wüstensegel
ob schnee fällt in den
wüsten die ich einst durch
quert ins ausgenügte bis
zum ursprung, bis
die von weit hergelaufene wut —
wühlt es empor das namenssegel
der sumerer hängt zerrissen
zwischen den zwei flüssen
selbst der name
Gilgamesch wie seide
sand und samen —
Gilgamesch, noch
zärtlicher der wind— UR
lichtert lautlos wie ein knall
der riss durchs alphabet
nachdem längst schon das lapis
blau der göttin Ischtar leer
geplündert, längst der
letzte zikkurat zertreten
von soldatenstiefeln
platt getreten ist
ein kurzer widerhall
der seele noch in dem gesicht
in eine ferne ohnegleichen
die zwei flügel ausgebreitet
schon entledigt aller sinne
bloße zeichen auf den lidern
still hast du dich jenen längst entzogen
die dich biegen beugen ernst
belachen ausleuchten, ins mark
schweben in lichtfontänen
atemlos heilt jede wunde jetzt
seit immer — exitus letalis
schräg ein lächeln
augen auf das letzte
(Tod Hertha Kräftner, 13.11.1951)
in dieser langen weile bis der
sichelmond zum vollen wird
gefüllt mit seelen sacht und
unanfechtbar dieses chaos innen
das sich in die ordnung zwängt
in die geträumte
in die angesagten sätze
einer missa a capella
uneindeutig bis
hinein in die taghelle
sacht und unanfechtbar
trüb die rechte linse
im gesicht längs quer
geschnittene kartuschen
alte pharaonin, lange her
die ohren voller töne sonder
bare, virtuos bis furios im
nachhinein der tinnitus —
ist voll mit widersprüchen
ist ein öffnen schließen
kreisen mit den armen um
sich selbst zu fassen in dem
zwielichtdunkel näher schon
den katarakten quer im nil
aufsteigend bis auf augenhöhe
diese trägen tabla klänge, dazu
die bazuki, schön das spiel der oud
und für momente schält sichs aus
dem bild: am roten faden hängt er
der oasenblaue mantel Nofretetes
die nostalgie lässt sich nicht sagen
zwingt verstaubten zimmerecken
die erinnerung ab
Aus: Dine Petrik: Handgewebe lapisblau. lyrics artgeredet vertont.
Hg. von Richard Pils. Weitra: Bibliothek der Provinz 2023.
Dine Petrik, geboren im Burgenland, lebt als freie Autorin in Wien,
Lyrikerin, Romane, Artikel und Essays in den hiesigen Medien. Mehrere
Arbeiten über die 1951 verstorbene Lyrikerin Hertha Kräftner, 2022
erschien die Biografie „Ich bin wie ein kaltes Reptil.“ Soeben kam ihr
achter Lyrikband „Handgewebe lapisblau“ im Verlag der Provinz heraus.