Zusammen mit zwei Schwestern wuchs sie
im biirgerlichen Milieu Wiens auf. Bereits in
ihrer Kindheit malte sie leidenschaftlich, mit
zwölf Jahren erfolgte die Aufnahme in die
Jugendkunstklasse von Prof. Franz Cizek an
der heutigen Hochschule für angewandte
Kunst. Doch aus dem Wunsch, Kunst zum
Lebensinhalt zu machen, wurde vorerst
nichts. Der frühe Tod des Vaters und die
damit verbundenen finanziellen Schwierig¬
keiten der Familie verlangten eine rasche Be¬
rufsausbildung. Alice Blum entschied sich für
eine Textil-Fachschule und nahm, noch nicht
zwanzig Jahre alt, eine Stelle als Modell¬
zeichnerin für Strickwaren an. 1938 wurde sie
aufgrund ihrer jüdischen Herkunft entlassen.
Es folgte eine ruhelose Zeit: zuerst das Ver¬
bergen in verschiedenen Wohnungen; dann
mehrere gescheiterte Fluchtversuche nach
Italien, wo bereits eine Stelle in einem Strick¬
warenunternehmen in Aussicht stand; 1939
gelang schließlich die Emigration via Belgien
nach Großbritannien. Einige Monate später,
nachdem Alice Blum Mavrogordato als
Hausgehilfin in York Beschäftigung gefun¬
den hatte, wurde sie 1940 als ,,enemy alien‘
fiir fast zwei Jahre auf der Isle of Man inter¬
niert. Nach dem Krieg kam sie nach Deutsch¬
land und arbeitete fiir die amerikanische Ar¬
mee, zuerst als Briefzensorin in Esslingen,
dann als Übersetzerin bei den Nürnberger
Prozessen. Dort lernte Alice Blum ihren
Mann, Ralph Mavrogordato, kennen, und zu¬
sammen übersiedelten sie 1951 in die USA.
Hier endlich, nach Jahren der Entbehrungen,
findet sie zu ihren künstlerischen Anfängen
zurück. Sie absolviert ein Malstudium bei
Kenneth Noland und Morris Louis am
Workshop Center of the Arts in Washington
D.C. Zusammen mit einer kleinen Gruppe
abstrakter Expressionisten, u.a. Tom Do¬
wning, Howard Mehring, Lowell Nesbitt und
Elisabeth Pajak, gründet sie 1959 die Origo
Gallery und etabliert sich zunehmend in der
Kunstszene Washingtons.
Alice Blum Mavrogordato setzt ihre Themen
gern in großflächiger Ölmalerei bzw. mit ver¬
schiedenen Misch- und Collagetechniken auf
kleineren Formaten um. Malen bedeutet für
die Künstlerin eine Art Meditation. „Das Ar¬
beiten, also der Weg, ist wichtiger als das
Resultat.“ Weit weg von der sie umgebenden
Realität taucht sie in eine imaginäre Welt und
läßt runde Formenelemente zu einer abstrak¬
ten Harmonie zusammenfinden. Ihre Bilder
sind Reisen in ein grenzenloses Land, das auf
dem Weg des freien Assoziierens erkundet
werden darf.
Veronika Schallhart