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wenn man einander am Schluß herzlich
„Schabbat Schalom“ wünscht, fühlt sich je¬
der zutiefst bewegt.

Neue Gebetbücher mit deutschsprachigem
Kommentar wurden gekauft, um den „Unge¬
übten“ den (Wieder-)Einstieg zu erleichtern,
und seit vorigen Sommer wird auch der
Schabbat-Eingang am Freitagabend gefeiert,
anschließend setzt man sich zu einem tradi¬
tionellen, selbstverständlich koscheren klei¬
nen Mahl zusammen. Im Zuge der Renovie¬
rung wurde nämlich auch die Einrichtung ei¬
ner adäquaten Küche bedacht - für die Ver¬
sammlung zu Schabbat und vor allem, um die
Feste im Jahreslauf gemeinsam feiern zu
können.

Die familiäre Atmosphäre beeindruckt be¬
sonders die Gäste. In den Sommermonaten
kommen auch viele Besucher aus dem Aus¬
land, die in Baden ihre Ferien verbringen, in
das Bethaus. Natürlich fehlen die Gäste im
Winter und heuer ist es der erste Winter, in
dem das Bethaus geheizt wird und daher je¬
den Schabbat offen steht — es hat sich leider
noch nicht überall herumgesprochen! An
Feiertagen jedoch füllt sich das Bethaus mit
Besuchern, so daß die Hoffnung, eines Tages
wieder in der großen Synagoge G-ttesdienste
abzuhalten, eine Bar Mizwah oder eine
Hochzeit zu feiern, gerechtfertigt erscheint.

Neue Aktivitäten, Präsenz in der
Öffentlichkeit

Die Gastfreundschaft der jüdischen Gemein¬
de erstreckt sich auch auf interessierte Perso¬
nen aus dem nicht-jüdischen Umfeld. Da¬
durch wurden neue Freunde gewonnen, die
bei der Bewältigung diverser praktischer
Aufgaben gerne mithelfen. Persönliche Kon¬
takte zu den christlichen Pfarren in Baden
wurden geknüpft und freundschaftliche Be¬
ziehungen sind im Aufbau begriffen.
Der Jüdische Synagogenverein Baden orga¬
nisiert seit einem Jahr regelmäßig kulturelle
Veranstaltungen, die nun aufgrund konse¬
quenter Informationstätigkeit auch in den lo¬
kalen Zeitungen angekündigt werden. Der
Bekanntheitsgrad entwickelt sich insgesamt
erfreulich, und die Bemühungen, gute Refe¬
renten zu interessanten Themen einzuladen,
finden allgemein Anerkennung. In Zukunft
soll auch dem Bedürfnis des Publikums nach
unterhaltsamen Abendveranstaltungen Rech¬
nung getragen werden — Auftakt war Kles¬
mer-Konzert im Februar 2000.

Elisabeth Fritz

Bisherige Vorträge bei den „Kulturnachmit¬
tagen“:

Sophie Haber präsentierte den Film „Der
Fall Griininger“ von Roberto Dindo
(Schweiz 1997).

Univ.Prof. Dr. Paul Haber: „90 Jahre
HAKOA“, Geschichte des jüdischen Sport¬
vereins.

Heinrich A. Frankl: „Zwischen Davidstern
und Halbmond“, Buchpräsentation und Le¬
sung.

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Mag. Eveline E. März: „Jüdische Identität in
der österreichischen Literatur vor und nach
dem 1. Weltkrieg“.

Dr. Sofia Kowalska: „Das Schtetl und jüdi¬
sche Städte in Westgalizien“ mit Dias von
Horst Dolezal.

Kulturveranstaltungen im Jahr 2000:

21.1. Dr. Konstantin Kaiser: „Theodor Kra¬
mer, Chronist seiner Zeit“ (in Zusammenar¬
beit mit der Theoder Kramer Gesellschaft).
20.2. Ensemble Klezmer Wien: „A Glesele
L’Chajim“. Festmusik der Klesmer und Lie¬
der aus dem jüdischen Leben. (Violine: Leon
Pollak, Akkordeon: Mario Koutev, Tenor:
Yigul Altschuler).

