1988 starb in Südfrankreich 86-jährig die österreichische Journalistin und Schrift¬
stellerin Alice Penkala geb. Krausz.
Bei der späten Erfassung der nach dem Anschluß emigrierten Intellektuellen ist
sie übersehen worden. Vielleicht weil ihre zahlreichen Romane und hunderten
Kurzgeschichten keine „große Literatur“ waren. Dabei war die Thematik der
Arbeiten Alice Penkalas nicht so leichtfüßig oder gar trivial wie sie bei flüchtigem
Anblick scheinen mag. Der Nachlaß der Schriftstellerin birgt einige Überraschun¬
gen.
„Wenn man während der Wind weht, am Rande des Wassers steht, kann man
bemerken, daß die bewegten Wellen immer an einer und der selben Stelle alles,
was da in ihnen schwimmen mag, zusammentragen. Ringsum springen nur
Gischt und weißer Schaum an die Küste; aber irgendwo, in einer Bucht, sammeln
sich Algen, Muscheln, Strohhalme, Flaschen, Glasscherben, Holzstücke und
Korkstöpsel, kurz alles mögliche und unmögliche.
Ich selbst war so eine Art Korkstöpsel währen des letzten furchtbaren Sturmes,
der unsere Welt heimgesucht hat und wilde Wellen warfen mich, gemeinsam mit
allen möglichen Leuten aus allen unmöglichen Gegenden der Erde in den
kleinen, nordafrikanischen Hafen Tanger, die internationale Zone, die von
wohlwollenden Bewohnern als "europäische Insel im dunklen Erdteil’, von
weniger wohlwollenden als ’Misthaufen Europas’ bezeichnet wird.
Ich war da, die Sonne schien heiß und schwer, der Himmel war unwahrscheinlich
blau, riesige Palmen wirkten dekorativ, Kamelprofile verächtlich und außeror¬
dentlich schmutzige, großäugige Araberbuben bettelten mich auf französisch,
englisch und holländisch an und beschimpften mich dann auf arabisch, weil ich
ihnen kein Geld gab. Aber ich hatte doch beinahe gar kein Geld; Korkstöpsel,
die von den Wellen irgendwo an den Strand geworfen werden, pflegen nicht
begütert zu sein. ..."
So beginnt „Cafe in Tanger“, Alice Penkalas 15-seitige Schilderung eines der
unzähligen Versuche, sich während der Emigration in Tanger während des
Zweiten Weltkrieges durchzuschlagen. Aufgeschrieben wurde das Experiment
einer Kaffeehauseröffnung allerdings viele Jahre später, denn von 1939 bis 1946
war der seit ihrer frühesten Jugend schreibenden Frau wenig Musse gegönnt,
ihrer Leidenschaft zu frönen oder sie gar als Broterwerb einzusetzen. Dieser
zermürbende Daseinskampf wurde von der Autorin später mit der sarkastischen
Bemerkung gekennzeichnet: „Außer Prostitution und Koloratursingen habe ich
dort alle Berufe ausgeübt.“ In der Tat führte sie ein Kaffeehaus, war Karten¬
schlägerin, hausierte mit selbstgefertigen Lampenschirmen, hielt eine Mittags¬
küche für zahlende Gäste, unterrichtete Sprachen, übersetzte, war Haushälterin,
Gymnastiklehrerin, Kindermädchen.
Die literarische Verarbeitung des Tanger-Exils stellt nur einen kleinen Teil von
Alice Penkalas schriftstellerischen Arbeiten dar. Sie gehört jedoch zum Ein¬
drucksvollsten innerhalb der geschriebenen Lawine, die in den 20er und 30er
Jahren, vor allem aber in der Nachkriegszeit von ihrer Feder in Bewegung gesetzt
wurde. Ihr Nachlaß enthält mehrere Manuskripte, die beweisen, daß sie allen
Schwierigkeiten zum Trotz bereits an Ort und Stelle die eigene „Korkstöpsel¬
Existenz“ romanhaft festzuhalten versuchte. Einige Texte blieben fragmenta¬
risch, andere wurden vollendet, jedoch offenbar nie gedruckt. Zentrale Figuren
sind stets österreichische oder mitteleuropäische junge Frauen oder Paare im
Überlebenskampf der Emigration.
War Alice Penkala zuerst von der internationalen Stadt Tanger mit ihrem
Völkergemisch noch fasziniert, so brachten bald aufreibende Lebensbedingun¬
gen und sich langsam öffnender Einblick in die dort konzentrierte Welt der
Alice Penkala (Pseudonyme: Robert
Anton, Anneliese Meinert, Berta Bruck¬
ner, Alois Piringer), geboren am 8.2.1902
als Rosa Alice Krausz in Wien
(20. Bezirk) als älteste Tochter des
Arztes Dr. Sigmund Krausz und dessen
Frau Else geb. Dornreich.
1904 Geburt der Schwester Edith.
Die Familie übersiedelt vor dem Ersten
Weltkriegnach Baden bei Wien, wo Alice
Penkala 1919 maturiert. Während der
Studienjahre wohnt sie wieder im elterli¬
chen Haus in Wien bei der Großmutter.
Ab 1920 Mitarbeit bei mehreren Zeitun¬
gen. Seit 1925 Mitarbeit beim Wiener
„Abend“.
Studium an der Universität Wien. Am
21.12.1925 Promotion zum Doktor der
Rechte.
1926-1927/28 Rechtskonzipientin bei
verschiedenen Gerichten in Wien.
1929-1931 in Berlin Gerichtsberichter¬
stattung und Feuilletons für „Berlin am
Morgen“.
1931 Rückkehr nach Wien, verfaßt
Romane und Kurzgeschichten.
November 1934 Gründung des ÖZ
(Österreichischen Zeitungsdienstes) zu¬
sammen mit ihrer Schwester und Ernst
Procopovici. ÖZ-Chefredakteurin vom
15.11.1934 bis 13.3.1938.
24.4.38 Eheschließung mit Richard
Charas.
Vorbereitung auf die Auswanderung u.a.
durch Kursbesuch der Kosmetikschule
Rado vom 1.3. bis 1.7.38. Am 5.7.38 Ab¬
schluß „mit sehr gutem Erfolg“.
28.4.39 Abreise aus Hamburg mit der
„Cap Norte“, Zielland Paraguay. Be¬
hördliche Aussteigeverweigerung in