y„... mit dem Menschenopfer ihres Lebens
bezahlt“
Theodor Kramer in Briefen Fritz Hochwälders
Fritz Hochwälder war seit deren Gründung Mitglied der Theodor Kramer
Gesellschaft. Susanne Hochwälder schrieb uns am 5. Februar 1992 aus Zürich:
... Natürlich weiß ich, daß Hochwälder Mitglied der Theodor Kramer Gesellschaft
war, hat er doch diesen Dichter hoch verehrt und geschätzt. Dank des blendenden
Gedächtnisses, das ihn auszeichnete, rezitierte er oft im Gespräch mit Freunden
Gedichte Kramers, die er in der Jugendzeit besonders liebte,
Ein rührendes Zeugnis dieser Verehrung stellt ein einfaches, unbedrucktes Büch¬
lein dar, das er vor seiner Flucht in die Schweiz etwa 1937 erstanden und mit
Gedichten von Th. Kramer, ausgeschnitten aus der „Neuen Freien Presse“ oder
anderen Tageszeitungen, beklebt hat. Es war die einzige Literatur, die er im
Rucksack als Flüchtling mit sich trug!
Als Leihgabe stellte ich es der Wiener Stadt- und Landesbibliothek, die den ganzen
literarischen Nachlaß meines Mannes geerbt hat, zur Fritz Hochwälder-Ausstel¬
lung zur Verfügung, die im Mai letzten Jahres anläßlich seines 80. Geburtstags
gezeigt wurde. Dort fand es seinen Ehrenplatz neben seinem alten Tapezierer¬
Handwerkzeug, das in einem Köfferchen nach einer Odyssee durch die Weltnach
fast 30 Jahren in Zürich bei uns landete.
Der Abdruck der folgenden Briefstellen erfolgt mit freundlicher Genehmigung
von Susanne Hochwälder, Zürich.
An Ernst Waldinger (in Saratoga Springs), Zürich, 14.2. 1967
... Beim Staatspreis [Hochwälder war der „Große Österreichische Staatspreis für
Literatur“ für das Jahr 1966 verliehen worden] fiel mir die Bürde zu, die
Dankrede zu halten, da der Musiker Jelinek und der Graphiker Fronius vor¬
gaben, Stummerln zu sein. Ich benützte die Gelegenheit, um improvisierend
zweier Toter, Doderer und Kramer, zu gedenken; im übrigen glaube ich, das
Richtige gesagt zu haben: daß nämlich die beiden zeitlebens als Narren einge¬
schätzt wurden, beide aber - der endlich Erfolgreiche wie der Gescheiterte - ihr
Dichtertum mit dem Menschenopfer ihres Lebens bezahlt hätten. - Der
Unterrichtsminister [Dr. Theodor Piffl-Peréevié, Unterrichtsminister 1964-69],
der den Namen Kramer ersichtlich noch nie gehört hatte, lauschte verwirrt ...
An Ernst Waldinger (in Saratoga Springs), Zürich, 25.3. 1967
.. Kramer. — Auch hier wieder erweisen wir uns gleichgestimmt. Kramer war
nicht bloß „meschugge“, er war — zumindest in seinen letzten Jahren — echt
geisteskrank. Was Sie berichten, war mir aus London und Wien bereits bekannt,
und schandenhalber muß ich beichten, daß ich von 1955 an nicht mehr fähig war,
mit Kramer briefzuwechseln. Was jedoch weder meiner persönlichen Zuneigung
nach der Einschätzung des Dichters Abbruch tat. Er war nun einmal lästig und
irre geworden. Er hatte „bezahlt“ für seine Mammutproduktion, in der alles
Menschliche, dem er doch dichterisch und in Wahrheit verpflichtet war, restlos
eingeschmolzen wurde. „Ich weiß, ich bin ein Dreckjud...“ - In Wien nahm ich
als Zuschauer im Unterrichtsministerium an der Verleihung des Großen Ehren¬
zeichens für Kunst und Wissenschaft an Hans Weigel teil. Und jetzt passen Sie
auf! Freund W. las vor der Laudatio vier kurze glänzende Arbeiten, Auszüge aus
Kritiken und Essays, es war eine reine Freude. Der Minister sprach, dann dankte
der Geehrte, aber wie... Mit umgekehrten Vorzeichen sprach er genau wie der
meschuggene Kramer unter den Nazis... Immer wieder hämmerte er in viel zu
langer, nicht enden wollender freier Rede den Anwesenden ein, daß er sich nie,
Fritz Hochwälder, 1944.
Enmommen dem von Herwig Würtz
herausgegebenen Katalog der
Ausstellung der Wiener Stadt- und
Landesbibliothek „Fritz Hochwälder“
(Wien 1991). 1986 verlieh ihm die Stadt
Wien die Ehrenbürgerschaft. Am 20.
Oktober 1986 starb er, völlig
überraschend, in Zürich.
Im Jänner 1986 stellte Hochwälder den .
folgenden kurzen „Lebenslauf“ über
sich zusammen.
* 28. Mai 1911 in Wien als Sohn des
Tapezierermeisters Leonhard Hochwäl¬
der und seiner Ehefrau Therese,
* König.
Besuch der Volksschule in der Zoller¬
gasse.
1921 Eintritt ins Realgymnasium Wien
VII. Nach Besuch von drei Untermit¬
telschulklassen Erlernung des väterli¬
chen Handwerkes, das ich 1929 mit der
Gesellenprüfung abschloß, nachdem ich
zuvor die gewerbliche Fortbildungs¬
schule in der Hütteldorferstraße
besucht hatte. - Am 3. Juni 1937 hatte
ich mich, gemäß Diplom der Meister¬
prüfungskommission der Wiener Tape¬
ziererzunft, der Meisterprüfung aus
dem Tapezierergewerbe unterzogen
und dieselbe bestanden.
Am 18. August 1938 flüchtete ich aus
sogenannten rassischen Gründen in die
Schweiz, in die ich des nachts illegal ein¬
reiste.
Bis Kriegsende lebte ich in Zürich als
Emigrant. Seit 1945 bin ich als österrei¬
chischer Staatsbürger in Zürich, in
Besitz der Niederlassung.
1951 schloß ich die Ehe mit Ursula
Büchi, diese Ehe wurde 1957 einver¬