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Fritz Kalmar

Der Bindestrich

Es strebt in diesem Tal der Qualen

Der Bindestrich nach Idealen.

Ist er auch millimeterklein,

Wie ist sein wollen groß und rein!

Sein Mahnruf schallt, posauanengleich:
„Stellt Bindestriche zwischen euch!“

Hat er zwei Wörter aufgespürt,
Kontaktarm, trotzig, isoliert,

Und dennoch beide voller Sehnen,
Sich zueinender hinzudehnen,

Dann sucht er sich zu edlem Walten
Unaufgefordert einzuschalten,

Steht in der Mitte, schmeichelt, lockt:
„so kommt doch, kommt, seid nicht verstockt,
Thr sollt euch ganz zusammenzwingen!
Verschmelzt in innigen Umschlingen,
Verglüht in eins und fragt nicht, wie!
So will’s des Kosmos Harmonie.“

Wer wagt’s, den kleinen Strich zu höhnen?
Sein grosses Ziel heißt Weltversöhnen.
Wo zwei sich fremd und kühl verhalten,
Will er die beiden umgestalten

Zu einem einz’gen, bessern Wesen

Und so die ganze Welt erlösen

Durch liebendes Zusammenbinden,

Und müßt’ er selbst dabei verschwinden
In gottgefälligem Verzicht.

Und der Erfolg? Den hat er nicht.

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Werner Hörtner

Auch das Heimweh hat seine Geschichte

Ein Porträt des Juristen, Schauspielers, Theaterleiters
und Autors Fritz Kalmar

Fritz Kalmar lebt seit beinahe 50 Jahren in Lateinamerika, wohin er vor den National¬
sozialisten flüchtete, und lebt mit dem Heimweh als ständigem Begleiter.

Ich darf mich nicht beklagen über das Schicksal. Natürlich leide ich immer noch
darunter, nicht in Wien zu leben; das tut weh. Aber in Uruguay sind die Menschen
offenherzig und ungemein hilfsbereit. Ich habe eine urugayische Familie gefunden, die
ich meine zweite Familie nenne. Ein Ehepaar mit vier Kindern. Das ist eine enorme
Erleichterung, um das Gefühl des Hängengebliebenseins auszuhalten. So bemühe ich
mich eben, jedes Jahr einmal nach Wien zu kommen und ein paar Wochen hier zu sein,
bei meiner Familie und in meiner Heimat.

Fritz Kalmar, der ohne Scheu von seiner Liebe zu Österreich und Wien spricht, ist einer
der vielen, die von dieser Heimat verstoßen wurden - und es sich noch als Glück anrechnen
mußten, lebend dem Inferno des Nationalsozialismus entronnen zu sein. Fritz Kalmar,
ausgebildeter Jurist mit lebenslanger Hinneigung zu Literatur und Theater, flüchtete 1938
aus Österreich. Der schmächtige, damals 27jährige Mann fand Arbeit auf einem norwegi¬
schen Schiff, auf dem er sechs Monate lang die Meere befuhr - bis er schließlich im fernen
Bolivien landete. Ein Schulkollege vom Gymnasium in der Wasagasse im 9. Bezirk war
bereits im südamerikanischen Andenstaat gelandet und hatte Fritz eine Einreisebewilligung
an das bolivianische Honorarkonsulat in Rotterdam geschickt, wo es dieser bei einem der
Zwischenstops des norwegischen Frachters abholen konnte. Auf nach Lateinamerika, das
für Fritz Kalmar zur neuen Heimat werden sollte.

Auch heuer im Herbst reiste der bereits 86jährige Altösterreicher nach Wien, wo noch
Bruder Heinz — auch er einst im bolivianischen Exil — lebt. Diesmal sollte sein Besuch aber
anders verlaufen als die früheren Male: Fritz Kalmar fand sich plötzlich im Mittelpunkt des
öffentlichen Interesses. Grund dafür war sein Buch „Das Herz europaschwer. Heimweh¬
geschichten aus Südamerika‘, das der Wiener Picus Verlag soeben herausgebracht hatte.
Mehrere Lesungen, Interviews für drei Rundfunksendungen, Gespräche mit Journalisten.
Ich treffe den freundlichen alten Herrn, den die Last der Jahre leicht gebeugt hat, vor dem
Stephansdom in der Wiener Innenstadt und erkenne ihn, den noch nie Gesehenen, sofort:
dieses von Lebendigkeit und Güte geprägte Gesicht mußte der Autor der „„Heimwehge¬
schichten“ sein, des Buches, in dem sich Einfühlungsgabe und Zuneigung zu den Mitmen¬
schen in seltenem Glück vereinen.

Zum ersten Mal hatte ich in den 70er Jahren von „Sefior Kalmar‘“ gehört, von
urugayischen Flüchtlingen in Österreich, die berichteten, dieser Herr, der österreichische
Honorarkonsul in Montevideo, habe ihnen mit großem Einsatz dabei geholfen, der Mili¬
tärdiktatur zu entrinnen und in Österreich Asyl zu erhalten. Bei dem bescheidenen ehema¬
ligen Konsul, dem ich nun in einem Altwiener Cafe gegenübersitze, klingt diese Geschichte,
die eines internationalen Menschenrechtspreises würdig wäre, freilich anders:

Ich würde mir nicht erlauben, mir das Verdienst zuzurechnen, diese Leute gerettet zu
haben. Aber ich habe mich bemüht, ihnen zu helfen, wo ich konnte. Ich habe manche im
Gefängnis besucht, und vor allem habe ich mich um die Familien gekümmert, solange die
Männer eingesperrt waren. Das war in wirksamer Weise dadurch möglich, daß ich mit
Amnesty International in Österreich eine enge Verbindung aufgenommen hatte. Da haben
wir dann gemeinsam diese Hilfe systematisiert, und das hat gut funktioniert.

Es war wohl auch die eigene Erfahrung, die den von seiner Heimat Vertriebenen für
das Schicksal der von einer südamerikanischen Militärdiktatur Verfolgten sensibilisiert
hatte. Ironie der Geschichte: Kalmar hatte gerade in jenem Kontinent Zuflucht gefun¬
den, aus dem die jungen Urugayos nun flüchten mußten — und in jenem Land eine neue
Heimat fanden, das der Österreicher Jahrzehnte zuvor verlassen mußte. Heimat. Seit
seiner Emigration ist dieses Wort ein zentraler Begriff im Denken und in der Gefühls¬
welt Fritz, Kalmars. Fr bezeichnet sich selhst als ‚‚geühten Heimwehträger“ , und dieses
Thema ist auch das Leitmotiv der „Heimwehgeschichten aus Südamerika“: Das
Spannungs- und Leidensfeld Exil: Heimat, Entwurzelung, unerfüllbare Sehnsüchte; der
Versuch, eine neue Identität, eine neue Heimat aufzubauen, der immer wieder vom
emotionellen Schatten der Vergangenheit, der Erinnerung belastet wird.