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Tuvia Rübner

Zwei Gedichte

Brot und Salz

Was für ein feiner Geruch
wie lockt er von weitem.

Unter liebendem Wind, hinauf und hinab
das tief atmende Feld träumt von dir.

Einmal ganz flach, hauchdünn auf heißem Stein
einmal gewölbt, junge Frauenbrust.

Man fand dich im Grab von vor 3000 Jahren
heute frühmorgens frisch aus dem Laden geholt.

Du Sanftes, kein Tropfen Blut ist dir anzusehen
den man deinetwegen vergoß.

Segenssprüche in 777 Sprachen
sind über dich gebeugt

und Geschwätz der Frauen
die dich zubereiteten zwischen den Zeiten.

Siehst du die großen Augen, halberblindet
diese Körper wie aus Nägeln gemacht

diese Rippen, Krallen
eingebohrt ins Rückgrat?

Abgenagt der Mörtel von den Mauern
das Holz der Türpfosten.

Ein Experiment. Wie lange noch
bewegen sich diese trockenen Löcher, Münder.

O die offenen Wunden!
O das Salz, das die Lacher auf sie streuen.

1997

Von Tuvia Riibner ist eben der Gedichtband ,, Rauchvégel“ bei
Rimbaud in Aachen erschienen.

Die grossen Tage des Jahrhunderts

(Fernsehprogramm am Sonnabend)

Geschütze springen vor und zurück wie Geistesgestörte.

Der Himmel ist voller Flammenvögel.

Die Häuser fallen folgsam zusammen und wehren sich nicht.
Die Bäume vergaßen, daß sie einst Bäume waren.

Die Hütten überlassen ihren Platz dem Feuer.

Ein Pferd steht da und weiß nicht wohin.

Nachher steht es nicht mehr.

Ein Mädchen liegt auf hilflosen Stufen

wie eine aufgedunsene Puppe.

Auch wenn dein Blick an ihr haftet, sie rührt sich nicht.

Plötzlich Wüste.

Die Wüste ist endlos.

Wer von allen den Schatten da

wird sich an sie erinnern können. Wer von ihnen weiß
wie durstig der Sand ist.

Einmal diese, das andere Mal andere. Große Feldherrn
stehen auf dem halben Weg zur Ewigkeit.

Und schon unter Wasser. Ein Rohr steigt hoch

neugierig wie eine Elster mit einem Giraffenhals.

Am Horizont ein Dampfer ist ein Dampfer gewesen.

Eine schwarze Wolke, die nicht vom Himmel kam

steigt überm Wasser auf. Nachher eine ganze Reihe von Wolken.

Füße waten im Schlamm.

Der Schlamm erhebt sich und sinkt zurück.

Die Toten haben Gesichter, die nichts preisgeben
dich alles erraten lassen. Zerrissene Kleiderpuppen
einige kopflos. Über ihnen Füße in Bewegung
neben ihnen Füße reglos. Die Erfrorenen, mein Gott
wie sehen die aus!

Die Veraschten, deren Körper wir einatmen mit der Luft
sehen überhaupt nicht aus.

Endlose Schneefelder. Alles ist nichts.
Plötzlich Palmen.

Die Zeit wird kürzer von Jahr zu Jahr

von Augenblick zu Augenblick.

Der Bildschirm flimmert wie von verhaltenen Blitzen.

Ich bin verhältnismäßig ruhig gealtert. Das Telefon klingelt.
Ich unterhalte mich ruhig mit einem Freund, und sehe.

Der Nußbaum beginnt auszuschlagen.

Die Oliven streuen Silber in den Wind.

Ein Vogel fällt in das geschliffene Blau.

Das war, sage ich lautlos zu mir, das war als du jung warst.
Du bist dem entkommen. Du bist dem entkommen
wiederhole ich. Du lebst ja.

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