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insofern strittig ist, als Weinhebers Distanzierung vom Natio¬
nalsozialismus nicht öffentlich erfolgte, nachdem er sich ab 1938
wiederholt öffentlich zu Hitler bekannt hatte. Aufschlußreicher
als die biographischen Zeugnisse - und dazu gehört der Selbst¬
mord im April 1945, der wohl auch als Buße gemeint war - zeugt
jedoch das Kalenderbuch davon, daß sich hier jemand ganz an
vorgegebene Muster verlieren will, in Zwölfer- und Siebener¬
kreisen heidnische: über christliche über regionale Ordnungs¬
muster stülpt und auf Kosten des Wirklichkeitsgehalts das Ideal
der Stimmigkeit bis zum Extrem verfolgt. Und doch finden sich
in dieser gewaltsam gebändigten Welt Spuren der Skepsis, die
andeuten, daß Weinheber kein simpler Parteidichter war, daß
dem Rettungsversuch in die hohle Form das eigene bessere
Wissen entgegenstand. In diesem Jahr 1937, als Österreichs
Entwicklung so ganz in Schwebe war, entstand auch der größte
Teil von Weinhebers nächstem Buch, das er "Zwischenreich"
nennen wollte, was soviel heißt wie Limbus oder Vorhölle. Die
vierzig Oden dieses Buchs, das dann 1938 unter dem Titel

Skepsis überdeutlich, ohne freilich dabei eine antifaschistische
Position zu vertreten.

Der Antipode ist wiederum Kramer, der hiemit das letzte
Wort behalten möge: aus dem Londoner Exil im Jahre 1945
widmet er einem Ungenannten, unter dem wir uns Weinheber
so gut wie einen anderen denken können, das Gedicht "Requiem
für einen Faschisten", das wieder die Grenzen durchbricht:

REQUIEM FÜR EINEN FASCHISTEN

Du warst in allem einer ihrer Besten,
erschrocken fühl ich heut mich dir verwandt;
du schwelgtest gerne bei den gleichen Festen
und zogst wie ich oft wochenlang durchs Land.

Daß wir des Tods und Ursprungs nicht vergessen,
wann jeder Brot hat und zum Brot auch Wein,
vom Überschwang zu singen wie besessen,

soll um dich, Bruder, meine Klage sein.

Friedrich Achberger, geboren am 29.6.
1948 in Graz, kam am 23.9. 1984 bei einem
Autounfall in Minnesota (USA) ums
Leben. Er studierte Germanistik in Graz
(Abschluß mit dem Magistergrad 1973)
und in den USA an der University of Wis¬
consin in Madison (Doktorgrad 1977).
1978 wurde er Assistant Professor, im Früh¬
jahr 1984 Associate Professor. Schon in
seiner bei Jost Hermand geschriebenen
Dissertation hatte er sich mit der Osterrei¬
chischen Literatur des 20. Jahrhunderts
auseinandergesetzt; bei seinem Tod war
das Manuskript zu einem Buch "Österrei¬
chische Literatur 1918 - 1938: Kommentar

Friedrich Achberger - Bibliographie

(Koautor:) Wirkungen in der Praxis? Natura¬
lismus - Neue Sachlichkeit - Dokumentaris¬
mus. In: J. Hermand, R. Grimm (Hg.): Rea¬
lismustheorien. Stuttgart: Kohlhammer 1975,
87 - 102.

Republikbezogene Literatur in Osterreich
1918 - 1927. Dissertation. University of Wis¬
consin, Madison 1977.

(Koautor:) Life and Adventures of Trobadora
Beatriz as Chronicled by Her Minstrel Laura,
by Irmtraud Morgner. Introduction. In: New
German Critique No. 15 (Jg. 1978), 121 - 124.
Die Inflation und die zeitgenössische Litera¬
tur. In: F. Kadrnoska (Hg.): Aufbruch und
Untergang. Wien: Europa Verlag 1981, 29 ¬
42.

Lehrstiick Weimar? Osterreichische Perspek¬
tiven auf den Untergang der deutschen Repu¬
blik. In: Th. Koebner (Hg.): Weimars Ende.
Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1982, 399 - 423.
Osterreichische Literatur. In: H.A. Glaser, A.

zu einer Epoche" schon weitgehend abge¬
schlossen. In seinem an prominenter Stelle
veröffentlichten Aufsatz "Österreichische
Literatur" (in der von H.A. Glaser und A.
v. Bormann herausgegebenen Sozialge¬
schichte der deutschen Literatur) würdigte
er die besondere Stellung Theodor Kramers
in der österreichischen Literatur der Zwi¬
schenkriegszeit, ein Herangehen, das
damals, 1983, der in Österreich gepflegten
germanistischen Konvention in keiner
Weise entsprach.

Der Aufsatz "Theodor Kramer - Josef
Weinheber: Antipoden in der österreichi¬
schen Lyrik der dreißiger Jahre" entstand

v. Bormann (Hg.): Deutsche Literatur - Eine
Sozialgeschichte; Bd. 9, 1918 - 1945. Reinbek:
Rowohlt 1983, 318 - 337.
Images of the Country: Provincial Literature
in the Weimar Republic. In: J. Schulte-Sasse
(Hg.): Literature and Politics in the Weimar
Republic. Minneapolis: University Press 1984.
Rehabilitierung der "österreichischen Litera¬
tur’. In: Monatshefte 1984. Österreichische
Literatur 1918 - 1938. Kommentar zu einer
Epoche. Buchmanuskript 1984.
Übersetzungen aus dem Englischen ins
Deutsche und umgekehrt von Fredric
Jameson, Karen Achberger, Irmtraud
Morgner, Barbara Frischmuth, Christine
Wolter.

on the Austrian War", "Hofmannsthals Salz¬
burger GroBes Welttheater", "Vienna Revi¬
sted: Return of Exiles", "Doderer und die
dreißiger Jahre" u.a.

als Manuskript zu einem Vortrag, den Ach¬
berger am 2.12. 1982 vor den Germanisten
der University of Minnesota hielt. Für die
freundliche Genehmigung zum Abdruck
danken wir Prof. Dr. Karen Achberger.
Erika Achberger danken wir für wertvolle
Materialien und Hinweise.

Das von Friedrich Achberger am Ende
seines Aufsatzes zitierte Gedicht "Requiem
für einen Faschisten" bezog sich - nach
einer mündlichen Mitteilung Erich Frieds
vom 21.3. 1986 an Konstantin Kaiser - ganz
konkret auf Josef Weinheber. Kramer hatte
das Gedicht Fried vor der Endfassung zur
kritischen Durchsicht vorgelegt.

Richtigstellung

Wir bedauern, daß der Beitrag Mimi Gross¬
bergs auf den Seiten 1-3 von MdZ 4/1990 ohne
Fahnenlesen durchging. Im letzten Absatz
von O. M. Grafs Erinnerungen an Bert Brecht
wollte Graf Brecht nicht ’anrichten’, sondern
hat ihn "angedichtet". Mimi Grossbergs
Gedicht "Letzte Ehrung Bertolt Brechts"
wurde so fehlerhaft wiedergegeben, daß wir es
hier nochmals abdrucken:

Letzte Ehrung Bertolt Brechts

Du hast es selbst verschuldet,

man hat es dir gewährt,

erst jetzt, nach deinem Tode,

hat man dich so geehrt...

Schenkte dir Auferstehung,

es fehlte nicht an Mut ¬

man zog dich aus dem Grabe

und jetzt bist du ein Jud.

SEI HERZLICHST WILLKOMMEN!!!