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durch die sprachliche und gedankliche Präzi¬
sion ihrer Tagebucheintragungen. Auch ihr
ging es darum, Zeugnis abzulegen über das
Geschehene, doch fand sie nach Kriegsende
keinen Verlag für ihr angedachtes Buch. So
blieb alles teilweise nur als Fragment erhal¬
ten, und gerade in dieser Fragmentarität liegt
die Spannung und die Qualität ihres Buches.
Aus scharfer Beobachtung entwickelt sich
ihr der Aphorismus. So menschenscheu und
manchmal verächtlich ihre Urteile ausfallen,
2.B. über jene Menschen, “die “Gänsebraten”
vorziehen (Synonym für die, die das “Sak¬
rament des Büffel” genossen haben), weiß
sie auch durch freundliche Einsicht zu ent¬
schädigen: 1955 notiert sie: “Wenn man von
dem Standpunkt ausgeht, dass die Menschen
alle arme Teufel sind, ist das Leben und der
Umgang mit ihnen leichter!” — Dank an Eva
Geber: Sie hat uns ein wichtiges Dokument
des Exils erschlossen und sachgemäß kommen¬
tiert. — K.K.

Alfred Hübner: Die Leben des Paul Zech.
Eine Biographie. Heidelberg: Mario Verlag
2021. 936 S. Euro 48,¬

Hilde Langthaler/Richard Langthaler:
Kerbungen. Schwarze Texte und Holz¬
schnitte. Mit einem Vorwort von Susanne
Ayoub. Wien: Promedia Verlag 2021. 87 S.
Hilde Langthaler, die im Jänner 2019 an
Krebs gestorben ist, war das, was sie ihrem
Onkel Theodor Sapper in einem Aufsatz über
ihn (in ZW Nr.2/2003, S. 64-66) nachsag¬

te: eine “ehrliche” Schriftstellerin, die in ihren

Briefe

Zu ZW 3a/2021 und der Ankündigung
von Konstantin Kaisers Essay-Band „Im Di¬
ckicht. Antisemitismus und Kultur“

Im Dickicht. Erinnerung will nicht ge¬
weckt werden. Für das, was es nicht gege¬
ben hat, braucht es auch weder Mahnmal,
noch ein Forschungsinstitut, noch... Ich
hab’s in Frankreich vor Jahrzehnten erlebt.
Ein Verlag wollte von mir ein Buch über
liter. Faschismus in Frankreich 1933-1945.
Das erste. Drucken konnte er es dann
nicht: “Man

würde mir das Haus anzünden.” Es muss¬
te in diätischen Kleindosen erscheinen. —
Und heute: Celine hat Hochkonjunktur.
Kritische Gesamtausgabe.Pléiade. Nur die
“schlimmsten” Texte diirfen nicht erschei¬
nen. Da hat der Staat die Hand drauf.

Die von ZW/Sonja Pleßl mitgetragene Ini¬
tiative. Kein Tod auf Verlangen. Die Presse
hat negativ reagiert. Zum Teil nur. Glück¬
licherweise. Der Blick nach hinten fehlt.

102 ZWISCHENWELT

Texten mit offenen Karten spielte und meinte,
was sie sagte. Entschieden in ihrem Engage¬
ment, thematisierte sie auch Selbstzweifel und
Befürchtungen eines endgültigen Scheiterns
all jener Bestrebungen für die sie einstand, der
Friedens- und Umweltbewegung. Doch stand
ihr auch makabrer Humor zu Gebote:

wir kommen aus der ewigkeit

wir gehen in die ewigkeit

und in der kurzen zeit dazwischen

schauen wir ständig auf die uhr

Sie war Ärztin und lebte, tätig im Rahmen
der Entwicklungszusammenarbeit, mehrere
Jahre in Afrika. Ihre Theaterstücke wurden
inner- und außerhalb Österreichs gespielt und
sind auch in Buchform erschienen; so auch
Miniprosa und Kurzgeschichten. — Das Mo¬
tiv der ständigen Gehetztheit taucht an vielen
Stellen in ihren Gedichten auf. Zwar bekla¬
gen diverse Entschleunigungsapostel diese Ge¬
hetztheit und führen sie gerne auf die allzu
große Gier der Leute, nach allem Möglichen
zu haschen, zurück, sie entspringt aber, geht
man der Sache auf den Grund, eher dem ver¬
zweifelten Widerstand des Inividuums gegen
die entfremdende Vergesellschaftung in der
“Zeitzerstörung” (Leander Kaiser). Hier ist
eine fast perfekte Täter-Opfer-Umkehr gelun¬
gen.- Die Holzschnitte Richard Langthalers
nehmen mutig das Gespräch mit den Texten
der Lebensgefährtin auf. — Ein liebevoll ge¬
stalietes, schönes Buch! - K.K.

