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6) Die Rolle der Medien: Einerseits saßen auch in den österreichischen Medien oft dieselben Leute wie vor 1945 in den Redaktionen, andererseits war man nach außen sehr bemüht, für die internationale Presse den Eindruck der Berücksichtigung der Interessen der Opfer des NS-Regimes zu erwecken, ohne dabei die „nationale“ Wählerschaft allzusehr zu verstimmen. Gleichzeitig dominierte in der Beamtenschaft unverändert das alte antisemitische Vorurteil von der vom ,,internationalen jüdischen Finanzkapital“ beherrschten internationalen Presse. 7) „Sprache und Parteien“: In einer erschreckenden Auswahl von ,,Sagern“ aus allen politischen Parteien wird die ungebrochene Kontinuität des Antisemitismus in Österreich gezeigt. Das erfolgt neben einer Auswahl von Plakaten v.a. in Form eines „Quizspieles“, wo es darum geht, die jeweiligen „Sager“ einer Partei zuzuordnen. 8) „Entschädigungen und deren Hindernisse“ dargestellt speziell am Beispiel von Möbeln aus sog. „Deutschem Eigentum“ für Heimkehrer aus der Emigration. Wer sich hier die Ereignisse und Dokumente aus der Zeit nach 1955 ansieht, erkennt, welch schäbige Rolle hier die beiden Großparteien und die aus der Nazizeit übernommenen Bürokraten spielten. 9) „Kontinuität von Beamtentum, Wissenschaft und Kultur“ nach kurzer Zeit saßen in fast allen Bereichen der Gesellschaft wieder dieselben Personen an den Schalthebeln von Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Kultur. Selbst illegale Mitgliedschaft in der NSDAP tat dem nur selten Abbruch. Da bereits ab April 1948 eine Amnestie für sog. „Minderbelastete“ wirksam wurde und hier von allen Parteien in Abwandlung des Lueger-Spruchs „Was ein Jud ist, bestimm i“ vorgegangen wurde, kam es zu eklatanten Fehlentwicklungen in allen Bereichen. Hier sei nur stellvertretend für viele andere der sich selbst als ,,Widerstandskämpfer oder Verteidiger und Helfer der Juden“ hochstilisierende Direktor des Institutes für Musikwissenschaft Erich Schenk genannt. Ähnlich verhielt es sich mit dem Dirigenten Karl Böhm oder den Schauspielern Werner Krauss, Paula Wessely und Attila Hörbiger. 10) Sagerland Österreich: Hier werden zum zweiten Mal, diesmal nach Parteien geordnet, mündliche und schriftliche antisemitische Äußerungen von Politikern und Journalisten vorgeführt. Die Ausstellung bringt die Thematik auch Menschen, die sich mit dem Thema vorher wenig bis gar nicht befaßt haben, nahe. Manche Teile sind vielleicht etwas zu ausführlich geraten, wie z.B. im Teil 8 der Briefwechsel betreffend die Möbelrückgabe von Michael Kohn. Andere Teile dagegen sind etwas mager aufgefallen. Leider sind manche Beschriftungen so ungünstig angebracht, daß sie vor allem für Brillenträger kaum lesbar sind. Was die schon kurz erwähnten Spiele betrifft, ist es schade, daß nicht zumindest ein Teil davon mit kleinen Adaptierungen entweder käuflich zu erwerben ist oder aber für Schulen zur Weitergabe vorliegt. Während der Beginn der Exilforschung in Österreich im wesentlichen erst seit den 1980er Jahren anzusetzen ist, ist die westdeutsche Erforschung des Naziexils seit Ende der 1960er Jahre mehr oder weniger etabliert. Es kam zu einer längst fälligen Aufarbeitung vor allem des kulturellen und politischen Exils. Orientiert an eher prominenten Persönlichkeiten, waren es vielfach biographische und da von der Germanistik herkommend — oft werkimmanente Studien; Strukturgeschichte war weniger gefragt. Allerdings erfolgte bereits Anfang der 1990er Jahre insofern ein Paradigmenwechsel, als etwa Wolfgang Benz, seines Zeichens Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung und Vorsitzender der (deutschen) Gesellschaft für Exilforschung, die Hinwendung zur Alltagsgeschichte, zum „Exil der kleinen Leute“, vollzog, jener vielen Unbekannten, die sich weitgehend ohne die Hilfe einflußreicher Hilfsorganisationen oder prominenter Fürsprecher durchschlagen mußten. So könnte man meinen, die Exilforschung sei ein florierender Zweig innerhalb der Geistesund Gesellschaftswissenschaften. Glaubt man jedoch den Worten von Wolfgang Benz, so hat es den Anschein, als ob sie Gefahr liefe, in eine