chen soll dem Rechtsextremismus die Mög¬
lichkeit geben, einen noch größeren Platz in der
Mitte der Gesellschaft zu erhalten. Wer sich
aber wieder an ‚solch einen Sprachgebrauch
gewöhnt und ähnlich denkt, der könnte auch
wieder entsprechend handeln. Deswegen dür¬
fen Geschichtsklitterungen, Vortäuschen von
Wissenschaftlichkeit, ,,Aufrechnen“ von
Schuld, Hervorheben der „positiven Seiten“
des Nationalsozialismus und Verharmlosen der
Verbrechen des Nationalsozialismus nicht
mehr geduldet werden.
Deswegen setzte ich mich mit Pfeifenbergers
affektgeladenen und verfälschenden Ge¬
schichtsinterpretationen in der monatlich er¬
scheinenden „‚Die Gemeinde“ (Auflage: 6000)
auseinander. Obwohl „Die Gemeinde“ nicht
im freien Verkauf erhältlich ist, erhielt ich (und
die IKG Wien) im Frühjahr 1995 eine Klage
des Werner Pfeifenberger zugestellt. Er bean¬
tragte beim Wiener Handelsgericht ,,Unterlas¬
sung“ und forderte als eventuelle Entschidi¬
gung 6S 240.000,- (rund DM 34.000,-). Der
Kläger inkriminierte folgende Textstellen mei¬
nes Artikels:
a) die Überschrift „Freiheitliches Jahrbuch
1995 mit (Neo) Nazi-Tönen“;
b) den Satz im Untertitel „‚Pfeifenberger wärmt
die alte Nazi-Mär von der Jüdischen Weltver¬
schwörung langatmig auf“ *;
c) die Textstelle ,, Der Autor ligt aufgrund von
sinnwidrigen, aus dem Kontext gehobenen Zi¬
taten“;
d) den Satz ,,Das ist Nazidiktion.“
Der Klager behauptete: ,,Fiir den Klager, der
an der Universität Münster Politikwissenschaft
lehrt, sind diese ehrenrührigen und sachlich
völlig ungerechtfertigten Vorwürfe im Hin¬
blick auf seinen persönlichen Kredit und sein
berufliches Fortkommen ganz besonders schä¬
digend.‘“ Wieder einmal ertappte ich den Klä¬
ger bei einer Unwahrheit. Prof. Dr. G.W. Witt¬
kämper, Direktor des Instituts für Politikwis¬
senschaften/Universität Münster schrieb mir:
„Allenfalls kann sich Herr Pfeifenberger dar¬
auf berufen, daß er vor etwa 20 Jahren unter
meinem Amtsvorgänger ... eine zeitlang Lehr¬
beauftragter des Fachbereichs 10 (Geschichte )
war.“
Jörg Haider und Personen aus seinem Dunst¬
kreis sind sehr klagefreudig. Mit einer Flut von
Klagen versuchen sie kritische Journalisten
auszuschalten. So ging auch Werner Pfeifen¬
berger — Autor in zwei Freiheitlichen Jahrbii¬
chern -, der beim Austeilen gar nicht zimper¬
lich war, gegen mich vor. Pfeifenberger ver¬
höhnte in seinem Text die ersten Opfer der
Nazi, die in den Konzentrationslagern und Ge¬
stapogefängnissen inhaftiert, gefoltert und
schließlich ermordet wurden, als ,,Internatio¬
nalsozialisten“. Für sich selbst fordert Werner
Pfeifenberger Meinungsfreiheit, gleichzeitig
wollte er mir aber verbieten, sachliche Kritik an
seinem Aufsatz zu üben.
Kurze Zeit nach Erhalt der Klage erhielt ich
auch vom Wiener Landesgericht für Strafsa¬
chen (Richter Dr. Werner Röggla) einen Straf¬
antrag des Klägers wegen „‚Übler Nachrede“
(kann mit einem Jahr Haft oder entsprechenden
Tagsätzen bestraft werden), der inhaltlich weit¬
gehend mit der Klage übereinstimmte. Dr. Rög¬
gla beauftragte im November 1995 den Histo¬
riker Prof. Dr. Rudolf Ardelt mit einem Gutach¬
ten, um zu prüfen, ob meine inkriminierten
Aussagen zuträfen.
Mitte März 1997 kam Prof. Ardelt in seinem
Gutachten u.a. zu folgenden Ergebnissen: Mit
Recht kann gesagt werden, „‚daß in der Publi¬
kation des Klägers ‘Nazi-Töne’ zu finden seien
..“ Darüber hinaus findet „sich jedoch in der
Publikation des Klägers eine Darstellung des
Faschismus und insbesondere des Nationalso¬
zialismus, die nach Auffassung des Sachver¬
ständigen eine klare und eindeutige Rechtferti¬
gung des NS-Regimes darstellt.“ Und weiter:
Bezüglich der Beurteilung der Jahre der NS¬
Herrschaft ist eine klare Tendenz zumindest zur
Minimierung der Terror- und Gewaltdimen¬
sion des NS-Regimes zu finden, hingegen aber
auch eine klare Tendenz, in der Verantwortung
für den Zweiten Weltkrieg „Juden“ eine
Schlüsselrolle zuzuschreiben. Damit setzt der
Autor als Kläger die schon oben konstatierte
antisemitische Argumentationslinie auch in
Bezug auf den Nationalsozialismus fort, ja ver¬
kehrt die ,, Tater"-Opfer"-Rolle durch die ver¬
fälschende Darstellung der sog. ,, Kriegserkla¬
rung“ 1933. [...]
