Die feierliche Lust des goldnen Lichtes
klingt gräßlich wie Musik zu Mord und Zeitung.
Schwärzlicher Nebel verschließt
die Menschenseelen
vor den Strahlen und Stimmen der Güte.
Undurchdringlich ist diese Nebelwand,
nur manchmal durchzuckt
von blutigem Schein.
Dahinter vernimmst du
tönendes Erz,
klingende Schellen
und Terrorgeräusche.
Als sich Germaniens riesige Kriegsmaschine
in das Gebein deiner Verteidiger
blutig steile Wege schnitt
betrat ich deinen heiligen Freiheitsboden.
Die Thermophylenstraße rauchte
von den schleifenden Füßen
deiner geschlagenen Söhne.
Todesangst packte mich, als ich dich liegen sah
unter den nackenbeschreitenden Stiefeln.
Unerhört betete ich, und meine Tränen
vermischten sich mit dem Elend
in deinen Eingeweiden.
Ich schaute deine Nymphen blutgestreift
und kotbeschmiert die Koren
und den Giebel des Parthenon.
Klebendes Schwefelfeuer
umschlang dein geschändetes Alter
meine jungen Glieder.
Vor deinem Jammer ward
was sonst mich noch schirmte
zu nichts.
Im ersten Winter nach der Niederlage
fiel Schnee; ganz Attika
war weiß und kalt und voller Hungersnot.
Die Armen, barfuß, hohl bis auf die Knochen
mit Bäuchen von der Seuche aufgebläht,
sie essen Gras, Abfall und Aas
und alles, was der Hunger ohne Ekel
verschlingt, und fallen um
und sterben wie die Fliegen.
Ein Ort voller Wut- und Wehgeschrei,
voll von Fliehenden und Erschlagenen
und ihren Treibern, bewaffneten
und wehrlosen Menschenhaufen.
Diese suchen sich zu verkriechen.
Jene durchstöbern jedes Loch,
durchkämmen Kirchen und Aborte,
Kartoffelkeller, Gräber, Schneegebirge
und jagen sie mit Schlägen hinaus
und pferchen sie zusammen,
und filmen sie,
da sie stehn mit erhobenen Händen
und mit dem Gesicht zur Wand.
So lange kitzeltet ihr die Herrschermacht
des dunstigen Halbsgesichts
bis seine Begierde emporschwoll
zu raumverpestender Mordsucht.
Ihr wähntet, der Krieg
werde euch nur der Feinde
fliehende Rücken und Leichenstarre zeigen.
Als aber auch hier bei euch
die ausradierende Zerstörung wütete
zeigtet ihr mit hilflos
anklagenden Fingern auf jene,
die höher flogen als die Wolken eurer Lügen.
Sie hören der Verlornen Schreie nicht.
Verwesung schreckt sie nicht. Der Hölle Sieg
ist unser! jubeln sie. Wir schmecken nicht
des Todes Stachel! Gott mit uns zum Fraß!
Der Schlachthof steht verfluchten Schweinen offen.
Michael Guttenbrunner, 1919 in Kärnten geboren, stammt aus länd¬
lich-proletarischen Verhältnissen. Er war Lehrling, Maurergehilfe,
Roßknecht. Illegale Tätigkeit für die Revolutionären Sozialisten, erste
Verhaftung 1935; drei Jahre später die nächste. Er wurde Soldat,
1944 „wegen Aufwiegelung und tätlichen Angriffs auf einen Vorge¬
setzten vor versammelter Mannschaft“ zum Tode verurteilt, später
zur Front begnadigt. Nach Österreich zurückgekehrt, hielt er fest an
Jenem Geiste des Widerstands, für den er sein Leben eingesetzt hatte,
ohne Rücksicht auf die Anpassungs- und Wandlungsmanöver seiner
Zeitgenossen. Verständnis für die, die immer ihr Gesicht wahren
wollten, obwohl sie keines hatten, brachte er nicht mehr auf. In einer
gemeinsamen Veranstaltung des Republikanischen Clubs und der
Theodor Kramer Gesellschaft las Guutenbrunner am 6.4. 2000 in
Wien politische Gedichte. Einführende Worte sprach Peter Kreisky.
Zuletzt ist 1995 Guttenbrunners Gedichtband „Lichtvergeudung“
beim Löcker Verlag, Wien, erschienen (vgl. Daniela Strigls Bespre¬
chung in MdZ Nr. 2/1996, 44f.)