Marie Frischauf-Pappenheim
Klassische und moderne Musik
Das Konzert, das die Accion Republicana
Austriaca en México (ARAM) am 13. Fe¬
bruar veranstaltete - und dem eine Reihe
österreichischer Musikabende folgen soll
- hat gezeigt, daß diese Art Kulturarbeit
den größten Erfolg bringen wird. Ausge¬
zeichnete musikalische Kräfte interpre¬
tierten die großen Werke der Vergangen¬
heit und die interessanten, modernen
Schöpfungen einiger in Mexiko lebender
Komponisten.
Die amerikanische Sängerin Bruni Falcon
sang mit sehr reinem, mühelosem Sopran
Schubert und einige der außerordentli¬
chen Lieder von Gustav Mahler, sowie
drei melodienreiche Lieder von Marcel
Rubin mit schönen Texten von Goethe
und Eva Priester (,,Tschechisches Friih¬
lingslied 1939“ und ,,Wiegenlied beim
Fliegerangriff“). Der mexikanische
Opernsänger Roberto Silva brachte mit
dramatischer Kraft zwei Arien aus Mo¬
zarts ,,Don Juan“ und ein Beethovenlied,
sowie zwei lebensvolle Lieder von Prof.
Carl Alwin: ein feierliches Lied zu Dantes
„Hölleneingang“ und ein klapperndes,
taumelndes, tolles Tanzlied um das ‚‚Gol¬
dene Kalb“ von Heine. Ruth Schönthal de
Ochoa spielte ihre Kompositon „Sechs
nordische Preludien“ , die wieder, wie die
anderen Werke, die wir hier von ihr ge¬
hört haben, von großer Begabung und fei¬
nem künstlerischen Empfinden zeugen.
Außerdem spielte sie eine Beethovenso¬
nate, denn die Österreicher rechnen Beet¬
hoven trotz seiner rheinländisch-flämi¬
schen Abstamung zu den ihren, weil er
selbst oft genug erklärt hat, nur in Wien
leben und wirken zu können.
Die immer vorzügliche Geigerin Vishka
Krokovsky zeigte sich am glänzendsten
in dem künstlerisch und technisch brillant
gespielten Rondo von Mozart-Kreisler.
Das Adagio aus Rubins Violinsonate
kam, aus dem Ganzen herausgerissen,
nicht voll zur Wirkung. Eine Violinsona¬
te, von Vishka Krokovsky und Prof. Al¬
win gespielt, wurde vom Publikum mit
großem Entzücken angehört.
Der Reinertrag des Konzertes, der trotz
der billigen Eintrittspreise gut war, ist für
die österreichischen Notleidenden in
Frankreich bestimmt.
Erschienen unter dem Pseudonym Marie
Heim in: Demokratische Post, 1.3. 1945, 3.
de Mexico. Universidad Obrera de Mexico 1938“. Die Reden wurden direkt von
der staatlichen Rundfunkanstalt Mexikos übertragen. Aus den Schilderungen öster¬
reichischer Emigranten, wie Moritz Luft, Schwager des berühmten österreichischen
Schriftstellers Joseph Roth, läßt sich die Bedeutung dieser Veranstaltung ablesen,
die nicht ganz einen Monat nach der sensationellen und bedrohlichen Enteignung
der ausländischen Erdölgesellschaften stattfand, und eben auch fünf Wochen nach
dem mexikanischen Protest gegen den „‚Anschluß“ Österreichs an das nationalso¬
zialistische Deutschland. Der Saal in Bellas Artes war derart überfüllt, daß viele
Zuhörer, unter ihnen eine Anzahl in Mexiko lebender ÖsterreicherInnen nur noch
Stehplätzen fanden. Der mexikanische Komponist und Musikpädagoge Luis Sandi
sprach über die ‚„‚verbotene Musik“ in Deutschland. Sandi ist jedem Erwachsenen
in Mexiko noch heute ein Begriff, er war der Verfasser der Schulbücher zum Thema
Musikerziehung bis in die Sechzigerjahre. Der aus Spanien stammende Schriftstel¬
ler Rafael Sänchez Ocana referierte über Heinrich Heine. Drei Jahre später sollte
der „Heinrich Heine-Club“ der deutschsprachigen Emigranten in Mexiko ein
wesentliches Element einer deutschen und österreichischen ‚„Exilkultur“ sein. Am
19. Mai 1938 fand der zweite Teil dieser Veranstaltungsreihe statt. Der ‚‚Verbrann¬
ten Literatur“ widmete man den Vortrag des aus Kuba stammenden mexikanischen
Schriftstellers und Pädagogen der Escuela Normal Superior, Emilio Abreu Gömez.
