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Anna Mitgutsch Frauenfeindlichkeit und Antisemitismus Statement zur Podiumsdiskussion bei der Eröffnungsveranstaltung des Symposiums ‚Frauen im Exil“ Auch wenn niemand bestreiten kann, daß es in Österreich nach wie vor Antisemitismus gibt, hat sich sein Erscheinungsbild in den letzten fünfzig Jahren doch gewandelt. Antisemitische Ausdrucksformen sind schichtspezifisch verschieden. Der BiertischAntisemitismus in F-nahen Kreisen unterscheidet sich vom religiös geprägten katholischen Antisemitismus, aber beide Varianten und ihre Spielformen lassen an Drastik nichts zu wünschen übrig. Offen antisemitisch äußert man sich, wenn man weiß, man ist unter sich. Der Antisemitismus, der durchaus noch zum guten Ton gehört, äußert sich subtiler. Unter Gebildeten wird das antisemitische Repertoire nicht mehr ganz so ungeniert ausgetauscht. Erkennbar bleiben die verdrängten, keineswegs verschwundenen Vorurteile und Klischees als Zungenschlag. Da taucht bei dem einen die ‚Judenschule“ als Metapher für Disziplinlosigkeit auf, bei dem anderen jüdischer ,,Schacher und Wucher“ , beim dritten die „jüdische Hast“ , mitunter als sogenannter Ausrutscher, mitunter augenzwinckernd als Zitate, an denen Betroffene sich nicht stoßen dürften, denn schließlich seien diese Redewendungen in die allgemeine Idiomatik eingegangen, wohl ebenso wie das „‚Essen bis zur Vergasung“ und die „‚Selektion von Bewerbern“. Wer sich dennoch nicht daran gewöhnen kann, wird verständnislos als überempfindlich abgetan, bei den Juden, heißt es, müsse man da ein bißchen vorsichtig sein, die seien hypersensibel. Die Rücksichtnahme bleibt punktuell. Den Vorwurf des Antisemitismus weist jeder Antisemit, der sich nicht selber als solcher deklariert, empört zurück. Mit welchem Recht bestimmen Antisemiten oder, allgemeiner gesagt, Nicht-Betroffenene, wie sich Antisemitismus äußert und wo er anfängt? Sollte man diese Begriffsbestimmung nicht den Betroffenen, den Juden überlassen? Bei den reformierten Antisemiten, d.h. denen, die die nationalsoziälistische Ausgrenzung der Juden bis zu deren Vernichtung nicht leugnen, sich sogar „betroffen“ zeigen, wird der alte Antisemitismus von Schuldgefühlen überlagert, auch wenn sie Schuld von sich weisen und lieber von Scham und Verantwortung reden. Es gibt stereotype Sprachregelungen, wenn man sich dieser „unbewältigten Vergangenheit“ nähert, denn mit bloßer Hand will man die Sache doch noch nicht anfassen. Das schlechte Gewissen ist ein retardierender, ein mildernder Faktor des Antisemitismus, es bremst ihn und zwingt ihn, sich diplomatischer zu äußern. In diesem milderen Licht sieht man die Juden zunächst als Opfer, und als Opfer kann man sie auch durchaus sympathisch finden, vorausgesetzt, sie bleiben ihrer Opferrolle treu. Selbstbewußtsein gehört nicht zur Opferrolle. Von schlechtem Gewissen und Sympathie aus Mitgefühl kommt man leicht zu einer heutzutage recht verbreiteten Haltung Juden gegenüber — zum Philosemitismus. Dabei sind die Übergänge vom Antisemitismus zum Philosemitismus zu einer neutralen vorurteilsfreien Haltung fließend und mitunter schwer abzugrenzen. Der hier angesprochene Philosemitismus ist als solcher an seinem Zungenschlag erkennbar, der alte antisemitische Klischees mit neuen, positiven Vorzeichen versieht. Das sollte auch nicht allzusehr verwundern. Schließlich ist Antisemitismus nicht eine einmalige Entgleisung sondern ein historisch-kulturelles Phänomen, das fest im kulturellen Bewußtsein der Österreicher verankert ist. Er ist die Nachtseite der sogenannten christlich-abendländischen Kultur und daher nicht so leicht loszuwerden. Es dürfte nur sehr wenige Nicht-Juden geben, die bei einiger ehrlicher Selbstkritik noch nie auf antisemitische Reflexe bei sich selber gestoßen sind. Der Philosemitismus kommt seinen Opfern, den Juden, hemmungslos, respektlos, penetrant und selbstherrlich entgegen, voll geheuchelter, jedenfalls übertriebener Bewunderung. Gegen Bewunderung wäre nichts einzuwenden, wenn die bewunderten Eigenschaften nicht gerade diejenigen wären, die die Antisemiten seit Jahrhunderten den Juden andichten. Ist der Unterschied zwischen dem Vorwurf des ,,Schachers und Wuchers“ und der Bewunderung für „jüdische Geschäftstüchtigkeit“ so groß? Aber es handelt sich ja meistens gar nicht um ehrliche Bewunderung sondern um offen zugegebene „Faszination“. Juden faszinieren ihre philosemitischen VerehrerInnen. Aber Faszination setzt weder Vertrautheit noch das Bedürfnis nach Vertrautheit voraus, London: Nationales Zentrum zur Erforschung des deutschen und österreichischen Exils gegründet Der Vorstand des Londoner Institute of Germanic Studies hat am 8. November 1995 die Gründung eines Centre for German and Austrian Exile Studies beschlossen. In ihm vereinigen sich nun die London Research Group for German Exile Studies und das Research Centre for Germans and Austrians in Exile in Great Britain at the University of Aberdeen. (Mit letzterem zusammen hat die Theodor Kramer Gesellschaft 1995 Zwischenwelt 5. Literatur und Kultur des Exils in Großbritannien herausgebracht.) Erster Präsident ist J.M. Ritchie, dem Komitee gehören außerdem Charmian Brinson, Richard Dove, Marian Malet und Jennifer Taylor an. Ehrenamtlicher Sekretär ist A.B.J. Grenville. Vom 18.-20. September 1996 soll eine erste Konferenz des neugegründeten Zentrums stattfinden. 1996 wird als erste eigene Publikation des Zentrums der Symposiumsband „England? Aber wo liegt es?“ erscheinen. Anfragen an: Centre for German and Austrian Exile Studies, Institute of Germanic Studies, University of London, 29 Russell Square, London WCIB SDP. Fax: 0171-4363497.