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Kramer halt Krommer für eine ,,Dichterin“, ,,vertriumt, empfindlich und
sehr stolz“, und macht ihr Vorschläge zur Bearbeitung ihrer Gedichte:

»„‚Wüstenfrühling “ muß unbedingt diskutiert und dann geändert werden |...].
Es ist sonst’ ein echtes starkes und schönes Gedicht. (Brief vom 11.11. 1953).
Später rät er ihr: Ihrem persönlichen Leiden im Rahmen der Umgebung direkt
zu Leib zu gehen. (Brief vom 12.6. 1955) Er bittet sie zu versuchen, über Ihre
Gefühle, über Ihr Leben in realistischer Manier zwei drei Gedichte zu schreiben.
Dies würde die Probe aufs Exempel sein. (Brief vom 7.3. 1956) Die Gedichte,
die Krommer in dieser Zeit Kramer zukommen läßt, sind zum Teil in ihre auf
den Aufenthalt in Israel 1951/52 zurückgehende Sammlung ,,Galiléa. Lieder
einer Siedlung“ (Wien: Europäischer Verlag 1956. 31 S.) aufgenommen.

Kramer versucht, sich für Krommers Gedichte einzusetzen, so bei Erich
Fried, damals im German Department der BBC beschäftigt. Mit ihm hatte sich
Kramer nach längerer Verstimmung wieder ausgesöhnt (Brief vom 22.8. 1954).
Doch: Erich Fried glaubt nicht, daß Gedichte über Palästina Aussicht haben,
im BBC gesendet zu werden. (Brief vom 9.1. 55) Dennoch schreibt ihm Kramer
am 6.9. 1955: Ich sende Ihnen mit gleicher Post das Mss [Manuskript] von Anna
Krommer und »Der Mitwisserx« ...

Beim Mitwisser handelte es sich um eigenes Manuskript Kramers. (Vgl.
„Gesammelte Gedichte“ , Bd.2, S.253-280). - Frieds Antwort, die nicht erhalten
scheint, kann nicht sehr günstig ausgefallen sein. Denn am 31.10. 1955 schreibt
Kramer an ihn:

Was Anna Krommer betrifft, so kann ich Ihnen nicht beistimmen. Sie hat
übrigens nun nur Siedlungsgedichte (auch solche, die ich nicht kenne) in den
Band aufgenommen, der meiner Meinung nach an Geschlossenheit gewinnen
wird. Er wurde angenommen.®

Als Krommers Gedichtband schließlich 1956 erscheint, sucht Kramer dessen
Verbreitung eher ungeschickt zu unterstützen. Er schickt ihn an seine Freunde,
so an Fritz L. Brassloff, der sich ‚‚etwas überrascht“ zeigt, zum unfreiwilligen
Subskribenten geworden zu sein, aber doch zur Zahlung bereit ist. (Brief vom
16.8. 1956)

Von den Briefen Anna Krommers an Theodor Kramer hat sich, wie bereits
erwähnt, nur ein einziger, vermutlich der letzte, im Nachlaß Kramers erhalten.’
Es ist ein Aerogramm aus New York vom 16. Juli 1957:

Was ist denn mit Ihnen los, daß Sie gar nicht schreiben? Auch Zohn beklagt
sich. Ich sah Zohn in Stamford’ und fand ihn diesmal reizend. Er ist nach Europa
gefahren. Er gab ein Buch über Tucholsky heraus”. Ich war nur einen Tag in
Stamford, hatte aber eine gute Zeit.

Daß ich Sie vermisse, muß ich ja nicht wiederholen. Jetzt kommen auch Ihre
Briefe nicht mehr. Von ihren Gedichten habe ich auch keines mehr gelesen. Wie
geht es denn? Sie müssen mich entschuldigen, mein Leben ist sehr schwer. Ich
fühle mich gesundheitlich eben nicht ganz auf der Höhe, und außerdem habe
ich viele Probleme. Sie kannten mich ja, ich bin ein Sonderling, und habe es
gewiß nicht leicht auf der Welı. [...]

New York erscheint mir manchmal ganz wild. Oft sehne ich mich nach einem
englischen Dorf, wo man nur Tee trinkt und über das Wetter spricht. Das könnte
mich heilen. [...]