Sackgasse zu geraten. Und tatsächlich könnte man geneigt sein, ihm bei näherem Hinsehen recht zu geben. Nimmt man etwa die Programme der letzten Tagungen besagter Gesellschaft her, so drängt sich doch der Eindruck auf, daß hier immer noch überwiegend biographisch und werkinterpretierend geforscht wird und zu wenig neue, weiterführende Ansätze auftauchen. Wolfgang Benz hat dieses Problem schon in den vergangenen Jahren des öfteren artikuliert, bereits auf der vorjährigen Tagung der Gesellschaft für Exilforschung in Nonantula/Carpi gab es erste Beiträge über Aspekte aktueller Migrationsforschung (etwa der „boat-people“ und vietnamesischen Vertragsarbeiter in der BRD bzw. DDR oder der bosnischen Fliichtlingskinder in Berlin), die noch ausschlieBlich von Referenten aus dem Umfeld des Zentrums fiir Antisemitismusforschung stammten (vgl. dazu den Bericht in ZW Nr. 1/2004). Benz scheint allerdings, wie er in seinem Einleitungsstatement andeutete, mit seinen „Cassandrarufen“ im Vorstand der Gesellschaft für Exilforschung zu wenig Gehör zu finden. Daher muß die vom Zentrum für Antisemitismusforschung am 7. und 8. April 2005 in Berlin organisierte wissenschaftliche Konferenz Verweigertes Asyl — Die Abwehr von Flüchtlingen. Aktualität und Geschichte eines humanitären Problems auch als Versuch gesehen werden, dic Exilforschung aus ihrem vermeintlich engen, selbst gewählten Korsett zu befreien und in eine weitergehende und aktualitätsbezogenere Perspektive einzubetten und damit das Programm der Exilforschung der Migrationsforschung anzunähern. Die Vorträge brachten einerseits historische Längsschnitte über die Flüchtlings- bzw. Migrationsproblematik oder stellten andererseits spezielle historische und aktuelle Modellfälle in den Mittelpunkt. In seinem Einleitungsreferat, Deutschland ein Einwanderungsland, gab Wolfgang Benz vorerst einen komprimierten Überblick über die verschiedenen Migrationswellen nach und zwischen Deutschland (gemeint ist die Binnenwanderung zwischen den beiden deutschen Besatzungszonen bzw. Teilstaaten), beginnend mit den „Umsiedlungen“ im Gefolge der Potsdamer Konferenz im August 1945, der Rückkehr der Kriegsgefangenen und dem Problem der Displaced Persons über die Anwerbung von Gastarbeitern als Folge des deutschen Wirtschaftswunders, die 1970 ihren Höhepunkt erreichte, bis zu den „Spätaussiedlern“ und den „Konventionsflüchtlingen“. Dieser Zuzug erfolgte weitgehend ungeregelt, da Westdeutschland laut seinem Grundgesetz kein Einwanderungsland war und erst 1991 ein Ausländergesetz verabschiedete. 1993 wurden die Asylverfahren verschärft und auch sonst Hürden für den Zuzug von außen errichtet. Die Verschärfung im Umgang mit Asylwerbern seit den 1990er Jahren hob auch die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth in ihren Ausführungen über Asylrecht und Zuwanderungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland hervor. Die Asylsuchenden müßten nicht nur gegen die meist unbegründeten Vorurteile, daß Flüchtlinge schwach und schlecht ausgebildet seien, ankämpfen, oft scheitere die Integration auch an fehlenden Arbeitsmöglichkeiten, außerdem hätten sich die Abwehrmechanismen innerhalb der EU wesentlich verschärft, etwa durch die „Flughafenverfahren“. Süßmuth betonte auch, daß besonders das Problem der illegalen Zuwanderung einer dringenden Lösung bedürfe, wobei sie die Legalisierung dieser Zuwanderer als eine Möglichkeit erwähnte. Sie verwies dabei auf die USA, wo es trotz rigoroser Maßnahmen nicht gelingt, die massenhafte illegale mexikanische Einwanderung zu unterbinden. Der Menschenrechtsaktivist und Mitbegründer der humanitären Bewegung „Cap Anamur“ Rupert Neudeck sprach über Möglichkeiten und Grenzen humanitären Engagements und referierte in erster Linie über seine Erfahrungen bei der Rettung von Flüchtlingen im südchinesischen Meer seit den 1970er Jahren oder derzeit in Afrika. Er verwies darauf, daß die Aktivitäten seiner Organisation nur durch den Rückhalt der Öffentlichkeit möglich seien, und hob vor allem die rein private Finanzierung hervor, die Cap Anamur erst die nötige Bewegungsfreiheit ermögliche. Neudeck strich auch das Scheitern der Staats- und 77