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Sturmscharen“ mit dem martialischen Titel „Sturm über
Österreich“. Sie verstanden sich als Erneuerer und vertraten
vehement die „Bollwerk-Funktion“ Österreichs. Mit Berthold
Withalm, dem Herausgeber des im Juli 1937 gegründeten
„Frontkameraden“, verfaßte Görgen den Großteil der Beiträge
dieses kurzlebigen Forums, das durch finanzielle Zuschüsse
von Foerster und Schweizer Freunden ab 1. Jänner 1938 unter
dem Titel „Monatshefte für österreichische Aktivisten“ noch
zwei Monate lang erscheinen konnte. Mit einer Rhetorik, die
der Sprache der Nationalsozialisten durchaus ähnelte, rief die
Zeitung zu einem „unüberwindbaren stählernen Kampfbund“
für Freiheit und Souveränität Österreichs auf.

Schweizer Geld floß auch in den „Christlichen Ständestaat“
(CS), dessen Herausgeberschaft Görgen nach dem Rücktritt
Hildebrands 1937 übernahm. 1935 hatte er sich der „vaterlän¬
disch‘“ orientierten monarchistischen Autorengruppe im CS
angeschlossen, während die von Hildebrand vorgegebene Li¬
nie Österreich als Teil der deutschen Nation im Sinne einer
Kultur- und Sprachgemeinschaft definierte. Die Zeitung war
in Schwierigkeiten geraten, da Kurt Schuschnigg seinem Kriti¬
ker Hildebrand die von Dollfuß gewährten Subventionen kürz¬
te. Schuschnigg hatte nach dem Juli-Abkommen auch von le¬
gitimistischer Seite wegen des „praktischen Vollzugs des An¬
schlusses“ (Andrian) und alldeutscher Sympathien heftige
Kritik geerntet. Foerster forderte ihn brieflich auf, seine Mini¬
ster zu entlassen, und machte ihm Vorschläge zu Neubesetzun¬
gen der Ämter. Darüber verärgert, betonte Schuschnigg Hilde¬
brand gegenüber, daß er wisse, wo Foerster seine Quellen ha¬
be, da der gesamte Briefwechsel Görgens überwacht sei.'!

Görgen, der im Juli 1937 durch Intervention des Legitimi¬
sten Hans Zessner-Spitzenberg auch die österreichische
Staatsbürgerschaft erhielt!'?, bemühte sich um „Austrizität“.
Vermutlich dürfte er vom Schriftsteller und ehemaligen Diplo¬
maten Leopold von Andrian, einem bedeutenden Mitglied des
österreichischen Monarchismus, beeinflußt worden sein; auf
dessen Buch „Österreich im Prisma der Idee“ (1936) bezog
sich Görgen wiederholt und rezensierte es.'” Andrian gehörte
zu den Anhängern des „vaterländischen Geschichtsverständ¬
nisses“, die die verfänglichen ständestaatlichen Nationsdefini¬
tionen zumindest teilweise hinterfragten. So wies er wieder¬
holt auf die Gefährlichkeit der Formel „Österreichertum ist
gleich wahres Deutschtum“ und „ein Teil der deutschen Na¬
tion“ hin und kritisierte die österreichischen Imitationen von
nazistischen Symbolen als Formen der Macht, die die Inhalte
rasch nach sich zu ziehen vermöchten.'*

Andrian und Görgen waren Mitorganisatoren der dreimal
veranstalteten „Oesterreichischen Akademie“. Sie sollte eine
Arbeits- und Forschungsgemeinschaft von Lehrenden um die
„Österreichische Gesellschaft für Kunst und Wissenschaft“
versammeln, die die „oesterreichische Idee, Geschichte und
Wirklichkeit“ zu erforschen und vor allem auf der kulturpoliti¬
schen Ebene darzustellen beabsichtigte. Auf der zweiten, im
März 1937 in Linz abgehaltenen Tagung referierten u. a. Josef
Dobretsberger, Erich Hula und Johannes Messner zur mit einer
Entpolitisierung der Arbeiterschaft verbundenenen „sozialen
Erneuerung“. Der „gesamtdeutschen“ Geschichtsauffassung
sollte durch die Herausarbeitung historisch gewachsener,
österreich-spezifischer Merkmale (wie Sprache) ein Gegenge¬
wicht geschaffen werden. Denn nur auf geistigen Fundamen¬
ten gründe sich politische Freiheit, betonte Andrian.'? Es galt
auch, die Lehrenden an Hoch- und Mittelschulen, wo das Po¬
tential an nationalsozialistischen und deutschnationalen Sym¬

pathien besonders stark und multiplikatorisch wirksam war, in
„vaterländischer“ Richtung zu erziehen.

