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„Ihre Opfer sollen nicht umsonst gewesen sein! Ohne ihren Opfermut gäbe es heute nicht jene Freiheit im westlichen Europa, die für viele so selbstverständlich geworden ist ...“! So lobte Jörg Haider vor einigen Jahren ehemalige Angehörige der Waffen-SS. Einst sind diese von Haider geschätzten Freiheitskämpfer zur „Verteidigung Europas“ ausgezogen, mit dem Ziel, meine Eltern und Großeltern zu ermorden. Meine Familie ist jüdisch. Die Freiheitskämpfer wollten das Land, aus dem ich stamme — Rußland — europäisieren. Sie brannten das Heimatdorf meiner Familie nieder und ermordeten alle jüdischen Einwohner, ... meine Urgroßmutter, Großtanten, Großonkel... Einst hat Jörg Haider gemeinsam mit in- und ausländischen Rechtsextremisten einen Aufruf zur Rehabilitierung aller Kriegsverbrecher unterschrieben. Hat der FPÖ-Parteiobmann bei seiner im Oktober 1990 gehaltenen Ulrichsbergrede versichert, Kriegsveteranen und ehemalige SS-Leute hätten die Grundlagen für Frieden und Freiheit in Europa gelegt, so bekennt sich derselbe Obmann neuneinhalb Jahre später in der Präambel zum Regierungsprogramm der ÖVP/FPÖ-Regierung zu Freiheit und Demokratie, zu Respekt, Toleranz und Verständnis für alle Menschen. Welche Freiheit meint nun Haider? Die Freiheit für Kriegsverbrecher, für jene, die ehemalige Nazis verteidigen, ein Ende der Vergangenheitsdebatte fordern und gegen Ausländer hetzen, oder die Freiheit für jene, die dagegen auftreten? Ich bin in Rußland geboren worden. Die Emigration meiner Eltern, die 1971, als ich noch keine fünf Jahre alt war, ihr Heimatland verlassen mußten, um dem Antisemitismus in Rußland zu entfliehen, hatte mehrere Stationen. Was ursprünglich nur als Übersiedlung aus der UdSSR nach Israel geplant war, entwickelte sich zu einer Anzahl von weiteren Emigrationen und Remigrationen, eine mehr als zehn Jahre dauernde Pendelroute zwischen verschiedenen Exilstationen. Als ich 1972 das erste Mal nach Österreich kam, waren die alten Nazis noch sehr zahlreich in diesem Land. Sie saßen in Schulen, Ämtern und politischen Parteien, auf Universitätslehrstühlen, in Zeitungsredaktionen, im Parlament und in der Regierung. Über Österreichs NS-Vergangenheit wurde kaum gesprochen. Den Alltagsfaschismus — Diskriminierungen von Minderheiten, Übergriffe gegen Ausländerinnen und Ausländer - hat es auch vor dreißig Jahren schon gegeben, nur wurde darüber wenig berichtet... Was konnte ich tun? Was konnten meine Eltern tun? Wir waren Ausländer in diesem Land. Und Ausländer haben nichts zu sagen. Am besten schweigen und warten. Man hatte mir zu verstehen gegeben, dies sei das vernünftigste, das mir angemessene Verhalten. Je weniger man sagt, umso weniger fällt man auf... Soll ich auch heute schweigen? Die alten Nazis sterben aus. Aber die Partei junger Rechtsradikaler hat nach der Macht gegriffen: dynamische Herrenmenschen mit Handy und Krawatte, Law-and-Order-Ideologen, Schlußstrichzieher und fleißige Maurer, die an einem Bunker bauen, in dem nur jene Platz haben sollen, die den Vorstellungen der Maurer entsprechen. Und wer heute als Fremder in dieses Land kommt, hat es um ein Vielfaches schwerer als ich es je hatte, muß sich vor der Realität mehr fürchten als ich in meinen schlimmsten Alpträu4 men. Seit dem Schwarzen Freitag, dem 4. Februar 2000, ist die Angst noch größer geworden... Ich aber soll das Haupt senken und schweigen? Schweigen und warten. Schweigen, weil Haider ein Papier unterschrieben hat, in dem er sich zu Demokratie und Menschenrechten bekennt? Weil er beteuert, kein Rechtsradikaler mehr zu sein? Wer’s glaubt, wird selig. Die Politik der FPÖ in den letzten Jahren und Haiders verbaler Amoklauf sprechen eine viel deutlichere Sprache. Als Rechtsradikaler erscheint mir Jörg Haider am glaubwürdigsten. Warum sollte er sonst Äußerungen, die ihn als einen solchen entlarven und ihm politisch schaden, in regelmäßigen Abständen tätigen? Nach seinem Hinweis auf die „ordentliche Beschäftigungspolitik“ der Nazis verlor er zum Beispiel sein Amt als Kärntner Landeshauptmann. Ich soll die FPÖ und ihre schwarzen Mittäter an ihren Taten messen? Die werden schlimm genug sein. Wer den Beschwichtigungen der neuen schwarzblauen Machthaber glaubt, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden. Politiker, die nur an ihren Taten und somit nicht an ihren Worten gemessen werden wollen, enttarnen sich zudem selbst als Lügner. Ich will nicht warten, bis der machtverliebte Mascherlheld und seine schwarzblaunen Kumpane das T.and ruinieren. War die österreichische Politik bis jetzt schon kultur-, frauen-, minderheiten- und ausländerfeindlich und der Sozialabbau voll im Gange, so werden diese Tendenzen jetzt wesentlich verstärkt und das Ganze dann auch noch als Fortschritt und Erneuerung verkauft. Schon jetzt werden manchen Kultureinrichtungen Subventionen gekürzt und kritische Journalisten mundtot gemacht. Jene, die gegen die neue Regierung demonstrieren, werden als Gewalttäter und Chaoten diffamiert oder als ,,notorische Lichterlmarschierer, Politkommissare und HardcoreLinksradikale“? bezeichnet. ‚Ich will nicht warten, denn ich habe sowohl von alten Nazis wie von jüngeren Rechtsradikalen genug. Es reicht ja ohnehin schon, daß Äußerungen Haiders und seiner Paladine mich persönlich beleidigen, daß mir FPO-Plakate angst machen, es reicht, daß FPÖ-Sympathisanten sich auf der Straße mit antisemitischen Parolen hervortun oder die Abschiebung von Ausländern fordern. Für mich ist zum Beispiel die Gleichsetzung von Straf- und Konzentrationslagern (Haider) nicht nur eine politische Entgleisung und der Hinweis auf angeblich kostenlose Hormonpräparate für Ausländer (Prinzhorn) nicht nur einfach blödsinnig. Das tut mir weh, mehr noch als es weh tat, wenn mich als Kind jemand als Tschuschnbua bezeichnete und meinte, ich solle mich aus Österreich schleichen. Das alles reicht eigentlich schon! Ich muß darüberhinaus nicht auch noch von der Partei jener regiert werden, deren Vertreter fundamentale Menschenrechte mißachten, indem sie ganze Gruppen, seien es Minderheiten, Ausländer oder sozial Schwache verunglimpfen und beleidigen und den Rest der Bevölkerung gegen diese Gruppen aufhetzen, von einer Partei, deren Obmann Massenmörder in Schutz genommen hat und der Politik eines Terrorregimes positive Seiten abgewinnen konnte. In der Regierung eines demokratischen Staatswesens, zu deren Aufgaben auch der Schutz der Grundrechte gehören sollte, hat eine solche Partei nichts verloren.