(ab 1937) zusammen, sodaß ihm keine
weiteren Filme mehr angeboten
wurden.
Der Nachmittag des zweiten Tages
wurde eingeleitet von Helmut G.
Aspers (Bielefeld) Vortrag über Vier¬
tels Mitarbeit am Council for a Demo¬
cratic Germany in den USA 1944.
Viertel gehörte einer Kulturkommis¬
sion an, die Vorschläge für den kulturel¬
len Wiederaufbau Deutschlands nach
Kriegsende, insbesondere für die
Theater, ausarbeitete. Angeknüpft
wurde an bereits in der Weimarer Zeit
entwickelte, im Exil überdachte Vorstel¬
lungen eines Volkstheaters. Die Schwie¬
rigkeiten der Entnazifizierung wurden
aber offenbar unterschätzt.
Hilde Haider-Preglers (Wien) Ausfüh¬
rungen zu Viertels Theaterarbeit im
Wien der Nachkriegszeit konzentrierten
sich auf dessen wegweisende Inszenie¬
rungen am Burgtheater (ab Dezember
1948), seinen, nach einem Kritiker¬
Wort, ‚transparenten Realismus‘, ließ
jedoch auch das Ausmaß der Polemik
gegen Viertel im Zuge des Kalten
Krieges erkennen und die Tatsache, daß
allein durch Viertels frühen Tod ein
Eklat vermieden wurde.
Viertels Entschluß, nicht Chefregisseur
beim Berliner Ensemble zu werden, war
der Beitrag Matthias Brauns (Berlin)
gewidmet, der anhand von Materialien
im Nachlaß Helene Weigels und Bertolt
Brechts die verschiedenen Angebote
aus Ostberlin untersuchte, gleichzeitig
jedoch die negativen Aspekte der kultu¬
rellen Situation im damaligen gespalte¬
nen Deutschland analysierte, die dazu
beitrugen, daß die Verhandlungen letzt¬
endlich im Herbst 1950 scheiterten.
Evelyn Deutsch-Schreiner (Wien) kon¬
zentrierte sich in ihrem Referat auf
Viertels Kultur- und Theater-Auffas¬
sungen in der Nachkriegszeit, wobei sie
Viertels Modell des Theaters als kom¬
munikative Wirklichkeit anhand von
Texten aus dem Nachlaß eindrucksvoll
rekonstruierte. Auch Deutsch-Schrei¬
ner mußte jedoch darauf hinweisen, daß
Viertels aufgeklärtes Kunstverständnis
von den Zeitgenossen nicht ungeteilt
akzeptiert wurde und er sich bald mit
einer restaurativen Nachkriegsideolo¬
gie konfrontiert fand.
Erster Beitrag des abschließenden
dritten Symposiumstages war Irene
Jansens (Djakarta) Referat über Vier¬
tels BBC-Zeit in London 1947/48.
Anhand von Materialien im BBC¬
Archiv in Reading sowie Unterlagen im
Deutschen Literaturarchiv (Marbach)
konnte Jansen Viertels Rolle beim
Deutschen Dienst der BBC skizzieren.
Viertel war Producer für deutschspra¬
chige Kulturbeiträge, Übersetzer, liefer¬
te eigene Texte und Hörspielfassungen
von Werken anderer. Viertel fühlte sich
bei der BBC weder emotional noch po¬
litisch zuhause und wollte schnellstmög¬
lich in den deutschen Sprachraum und
zum Theater zurückzukehren.
Fritz Beer (London), der gleichzeitig
mit Viertel beim Deutschen Dienst ar¬
beitete, berichtete, in Ergänzung und
Widerspruch mit Irene Jansen, über die
Erlebnisse einer gemeinsamer Reporta¬
gereise nach Deutschland im Frühjahr
1948,
Ernst Glasers (Wien) Referat über die
Freundschaft zwischen Viertel und
Christopher Isherwood, die von 1933 bis
zu Viertels Tod währte, konzentrierte
sich auf Isherwoods Schlüsselroman
Prater Violet (1945), der Viertels Reak¬
tion auf die Ereignisse in Wien vom
Februar 1934 thematisiert.
Konstantin Kaiser sprach über die im
Exil entstandene Freundschaft zwi¬
schen Viertel und Günther Anders.
Kaiser untersuchte dabei insbesondere
Anders’ Interpretation von Viertels Ge¬
dichtbanden Fiirchte dich nicht! und Der
Lebenslauf. Anders entwickelte mit und
an Viertel die Konzeption eines neuen
Dissidententums in Abgrenzung vom
existentialistischen Habitus einer ab¬
strakten Vergangenheitsbewältigung.
Siglinde Bolbecher schloß das Symposi¬
um mit ihrem Vortrag über Viertels Ge¬
schichtsbild in dessen autobiographi¬
schen Fragmenten. Das Geschichtsbild
Viertels, sich primär bildend an der so¬
zialen Realität des Österreich um die
Jahrhundertwende, war problematisch
verbunden mit dem drohenden Verlust
von Identität, eine in der Kultur der
späten Donaumonarchie bereits vorge¬
prägte Ich-Problematik, die im Exil Ge¬
genstand kritischer Reflexion wird.
An der abschließenden Diskussion zum
Thema „Die Bedeutung Viertels für die
heute Schreibenden“ beteiligten sich
Marianne Gruber und Hans Heinz
Hahnl. Dabei beeindruckte Marianne
Gruber, die Viertels Werk als eine
„Literatur der ungeheuren Klugheit“
apostrophierte und zeigte, was Viertel
über ‚Vergangenheitsbewältigung‘, über
‚Vergessen-wollen‘ und ‚Nicht-verges¬
sen-dürfen‘, Befreiendes zu sagen hätte,
Die Beiträge des Symposiums werden
voraussichtlich von der Theodor
Kramer Gesellschaft in einem Zwi¬
schenwelt-Jahresband veröffentlicht.