Die Vorträge der ersten Tagung von 19. bis 25. Juli 1936 in
Salzburg wurden von Julius Wolf, Konrad Josef Heilig und
Hermann Görgen im Band „Österreich und die Reichsidee“
publiziert. Der ebenfalls aus Deutschland geflohene Historiker
Heilig war einer der wichtigen Wortführer der „vaterländi¬
schen“ Geschichtswissenschaft monarchistischer Prägung. Es
ist auffallend, daß zwei der drei Autoren eines vielbeachteten
Werkes des Ständestaates deutsche Immigranten waren. Wie
Görgen arbeitete Heilig am Schulungsprogramm der Vaterlän¬
dischen Front mit. In „Österreich und die Reichsidee“', das
die Superiorität des Staates über die Nation zum Programm
hatte, propagiert Görgen das von Constantin Frantz!” und
Friedrich Wilhelm Foerster beeinflu&te Konzept einer Födera¬
tion der Donaustaaten als einzig „sinnvolle“, weil übernationa¬
le politische Konstellation. Um die Notwendigkeit des Födera¬
lismus zu begründen, schöpft auch er tief aus dem historischen
Fundus der Reichstheologie des Hl. Römischen und des mittel¬
alterlichen „deutschen Reiches“. Im Gegensatz zur zentralisti¬
schen Gleichschaltung des Dritten Reiches könne lediglich ei¬
ne föderalistische Struktur die pluriethnische Toleranz eines
übernationalen politischen Gebildes bewahren und nach außen
sowie gegen die Imitatoren des preußischen Nationalismus im
Inneren verteidigen. Seine Argumentation folgt im großen und
ganzen jener des „Schulungsgutes‘ der Vaterländischen Front:
Es wird eine österreichische Mission postuliert und mit dem
vermeintlich altruistischen Konzept des „Dienstes“ Öster¬
reichs, seiner paternalistischen Erziehungsfunktion an kleine¬
ren Nationen verbrämt. In dieser Konzeption spiegelt sich
deutlich das Bewußtsein der Überlegenheit deutscher Geistes¬
kultur gegenüber anderen Nationen im Donauraum:

In dem Augenblick aber, wo in der deutschen Mitte Europas
die Reichsidee langsam [...] zu einer deutschen, dann zu einer
deutschnationalen und schliesslich zu einer völkisch-germani¬
schen und „volksdeutschen“ gemacht wurde, war das Pro¬
blem Oesterreich in seiner vollen Schärfte gestellt, als Exi¬
stenzfrage für den Donauraum, für Deutschland und das ge¬
schichtlich geprägte Deutschtum |...].

Österreich müsse sich deshalb für seine Brückenfunktion
im Donauraum entscheiden: „Je mehr das Reich deutsch wer¬
de, je mehr mußte Österreich österreichisch werden“, schrieb
Görgen.'® Die Gründe für den Zusammenbruch der Habsbur¬
germonarchie werden mittels metaphernreicher Sprache als
schicksalhafte Verkettungen von „Schuld“ und „Tragik“ ver¬
deckt bzw. umgangen. Sozialhistorische Kontexte bleiben in
diesen Konstruktionen ausgespart. Daß Metaphern verdeckte
Hintergründe verraten können, zeigt sich auch bei Görgen. In
seiner Argumentation für die Führungsfunktion der „Deut¬
schen“ über die kleineren Nationen nähert er sich „gesamt¬
deutschen“ Geschichtsauffassungen an; so bezieht er sich auch
auf das „stammestheoretische“ Begriffsinventar (,,Raum¬
schicksal und Volksschicksal‘‘) des Germanisten Josef Nadler,
wenn er schreibt: „Der österreichische Raum ist das geopoliti¬
sche Gelenk zwischen dem Donauraum und dem deutschen
Volksboden. Raumschicksal und Volksschicksal sind hier
nicht zusammengefallen.“!? Das angestrebte Großreich erste¬
he aus den vorgeblich „raumpolitischen“ Gegebenheiten.

Leopold von Andrian verurteilte die „gesamtdeutschen“
Thesen, wie sie der Historiker Heinrich Srbik vertrat, auch in
Briefen an Görgen: „Habe eben Srbiks Berliner Vorträge gele¬
sen. Wie schnell Geschichtsschreibung ad majorem gloriam

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