
dem 2. Weltkrieg konnte der sowjetische Staat keine Synagoge
gebrauchen; ein Puppentheater zog ein, die Frauenempore wur¬
de in Büroraum umgewandelt. Nach jahrelangem Hin und Her
wurde die Synagoge 1997 von der Stadt Kyjiw an die jüdische

Gemeinde zurückgegeben. Eine Sanierung folgte. Im Jahr 2000
konnte die Brodsky-Synagoge neu geweiht werden. Rabbi Moshe
Reuven Azman hatte dafür gekämpft.

Der 1904 verstorbene Mäzen Lasar Brodskyj hinterließ der Stadt
Kiew ein großes Vermögen zum Bau einer Markthalle auf dem
Bessarabska Platz. Hier boten Bauern ihr Obst, Gemüse und ihren
Wein an. Viele kamen aus der Bessarabien, der geschichtsträch¬
tigen Landschaft in Südosteuropa, ein hin- und hergeschobenes
Land, das auf- und umgeteilt wurde und irgendwann fast völlig
von der Landkarte verschwand. Gemüse und Obst gab es dort in
Hülle und Fülle, der Weinbau war berühmt. Orientalisch, Osma¬
nisch, tatarisch und türkisch war Bessarabien. Deutsche Siedler
kamen 1813 hinzu. „Heim ins Reich“ ging so manche deutsch¬
stämmige Familie in den 1940er Jahren, landete in den besetzten
Gebieten in Polen, von dort machten sie sich 1945 auf die Flucht
in den Westen.

Die Stadt Kiew beauftragte den Warschauer Architekten, Hen¬
ryk Julian Gai, Enkel des bekannten polnischen Architekten Jan
Jakub Gay, die Markthalle zu entwerfen. 1912 wurde die Bessar¬
abska Markthalle eröffnet, erbaut in schönstem Jugendstil, Stier¬
köpfe, Fische und andere Tierreliefs zieren das Äußere, das hohe
Gewölbe innen ist eine Pracht für sich. Das „Kyjiwer Füllhorn“
wird die Markthalle genannt.

Nach der Oktoberrevolution 1917 wurde das Vermögen der
Brodskij-Familien vom Staat konfisziert. Die meisten Familien¬
angehörigen flohen ins westliche Ausland und nach Übersee.

August 2022 33