Nächsten Freitag beginnen meine Ferien- wenn ich nicht von meiner Firma
entlassen werde, kann sich das Leben erträglicher gestalten.

In ‘Books Abroad’ erschien eine Kritik von Zohn!®. In einer Zeitung in
Deutschland erschien etwas, geschrieben von einer Deutschen, aber nicht
gerade freundlich. Nun, lassen Sie endlich von sich hören. Alles Gute, Ihre Anna.

Am unteren Rand des Briefes findet sich ein maschinschriftlicher Vermerk
Kramers:

19.7. 1957 Antwort, Nervenzusammenbruch. Bitte Zohn verständigen, dessen
Adresse ich nicht habe, daß alles sichergestellt wurde. Grüße. Ihr Teddy.

Kramer, der fiirchtete, da die in seinem Unlermietzimmer zurückgelassenen
Manuskripte verloren gehen könnten, hatte sich wiederholt um eine entspre¬
chende Vorsorge bemüht. Im Juli 1957 befand sich Kramer in einer Nervenheil¬
anstalt in Virginia Waters bei London.

Soeben erschienen ist der von Sabine Prem
herausgegebene Gedichtband Krommers;
Nachwort von Walter Grünzweig. Wien, Krems:
Theodor Kramer Gesellschaft/Österreichisches
Literaturforum, Oktober 1995. 85 S. 6S. 140.¬

Anmerkungen

1 Zu der im 1. Teil, Anmerkung 11, aufgestellten Be¬
hauptung, Herbert und Eleanor Farjeon hatten ,,Kramer
als Garanten die Einreisung nach Großbritannien ermög¬
licht“, schrieb mir Erwin Chvojka: E. Farjeon hat
„nichts zur Ermöglichung der Einreise Kramers in Eng¬
land beigetragen. Sie konnte dies gar nicht tun ... Sie hat
dann später wirkungsvoll in Kramers Leben eingegrif¬
fen, indem sie die treibende Kraft hinter den schließlich
erfolgreichen Bemühungen, Kramer ab 1.1. 1943 eine
Stelle als Bibliothekar in Guildford zu beschaffen, war.“
(Brief vom 11.3. 1995)

2 Kramer hat, es finden sich zahlreiche Belegstellen,
Ignazio Silone sehr geschätzt. Vgl. Silvia Schlenstedt:
„So gibtes eine Anzahl ganz kleiner Chancen.“ Material
zu Theodor Kramer in den dreißiger Jahren. In: Literatur
und Kultur des Exils in Großbritannien, Wien 1995,
267-280. (Zwischenwelt 4).

3 Weniger höflich schreibt Elias Canetti über Kramer —
Mein Freund, der Heimatdichter, in: Die Provinz des
Menschen. Aufzeichnungen 1942 — 1972, München
1973, bzw. Frankfurt/M. 1976, S.55f.

4 Die komisch vertauschte Wortstellung hat wohl die
Funktion, der Aussage durch Ironie etwas von ihrer
Härte zu nehmen.

5 Kramer spielt auf den Tod von Krommers Verlobtem
Sigurd Meir Hassmann an, der am 18.12. 1951 bei einem
Hochwasser in Israel ertrank, wenige Tage bevor Krom¬
mer, aus den USA anreisend, zu ihm nach Israel kam.
6 Die Briefe Theodor Kramers an Erich Fried befinden
sich in dessen Nachlaß, Österreichisches Literaturarchiv
in der Österreichischen Nationalbibliothek.

7 Freundlicherweise von Erwin Chvojka zur Verfügung
gestellt.

8 Vermutlich bei der jährlichen ‚‚Freundschaftswoche“
der von Friderike Maria Zweig initiierten „‚American¬
European Friendship Association“, deren Präsident der
Direktor des New Yorker Hunter College George N.
Shuster war,

9 Kurt Tucholsky: The World is a Comedy. Cambridge
(Mass.) 1957

10 Harry Zohn: Anna Krommer. Galilda. Lieder einer
Siedlung. In: Books Abroad, Frühjahr 1957.

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