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nur erahnen, welchen Aufwands an Verdrängung, an Gedächtnisschwund, an
Spurenverwischung und Realitätsverleugnung es nach 1945 bedurfte, um dieses
Netz von Aktivitäten, Beteiligungen, Mitwissen, um all diese Tatorte und
Fundstellen zu verwischen, unkenntlich zu machen und aus dem Gedächtnis zu
verdrängen.

Dabei sind mit der Erwähnung von Mauthausen und seiner Nebenlager noch
längst nicht alle KZs genannt, in denen Österreicher an führender Position, als
Lagerkommandanten, als Lagerärzte oder einfach als Schreibtischtäter Men¬
schen versklavt und in den Tod geschickt haben. Ich erwähne etwa Theresien¬
stadt: Mehr als 15.000 österreichische Juden wurden nach Theresienstadt depor¬
tiert. Aber auch alle drei Lagerkommandanten von Theresienstadt, die SS-Ober¬
sturmführer Seidl, Burger und Rahm, waren Österreicher.

Ebenfalls nicht genannt sind hier die KZs, die z.B. unter der Oberaufsicht der
Kärntner SS-Clique um den Gauleiter Friedrich Rainer und Odilo Globo_nik
betrieben wurden, Konzentrationslager, die damals im »Reichsgebiet« (wenn
auch nicht im heutigen Österreich) lagen, wie z.B. die Konzentrationslager in
der sog. Operationszone Adriatisches Küstenland, über das der Kärntner SS¬
Gauleiter Rainer ab Oktober 1943 als »Hochkommissar« die Macht ausübte.
Dies in Erinnerung zu rufen, mag für die Kärntner Geschichtsschreibung, die
solche Daten gerne ignoriert, schmerzhaft sein. Doch die Blutspur der Kärntner
SS führt weit über die Landesgrenzen hinaus, wie z.B. in das KZ »Risiera di
San Sabba« von Triest, ein KZ, das nicht nur ein Sammel- und Durchgangslager
für Transporte von Juden und Partisanen nach Dachau, Mauthausen und Au¬
schwitz war, sondern gleichzeitig auch ein eigenständiges Arbeits- und Vernich¬
tungslager mit Todeszellen, Mordkommandos und einem Krematorium.

Die Ausstellung ASSERVATE führt neben Auschwitz und Buchenwald noch
einen dritten Namen im Titel: Yad Vashem. Yad Vashem ist kein Fundort
sondern ein Aufbewahrungsort, ein Ort des kollektiven Gedächtnisses der Opfer
des Holocaust. Yad Vashem ist ein staatliches Institut in Jerusalem, eine
nationale Gedenkstätte, 1953 per Gesetz errichtet »zum Gedenken an die
Holocaust Märtyrer und Helden des Widerstandskampfes gegen die Nazis«. In
Yad Vashem werden alle Dokumente gesammelt, geprüft und aufbewahrt, die
mit den Verbrechen der Nazis in Zusammenhang stehen. Aber auch diejenigen,
die den Bedrohten Hilfe und Schutz angedeihen ließen, die unter dem Einsatz
ihres Lebens Juden versteckt oder zur Flucht verholfen haben, werden Öffentlich
geehrt. Diese Männer und Frauen heißen in Yad Vashem die »Gerechten unter
den Völkern« und ihnen wird am Weg durch die Gedenkstätte ein Baum in der
»Allee der Gerechten« gepflanzt und mit einer Widmungstafel versehen. Etwa
9.000 nicht-jüdische Retter wurden bisher namhaft gemacht. Viele stammen aus
Polen oder Holland, aber auch aus Deutschland und Österreich kommen einige.
Erika Weinzierl, die der Frage des österreichischen Antisemitismus ebenso
nachgegangen ist wie der der Rettung von Juden durch ÖsterreicherInnen,
schreibt, daß mit Stichtag 1. März 1985 in Yad Vashem insgesamt 57 Personen
aus Österreich ausgezeichnet waren, 29 von ihnen sind Frauen (Weinzierl 1985,
S. 131). Manche dieser »Gerechten« haben Tausenden Menschen das Leben
gerettet, andere einem einzigen. Der quantitative Aspekt ist jedoch nicht von
Bedeutung, denn für die Ehrung als »Gerechter unter den Völkern« gilt das alte
hebräische Sprichwort: »Wer ein einziges Menschenleben reitet, rettet die ganze
Welt.«