Elie Rosen: Jüdisches Graz. Blick in die
Gegenwart. Innsbruck, Wien: Limbus Ver¬
lag 2021. 159 S. Euro 20,¬

Wir leben abgeschnitten von der Vergan¬
genheit. Die hat es ohnehin nie gegeben.
Oder doch? In Deutschland kann man die
Feiertage für Graf von Stauffenberg kaum
mehr zählen: Er gibt das gute Gewissen.
Dass er ein übler Antisemit war, bis fast ans
Ende alles mitgemacht hat (inkl. Judener¬
schießungen) wird verschwiegen. Ja, es ist
schwierig, seinen Tod richtig zu benennen,
ohne in Widerstandspathos abzugleiten.
Dazu Georg Elser: Man nimmt es ihm im¬
mer noch übel, dass er nicht Akademiker
und Offizier gewesen ist. Er entlarvt sie
eben alle. Er hat gewusst, was keiner wuss¬
te — oder wissen wollte. Die Kollektiverin¬
nerung an ihn hält sich sehr in Grenzen.
Konstantin und der ganzen Redaktion
großen Dank für alle Erhellungen und
Aufdeckungen.

Charles Ofaire, Marburg, 29.12.2022

Liebe Lisa Emanuely,
wie „versprochen“ habe ich mir für die

Elie Rosen, Präsident der jüdischen Gemein¬
de von Baden bei Wien, Vorstandsmitglied
der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und
Vizepräsident des Bundesverbandes der Israe¬
litischen Kultusgemeinden ist seit 2016 auch
Präsident der jüdischen Gemeinde von Graz.
Im Buch stellt Rosen seine Gemeinde vor, die
2000 neu gebaute Synagoge, im Gemeinde¬
haus das Lehrhaus, die kleine Präsenzbiblio¬
thek, das Archiv und Matrikelamt, den jüdi¬
schen Friedhof und Orte der jüdischen Erin¬
nerung in der Stadt. Interviews mit den Ge¬
meindemitgliedern Albert Kaufmann, Sand¬
ra Bellei, Heinz Anderwald und Leah Hatzl
ergänzen den Band.In den Kurzbiographien
im Abschnitt über Jüdische Persönlichkeiten
oder in den Quellen gibt es allerdings keine
Hinweise auf die 1988 und 2013 publizier¬
ten Erinnerungen des Grazer Oberrabbiners
David Herzog, die 2015 neu aufgelegten aus¬
gewählten Predigten seines Vorgängers Samu¬
el Mühsam, die 2017 als Buch publizierten
Geschichten von Gerschon Schoffmann oder
die beiden Bücher über Samuel Steinherz von
Gerhard Oberkofler und Martha Keil. Auch
das Buch „Minhag Styria. Jüdisches Leben in
der Steiermark“ (2005) wird nicht erwähnt.

Auf fünf Seiten werden zwar die Freundesge¬
sellschaft der jüdischen Gemeinde Graz, das
Centrum für Jüdische Studien der Univer¬
sität und der David-Herzog-Fonds der stei¬
rischen Universitäten kurz vorgestellt, aber
„Clio. Verein für Geschichts- und Bildungs¬
gsarbeit“ mit seinen vielen Verdiensten und
Bemühungen um die Geschichte der steiri¬
schen jüdischen Geschichte bleibt ausgespart.

Fahrt nach Meran neben Hannah Arendt
„Die Freiheit, frei zu sein“, ein Essay der
erst 38 Jahre nach ihrem Tod in der Form
erschien, übrigens ein wunderschöner Ti¬
tel, und natürlich die „Fäden der Ariadne“
mitgenommen. Ich habe das auch Elisa¬
beth Erler geschrieben. Wie schön, dass
mit dem Buch an eine mehr als bemer¬
kenswerte Frau erinnert wird und es damit
natürlich auch eine Hommage an ihre so
wertvolle Arbeit darstellt, die auch so viele
ihrer „Schützlinge“ nicht vergessen lässt.
An Stella Kadmon, Otto Binder oder Otto
Tausig kann ich mich beispielsweise selbst
auch persönlich erinnern. Ich denke, da
war für die Herausgeber eine ganze Menge
Material zusammenzutragen.

Gratulation, da ist ein Buch gelungen, das
Siglinde Bolbecher und viele andere in
mehr als lebendiger Erinnerung hält!.
Alles Liebe

Kurt Svatek, e-Mail an Lisa Emanuely