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Quellen

Erwin Chvojka (Hg.): Theodor Kramer. Gesammelte Gedichte. Bd. 3. Wien:
Europaverlag 1987, S. 498f.

Konstantin Kaiser (Hg.), in Zusammenarbeit mit Harald Maria Höfinger:
Vom Nicht-Beigeben. Theodor Kramer 1897 - 1958. Einführung in Leben
und Werk. Wien: TKG 2022

Ernst Lauermann: Der Michelberg. Ein archäologischer Hotspot im südlichen
Weinviertel. Schleinbach: Edition Winkler-Hermaden 2019

Karoline Krammer: Große und kleine Denkmäler der Marktgemeinde Nie¬
derhollabrunn. Geschichten erzählen Geschichte. 2. erweiterte, aktualisierte
Auflage. Haselbach: Selbstverlag (Online-Druck) 2021. S. 61 ff.

Bruno Schernhammer
Marie N. Ein Frauenleben

N. wie Neujahrskind.

Das Geburtsdatum fällt auf: Dreimal die Eins und dreimal
die Acht. Ist darauf von den Lehrerinnen zu Schuljahresbeginn
hingewiesen worden? Wurde bei Geburtstagsfeiern darauf ange¬
stoßen, bei Amtsgängen kommentiert? Aha, ein Neujahrskind.
Leicht zu merken.

Oder N. wie Niemand.

Ein chem. Volksschuldirektor hatte 1959 geschrieben, dass
Niemand aus dem Dorfe in ein KZ gekommen sei.' Auch sonst
sei keinem ein Leid zugefügt worden in den Jahren 1938 bis 1944.

Bei der Geburt wird Marie? im Taufbuch als uneheliches Kind
eingetragen. Ein halbes Jahr später wird sie „legitimiert“, als che¬
liches Kind anerkannt. Ihre Eltern heiraten, Marie nimmt den
Familiennamen des Vaters an, die ersten Monate ihres Lebens
wird sie mit ihrer Mutter am Hof ihres Großvaters verbringen.

Thre Mutter Theresia stammt aus einem gutbäuerlichen Haus.
Der Großvater Johann besitzt eines der größten Güter des Or¬
tes, ein großer Vierkanthof. Von einer „durchaus anschnlichen
Hofstätte“ mit „etwa 20 — 30 Joch“ bereits im 16. Jahrhundert
spricht ein Beitrag? über die Erbhöfe des Ortes.

Der Vater Franz kommt aus einfachen Verhältnissen. „Sohn eines
Taglöhners und Inwohners““ heißt es in den Trauungs-Matriken.
Er selbst ist bei Maries Geburt Knecht auf einem Hof, mehrere
Kilometer entfernt vom Hof der Schwiegereltern.

Zwei Jahre nach ihrer Geburt kaufen die Eltern ein kleines Haus
in der Ortschaft Pappelleiten mit dem Hausnamen Weißmanns¬
ölde. Der Vater von Theresia wird die Familie dabei unterstützt
haben. Pappelleiten liegt, wie der Name schon sagt an einem
Hang, unten begrenzt durch den Almfluss. Inzwischen war ihr
Bruder Sepp geboren. Ihr zweiter Bruder Franz Xaver wird im
November 1890 in der Pfarrkirche getauft werden. Als letztes
Geschwister kommt Karoline in Pappelleiten zur Welt. Marie N.
ist bei Karolines Geburt fünf Jahre alt. Auffällig ist, dass alle vier
Geschwister dieselbe Taufpatin haben: Magdalena, die Schwester
der Mutter, „ledige Bauerntochter aus Oberhörbach“.

Geht ja nicht zum Fluss! Marie, pass auf, dass die Kleinen nicht
zur Alm gehen. Der reißende Fluss ist gefährlich, schon viele Kinder
sind hineingefallen und ertrunken. Diese und ähnliche Warnungen
werden Marie und ihre Geschwister hunderte Male gehört haben.
Der Almfluss ist keine hundert Meter vom Haus entfernt.

Karoline Krammer, in Zusammenarbeit mit Ernst Lauermann, Ernst Wol¬
finger, Horst Labschütz, (Kulturverein Niederhollabrunn Hg.): Das große
Buch vom Michelberg. 1. Auflage, Haselbach: Selbstverlag 2015

Archiv Ernst Wolfinger: Ansichtskarten vom Michelsberg, Dokumente über
Alois Pascon und den Steinbruch

Ernst Wolfinger: Der Michelberg. In: Chronik 850 Jahre Niederhollabrunn.
Niederhollabrunn 1985, S. 93ff.

Daniela Matejschek: Fotographie vom Michelberg fiir die Plattenhiille von
SCHDEAN.

Dietmar Aichele, Marianne Golte-Bechtle: Was blüht denn da? Wildwach¬
sende Blütenpflanzen Mitteleuropas. Stuttgart: Kosmos Naturführer 1988.
S. 298.

Haben sie die Verbote übertreten? Sind sie manchmal an das
Ufer des Flusses herangetreten und haben den Flößern zuge¬
wunken, wenn diese die Holzbloche aus Scharnstein den Fluss
hinunter trifteten?

Pappelleiten 12 ist das letzte Haus in der Oberen Pappelleiten.
Danach schließt ein kleines Waldstück an. Der Weg ins Dorfund
damit zur Schule führte damals unmittelbar an einer Biegung
des Flusses vorbei. Nach den letzten Laubbäumen ging es schräg
aufsteigend auf das Hochplateau hinauf. Bald erspähte man den
Zwiebelturm der Kirche. Daneben lag die Schule. Eine halbe
Stunde wird die Wegzeit betragen haben. Sie habe in der Volks¬
schule gut gelernt, wird sie später zu Protokoll geben.

Nach der „Ausschulung“ habe sie zuerst bei Bauern und später
als Hausgehilfin gearbeitet.

Wie kann ich mir Marie als junge Frau vorstellen? Braune Haa¬
re, graugriine Augen, schlank. Ist sie manchmal auf Tanzfeste
gegangen? Falls sie noch in der Pappelleiten gewohnt hat, böte
sich das Wirtshaus in der Roith an, zehn Minuten auf dem Weg
ins Dorf, oder flussaufwärts die Wang, vielleicht zwanzig Minu¬
ten zu Fuß. Was hat man um 1908 in diesen Wirtshäusern und
auf Tanzböden bei Bauernhöfen getanzt? Den Salzkammergut¬
Landler im Dreiviertel-Takt oder den Innviertler Landler im

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