Der Widerstandskampf gegen die Nazis in den Ghettos, in den Konzentra¬
tionslagern, in den Armeen der Alliierten, in den Partisaneneinheiten wird also
in Yad Vashem dokumentiert und der Opfer wird in Form von Denkmälern
symbolisch gedacht, wie z. B. in dem Denkmal, das aus sechs großen Granit¬
blöcken und einer Schwertklinge besteht, und vor dem die Inschrift in fünf
Sprachen angebracht ist:

»Ruhm den jüdischen Soldaten und Partisanen, die gegen Nazideutschland

gekämpft haben«.

Als ich diese Inschrift in Yad Vashem las, mußte ich zunächst vom sprach¬
lichen Pathos abstrahieren, um dann unwillkürlich an Kärnten zu denken, an die
50 Jahre dauernde Weigerung des offiziellen Kärntens, den Widerstandskampf
der slowenischen Partisanen gegen die Nazis als »Befreiung« anzuerkennen und
zu ehren, an die 50jährige Weigerung, die Opfer der KZ auf Kärntner Boden

Zuckmayer-Tage
7. September bis 27. Oktober 1996

Zum 100. Geburtstag von Carl Zuckmayer finden
in Henndorf und Köstendorf eine Reihe von Ver¬
anstaltungen statt: Lesungen, Theater, Filmvorfüh¬
rung, Präsentation der neuen Zuckmayer-Werk¬
ausgabe (Fischer Verlag), eine Ausstellung und ein
Internationales Symposium „Österreich als Zwi¬
schenexil 1933-1938 am Beispiel von Carl Zuck¬
mayer‘, 4. Oktober 1996, 10 Uhr, Veranstaltungs¬
saal der Gemeinde Henndorf.

Den Eröffnungsvortrag hält Univ. Prof. Dr. Adolf
Haslinger (Salzburg) zu „Zuckmayer und seine
Dichterkollegen in Salzburg“. Weiters sprechen
Univ. Ass. Dr. Herwig Gottwald (Salzburg) zu
„Natur und Naturbegriff in Zuckmayers Prosa“;
Univ. Doz. Dr. Murray G. Hall (Wien) ‚Zur Lite¬
ratur und Literaturpolitik 1933-1938“, Dr. Gun¬
ther Nickel (Marbach) zu „Zuckmayers Drama
‘Der Schelm von Bergen’. Eine Auseinanderset¬
zung mit dem Austrofaschismus“; Prof. Dr. Ri¬
chard Albrecht (Bad Münstereifel) „‚Die Jahre da¬
zwischen - Halbemigration, produktive Schwebe¬
lage oder was sonst? Facetten eines neuen Lebens¬
Bildes“.

Anmeldungen für die Zuckmayer-Tage: Frau Hel¬
ga Gugg (Fremdenverkehrsverband Henndorf),
Tel 06214/6011, Fax 06214277. Detaillierte Ta¬
gungsinformationen: Salzburger Bildungswerk,
0662/872691.

Alice Herdan, Schriftstellerin und Lebensge¬
fährtin von Carl Zuckmayer, erwarb 1926 die
„Wiesmühl“ in Henndorf. Das Landhaus wurde
in den folgenden Jahren zu einem Treffpunkt,
aber auch erstem Zufluchtsort bekannter Künst¬
ler und Schriftsteller. Aufgrund der Ehe mit Ali¬
ce Herdan, geboren in Wien, Schülerin der

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