Er stellte dem mexikanischen Publikum das Werk von Thomas und Heinrich Mann
vor. Der Prasident der ,,Liga de Escritores y Artistas Revolucionarios, José Man¬
cisidor, sprach tiber Stefan Zweig. Im Archiv der mexikanischen Germanistin
Marianne Oeste de Bopp fand sich ein Detailprogramm, Flugblatter und Einladun¬
gen zu diesen Veranstaltungen, die in der intellektuellen und politisch aktiven
Bevölkerung von Mexiko-Stadt Sympathie und Solidarität für die Exilanten und
Antifaschisten weckte. Aus ihnen geht hervor, daß später einflußreiche Politiker
der PRM (Partido Revolucionario Mexicano, nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute
die führende PRI, Partido Revolucionario Institucional), wie Jesüs Silva Herzog,
Manuel Riva Placios und Enrique Belträn an diese Veranstaltungen teilgenommen
hatten.
In einem Gespräch mit Erwin Friedeberg, 1978 in San Angel, bezeichnete der
Mitbegründer der „Liga Pro Cultura Alemana“ die Leistungen der österreichischen
Emigranten etwas ironisch mit den Worten: „Schon bald hatten sie einen Wiener
Kaffeehausbetrieb aufgezogen.“ Dieses Exil-Cafe der österreichischen Exilanten
in Mexico City weckte bei den mexikanischen Freunden Sympathien. Die zentrifu¬
gale Kraft des Kulturlebens, die sich gerade im Umfeld der ÖsterreicherInnen
ausbreitete, brachte in kurzer Zeit erstaunliche Leistungen hervor, die Theater,
Musik, Literatur, Medizin, Naturwissenschaften und die bildenden Künste prägten.
Österreichisches Kulturleben im mexikanischen Exil
Wenn die Österreicher rufen, kommt ganz Mexiko“, sagte ein Besucher, nicht ohne
Anflug von Neid. In der Tat, der Musik- und Theaterabend, zu dem wir unter dem Motto
„Ein Abend bei Strauß und Nestroy“ einluden, vereinigte im Saal der Electricistas
[Gewerkschaft der Mexikanischen Arbeiter der Staatlichen Energieversorgungsgesell¬
schaft] alles wieder einmal, was in der Hauptstadt, sei es durch Geburt, sei es durch
Neigung, sich zum Wiener Kulturkreis rechnet — und darüber hinaus alles, was Wien
gern hat. Und wer hat Wien nicht gern?"
Seit der Gründung der Vereinigung der Österreicher (ARAM) und des Kulturklubs
der deutschsprachigen Antifaschisten in Mexiko, des Heinrich Heine-Klubs, war die
kleine österreichische Kolonie Träger einer nicht nur sehr engagierten, sondern auch
inhaltlich und kulturell „modernen“ Kulturtätigkeit im Exil, die mehr in die Zukunft
blickte, als in die verträumte Vergangenheit ‚„‚heimatlicher“ Kultur.
Gestaltung und Inszenierung des Theaters waren in österreichischer Hand. Ernst
Robitschek (der unter seinem Künstlernamen Charles Rooner auftrat) hatte bei Max
Reinhardt gelernt, und hatte sich mit seiner Frau ganz dem Theater verschrieben. Das
heute vergessene Emigrantenehepaar schuf nicht nur bewunderte Aufführungen in
deutscher und französischer Sprache, nach 1945 galten sie als bedeutende Initiatoren
des modernen mexikanischen Theaters, das Ernst Robitschek als späterer Leiter der
Kompanie des Universitätstheaters Mexico City (Universidad Nacional Autönoma de
Mexico) beeinflußte. Die unter Mitwirkung der UNESCO erstellte Anthologie über die
Kultur des modernen Mexiko, „Mexico, realizaciön y esperanza“, wiirdigte 1952 den