27.3. Einladung der katholischen Pfarre St.
Stephan in Baden: Univ. Prof Dr. Paul Ha¬
ber spricht über „2000 Jahre Judentum und
Christentum“ (im Pfarrsaal)

21.5. Mag. Angelika S. Jensen: „Jüdische
Feiertage“.

Weitere Veranstaltungen sind in Planung.

Veranstaltungsort:

Hotel Sacher, Konferenzraum, Helenenstra¬
fe 55, 2500 Baden. — Eintritt frei, Spenden
werden dankend angenommen.

Jüdischer Synagogenverein Baden, Graben¬
gasse 12-14, Postfach 209, 2500 Baden.
Ansprechpersonen: Sophie Haber (General¬
sekretärin); Mag. Eveline E. März (Kultur¬
referentin)

Literatur

Viktor Wallner: Das alte Baden. Wien: Ju¬
gend & Volk 1994. (Historische Aufnahme
der Synagoge, S. 101),

Rudolf Mauerer, Hans Meissner: Baden Near
Vienna. Jewish Heritage in Lower Austria.
In: Jewish Vienna & Austria. Ed. Vienna
Tourist Board o.J. (1997).

Bruce F. Pauley: Eine Geschichte des öster¬
reichischen Antisemitismus. Wien: Kremayr
& Scheriau 1993.

Persönliche Erzählungen von Shlomo Carle¬
bach anläßlich eines Besuchs in Baden.
Mündliche Mitteilungen einer Emigrantin
(Unterricht im alten Bethaus). Mag. Thomas
Schärf, Dr. Friedl Fischer, Georg Rado.

Moriz Seeler

Es freut uns zu hören, daß an dem Hause Ber¬
lin-Wilmersdorf, Brandenburgische Straße
36, eine Gedenktafel für Moriz Seeler, der
hier gewohnt hat, angebracht wurde. Die In¬
itiative dazu soll von dem früheren Regieren¬
den Bürgermeister Berlins Klaus Schütz aus¬
gegangen sein. An Moriz Seeler erinnerte
auch Günther Elbin in seinem 1998 im
Mannheimer Persona-Verlag erschienenen
Buch (vgl. die Besprechung in MdZ Nr. 2/
1999, S. 76).

Hermann Schlosser

Vom Willen, nicht zu
sterben

Zu einem Symposium der
Albert Drach-Gesellschaft
in Wien

Die Albert Drach-Gesellschaft mit Sitz in
Mödling und Wien veranstaltet regelmäßig
kleine Symposien zu Ehren ihres Namensge¬
bers. Das erste fand im Dezember 1997 statt
und befasste sich vor allem mit Drachs wenig
beachtetem dramatischen Schaffen. Im De¬
zember 1999 folgte ein zweites: Hier lag der
Akzent auf Drachs Prosa, wobei unbekannte
und unveröffentlichte Arbeiten ebenso zur
Sprache kamen wie die sozusagen „kanoni¬
schen‘ Meisterwerke „Unsentimentale Rei¬
se“ und „Untersuchung an Mädeln“. (Es ist
übrigens kein Zufall, dass die Drach-Sympo¬
sien immer im Dezember stattfinden: Am
17.12. ist Drach geboren, so dass dieser Mo¬
nat für „Drachianer“ - falls dieser Ausdruck
erlaubt ist- eine besondere Signifikanz hat.)

Den Anfang machte Ferdinand Schmatz. Er
ließ keinen Zweifel daran, dass sich die lite¬
rarischen Verfahren, die er selbst als Dichter
und Sprachexperimentator gebraucht, prinzi¬
piell von den Verfahren Drachs unterschei¬
den. Wer mag, kann sich den Unterschied
zwischen den beiden Autoren mit der proba¬
ten Opposition „realistisch“ versus „experi¬
mentell“ verdeutlichen. Die eigentliche Poin¬
te des Schmatzschen Vortrags lag allerdings
in der überzeugend belegten These, dass sich
— sozusagen hinter dem Rücken der jeweili¬
gen Verfahren — Gemeinsamkeiten ausma¬
chen lassen, von denen sich eine bloß rubri¬
zierende Betrachtungsweise nichts träumen
lässt. Unter anderem wies Schmatz auf das