Die Ausführungen des Kläger zu Kurt Tu¬
cholsky lösen die Ausführungen aus ihrem
textlichen und historischen Kontext und ge¬
ben sie daher sinnwidrig wieder. Darüber
hinaus stellt der Kläger außerdem eindeutig
tatsachenwidrige Behauptungen über die
Äußerungen Kurt Tucholskys und dessen In¬
tentionen auf, die durch den Text nicht zu
belegen sind bzw. dem Text widersprechen.
Von dem Kläger als Wissenschaftler ist je¬
doch zu erwarten, daß er entsprechend dem
„wissenschaftlichen” Anspruch seiner Aus¬
führungen zumindest die von Ernst Nolte ge:
nannten Kriterien einhält. |... }
Tatsachlich kann zu Recht gesagt werden.
daß sich der Klager ın seinem Artikel muchr¬
fach einer Terminologie bediens, dee nicht als
„wissenschaftlich ” bezeichnet werden kann,
sondern für den Bercich der wieologischen
Formen sogenannter „völkischer”, dh. na¬
tionalistischer Organisationen rechtsexire¬
mistischer und rechisradikaler Art, sowie
darunter auch für die NSDAP. kennzeich¬
nend war und ist. [...]
Es ist daher festzuhalten, daß die Ausführung
des Klägers hinsichtlich Kurt Tucholsky in Be¬
zug auf den Terminus ‚.Gastland“ in klarer
Übereinstimmung mit nationalsozialistischer
Terminologie steht und zurecht als ,,Nazidik¬
tion“ bezeichnet werden kann.
Und zur Frage der „jüdischen Weltverschwö¬
rung“!
Obwohl der Kläger jede Berufung auf ein ex¬
plizites ,, Verschworungsmodell“ — etwa im
Sinne der Fälschung der ‚Protokolle der Wei¬
sen von Zion“ — vermeidet, rückter das Agieren
von ,,Internationalisten“ und hier wiederum
besonders von Juden in den Bereich der ,, Ver¬
schwörung“ (Geheimbünde, Untergrundorga¬
nisationen, Spione). Der Beklagte kann daher
zu Recht zu einer Interpretation in der oben |
bezeichneten Art über die Ausführungen des |
Klägers gelangen.
Mitte August 1997 erhielt ich das schriftliche
Urteil des Wiener Handelsgerichts, mit dem die
Klage des Werner Pfeifenberger kostenpflichtig |
abgewiesen wurde. Der Richter resümierte:
„Vor dem Hintergrund der Geschichte des 20.
Jahrhunderts, ist es wichtig, den Anfängen zu
wehren und Artikel wie jene des Klägers aufzu¬
zeigen und zu kommentieren. Hier ist auch die |
Diktion des Erstbeklagten [K.P.] nicht überzo¬
gen, besonders wenn man bedenkt, daß er im
offiziellen Organ der Zweitbeklagten [IKG] |
veröffentlicht.“ |
Medienrichter Dr. Röggla sprach mich am
18.9. 1997 frei und resümierte:
Der Beschuldigte hat einen Artikel verfaßt, der
über weite Strecken in Zitaten aus einem Artikel |
des Klägers besteht. Nicht inkriminiert wurde, |
daß diese Zitate ihrerseits aus dem Zusammen¬
hang gerissen wiedergegeben oder verfälscht
wiedergegeben worden seien. Der Beschuldig- '
te beschränkt sich darauf, diese Zitate zu kom¬
mentieren und zu werten. Es ist für den Leser |
somit aufgrund der dargelegten Bewertungs¬
grundlagen (Tatsachen) die Beurteilung des
Beschuldigten nachvollziehbar. [...]
Die Bewertung des Beschuldigten hat sich (so- '
gar) als wahr erwiesen ... Hier weist sich, daß
von Karl Pfeifer eine auf Tatsachen basierende
zulässige Kritik geübt wurde. Diese Krüik ex¬
zediert nicht, wie sich im Zuge des Wahrheits¬
beweises ergeben hat, yanı un Gegenteil, die
Vorwürfe haben suh als muhr erwiesen. _..
Dr. Roggla erkannae „zulässige Kritik an dem
Aufsatz des Klägen Prof. Dr. Werner Pfeifen¬
berger”, weahalb ich freigesprochen wurde
und dae nacıhensechtlichen Anträge des Werner
Pfeienberger kostenpflichtig abgewiesen wur:
Jen.
Justiz und Politik in Österreich
Sowohl die SPÖ (Sozialdemokratische Par¬
tei) als auch die Grünen wandten sich — be- |
züglich des Freiheitlichen Jahrbuchs 1995
und insbesondere des Artikels von Wemer
Pfeifenberger — mit einer parlamentarischen |
Anfrage an den von der SPÖ nominierten
parteilosen Justizminister Dr. Nikolaus Mi¬
chalek. Dieser berief sich in seiner Antwort
auf die weisungsgebundene Staatsanwalt¬
schaft, die keinen Anlaß fand gegen den Ar¬
tikel von Pfeifenberger einzuschreiten. Dr.
Peter Kostelka, Chef der SPO-Parlaments¬
fraktion, teilte mir schriftlich mit, daß „‚nach
Ansicht der Anklagebehörde kein Verstoß
gegen das Verbotsgesetz vorliegt“.
Nun kann das nicht überraschen. In Österreich
wurde während der letzten Jahrzehnte keine
einzige Anklage gegen einen Prominenten we¬
gen Verstoß gegen dasNS-Verbotsgesetz erho¬