Aus dem Hymnus ,, Wandert, ihr
Völker der Neger!“
Ihr von Afrika, herrliche Neger, schwarze Natur
Von ewiger Herkunft, geboren aus Sonnen und Sternen,
Ihr, deren Ahne der Gott ist: die Erde im Licht,
Die ihr alle zusammen der Gott seid, Skulpturen der Schöpfung,
Schwarze Früchte vollendeter Leuchtkraft der Sonne —
Gebäret Millionen und Abermillionen, wie der Wind,
Schwarzer heiliger Kinder.
Und unaufhaltsam kommet, unsterblich über die Erde,
An die Ufer Europas, Amerikas, Asiens, Australiens,
Kommet!
Nach Europa, Amerika kommet, und küsset Asien, küsset Australien,
Auf die Inseln kommet, auf die Meere, auf die Berge,
Durch die Jahrhunderte kommet wie Flammenwind,
Durch die unveränderlich großen Jahrtausende kommet —
Ohne Hilfe der Waffen, Gesetze, Mächte, Maschinen,
Ohne Furcht und ohne Mut: ohne Helden, ohne Priester,
Kommet,
Wie aus einem einzigen Samen der Blutblume kommen
Übers Jahr hundert und über Jahrzehnte vieltausend
Und über Jahrhunderte unzählbar unermeßliche Felder
Von Blumen!
Nicht kämpfet mit Fäusten, nur flutet kinderreich —
Und wie Meerflut sei euere Einheit!
Dem Höchsten gleich ist jede und jeder von euch,
Aufrecht auf Erden, ein fühlender Teil des Universums, von Gott.
Flute, du Lichtflut, du schwarze!
[..]
Und bebauet Boden an Boden, im Rund und entlegen,
Mit Weizen und starken Bananen, Datteln, Kokos, mit Wein:
Europäische Früchte, asiatische Früchte — baut alle Früchte!
Was die Erde Alaskas trägt, trägt auch die Erde von Afrika;
Und wenn ihr Afrikas Früchte in Amerika pflanzet,
So gedeihen die Früchte aus Samen und Blüten paradiesisch!
Euere Hände, Herzen und Augen sind es, die Wunder tun!
Bauet die Bohnen, die Schoten, die Äpfel, die Feigen —
Bebaut nur das Land nach dem nahen Kalender der Früchte
Und sonst von keinem Kalender erfaßt:
Nicht von Geschichte, nicht von Gezeiten der Zeitung!
Durchwässert die Wüsten, ihr Lieben, Geschwister im Golde,
Und starke, grüne, von Blumengassen erfüllte Städte erbauet alsdann!
Bewaldet die Flüsse am Sand, pflüget die Erde Euch auf;
Zündet nicht unnütze Bergfeuer, daß nicht die Schrecken
Erwachen - die Fliegen, die Ameisenpyramiden, die Fresser:
Daß nicht die Feinde erwachen!
Mit allen Kräften beschützet euer geheiligtes Landgut,
Mit Waffen der Hand und ganzem Widerstand doch:
Voller Ruhe —
Immer wissend: Wir sind die wertvollsten Söhne des Weltalls!
Immer fühlend: Wir sind die Mütter des heiligen dunklen Reiches
Des ewigen Tages, der täglichen Freude, des Lichtes im Werden!
Und so wachset weiter und weiter und weiter!
Rudolf Geist (1898 - 1957)
Eine Erinnerung und Ergänzung zu dem eben erschienenen
Band über die ‚Innere Emigration“ aus Österreich
In dem letzten größeren Aufsatz, der in einer Literaturzeitschrift über
meinen Vater Rudolf Geist erschienen ist, nennt ihn Max Blaeulich zwar
liebevoll, aber doch unrichtig einen ,,Don Quijote“ und einen ,, Vaga¬
bunden“ (vgl. „Don Qujote von Ober St. Veit. Der Dichter und Vaga¬
bund Rudolf Geist“, in: Literatur und Kritik Nr. 261/262, Februar 1992,
S. 51-54) - ersteres war er nicht und zweiteres nur kurze Zeit. Der Mann
aus der Mancha kämpfte gegen gespenstische Erscheinungen, Rudolf
Geist gegen sehr konkrete Verbrechen, Mißstände und Gefahren: Krieg
und Faschismus, Armut und Unterdrückung, Dummheit und Gemein¬
heit. Geists Leben und Streben galten dem Positiven: dem Frieden, der
Liebe unter den Menschen und zur Natur, der Freiheit, Gleichheit und
Brüderlichkeit, der Gerechtigkeit. In diesem Sinn war er ein „Weltver¬
besserer“. Er sah die Widersprüche in der Gesellschaft, erkannte die
Ursachen vieler Probleme und bevorzugte die konsequente Haltung, das
klare Wort.
In einer Gesellschaft, die eher den faulen Kompromiß als die richtige
Konsequenz sucht, mußte er zwangsläufig zum Außenseiter und Stö¬
renfried werden. Er nahm sich das Recht heraus, seine Meinung offen
kundzutun — auch den Machtigen gegentiber, auch innerhalb der eigenen
Gruppe, auch auf Kosten des eigenen Fortkommens. So schlug er z.B.
das Angebot des christlich-sozialen Arbeiterfiihrers Leopold Kunschak
aus, ein Staatsamt zu bekleiden. ,,Die Politiker leisten wenig und
kassieren viel“, war seine Meinung — dabei kannte er die heutigen
Zustände noch gar nicht. Anders als viele überzeugte, intelligente und
hochgebildete Kommunisten, die erst nach der Intervention der War¬
schauer Pakt-Truppen in der CSSR 1968 die Notwendigkeit erkannten,
mit dem stalinistischen Kommunismus vollständig zu brechen, trat
Rudolf Geist schon 1947 aus der KPÖ aus, der er aus Begeisterung über
die Niederwerfung Hitlerdeutschlands durch die Rote Armee eben erst
beigetreten war.
„Unsere“ Gesellschaft, die Gesellschaft der täglichen Unmenschlichkei¬
ten und der ständigen Verdrängung der Wahrheit, die Gesellschaft der
verkappten Nazis und der unsozialen Sozialisten, die Gesellschaft der