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zielle Stellen Israels und ausländische Me¬
dien Österreich im Zusammenhang mit der
Bildung der schwarz-blauen Regierung als
ein für Minderheiten gefährliches rassisti¬
sches Naziland bezeichnet hatten.“
Zweifellos wurde Österreich in gewissen ame¬
rikanischen Boulevardblättern — die durchaus
mit der NKZ verglichen werden können — we¬
gen mangelhafter Recherche bzw. wegen der
Neigung, alles zu übertreiben, als Naziland hin¬
gestellt. Diese Behauptungen jedoch den öster¬
reichischen Juden anzudichten, bedeutet das al¬
te Vorurteil von der jüdischen Weltverschwö¬
rung zu bedienen. Auch wenn die Chefredak¬
tion der NKZ „jeden Vorwurf, egal von wo er
kommt, Antisemitismus zu tolerieren, mit
größter Entschiedenheit‘ zurückweist und an¬
gibt, „ganz im Gegenteil - allen Aktivitäten der
jüdischen Kultusgemeinde in Wien positiv“
gegenüberzustehen, bleibt der Vorwurf auf¬
recht. In diesem Sinne entschied auch gerade
auf Grund einer Beschwerde der von der NKZ
erwähnten Israelitischen Kultusgemeinde der
Österreichische Presserat, der feststellte, Kro¬
ne-Gebrauchslyriker Wolf Martin hat „das An¬
sehen der Presse verletzt“. (Standard 31.3.
2000).

Ein besonderes Kapitel, das hier wegen
Platzmangel leider nicht ausführlich behan¬
delt werden kann, ist das schlampige Ver¬
hältnis zwischen der sich zum Antifaschis¬
mus bekennenden SPÖ und der NKZ. Auf
meinen an Dr. Alfred Gusenbauer gerichte¬
ten Brief bezüglich dieser Schreibweise der
NKZ erhielt ich eine Antwort, deren wichtig¬
ste Stelle so lautet: „Als Spitzenpolitiker ist
man Gegenstand der medialen Berichterstat¬
tung. Und in einer Demokratie, für die Pres¬
sefreiheit ein zentraler Wert ist, ist Koopera¬
tion zwischen Politik und allen Medien ein
entscheidender Faktor.“ D. h. auf gut
deutsch, trotz prinzipieller Haltung der SPÖ
„gegen jede Form des Antisemitismus und
des Rassismus“ wird die SPÖ (und leider
auch alle anderen im österreichischen Parla¬
ment vertretenen Parteien) es weiterhin nicht
wagen, rassistische und antisemitische Texte
in der NKZ konkret anzuprangern.

Das ist ja auch die Haltung der katholischen
Kirche, die zwar im allgemeinen Rassismus
und Antisemitismus verurteilt, ansonsten
aber Hans Dichand eine hohe vatikanische
Auszeichnung zukommen ließ. Schließlich
kommentiert neben Mölzer und Nenning
auch der sich hinter dem Pseudonym „Chri¬
stianus“ versteckende Kurt Krenn.

Als einzige österreichische Politikerin hat
Dr. Heide Schmidt während einer Parla¬
mentsdiskussion am 10.5. 1999 über den Fall
Omofuma gewagt, die mächtige NKZ zu kri¬
tisieren. Nachdem sie Innenminister Karl
Schlögl den Vorwurf machte, nach diesem
Skandal nicht zurückzutreten, sagte sie, es
wundert

mich nicht, daß Sie mit dieser Freiheitlichen
Partei so konform gehen, sondern es ist auch
verständlich, daß Sie auch mit der ‚Kronen
Zeitung‘ so konform gehen.

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Jetzt muß ich Ihnen folgendes sagen, Herr
Minister, als jemandem, der von der ‚Kronen
Zeitung‘ profitiert, die die Sache auf den
Punkt bringt, wenn der Herr Staberl fragt:
‚Stehen jenen, die sich um die Rechtsstaat¬
lichkeit keinen Deut scheren, die Benefizien
eines von ihnen so deutlich abgelehnten
Rechtsstaates wirklich voll und ganz zu?‘
und der damit eine Kernfrage eines Rechts¬
staates berührt, der damit sagt, die haben ge¬
fälligst vogelfrei zu sein: Auf diese Unterstiit¬
zung sind Sie stolz? Sie sind stolz auf eine
‚Kronen Zeitung ‘, die nach diesem — Sie nen¬
nen es alle einen ,tragischen Vorfall‘ — Tod
eines Menschen schreibt, daß die Polizei der
Aufgabe der Aufrechterhaltung der öffentli¬
chen Ordnung, und zwar genau in dieser
Frage, nachgekommen ist und gerecht ge¬
worden ist?

Herr Bundesminister! Sie profitieren von ei¬
ner Stimmung der Inhumanität. Sie profitie¬
ren von verbohrten Vorurteilen. Sie profitie¬
ren von einem mangelnden Rechtsstaatsbe¬
wußtsein in diesem Land.

Wer so wie die SPÖ gemeint hat, er müsse
der FPÖ den Wind aus den Segeln nehmen
und dann gemeinsame Sache in der Auslän¬
derpolitik gemacht hat, der konnte nach dem
3. Oktober 1999 feststellen, wohin diese Po¬
litik geführt hat.

Ruth Wodak hat schon vor zehn Jahren in ih¬
rem Beitrag „Jedem Österreicher seine Kro¬
ne — jedem Österreicher sein Vorurteil? Zur
sprachlichen Vermittlung von Vorurteilen“
festgestellt, daß man bei der NKZ es mit „ei¬
nem Diffamierungs- und Ausgrenzungsdis¬
kurs mit vielfältigen Erscheinungsformen
und einer langen Geschichte“ zu tun hat.
Vorgeworfen muß der NKZ werden „der
Ausstieg aus einer bildungspolitischen und
aufklärerischen Aufgabe, aus der journalisti¬
schen Verantwortung, in den Sumpf kollekti¬
ver Irrationalitäten.“ ’

Die Tatsache, daß eine solche Zeitung von
Millionen Österreichern gelesen wird, sagt
mehr aus über unser Land als alle „patrioti¬
schen“, der österreichischen Realität nicht
gerecht werdenden Ansprachen der meisten
unserer Politiker, die wegen kurzfristiger rea¬
ler oder vermeintlicher Vorteile willen, bereit
sind mit der NKZ zu kooperieren.

Anmerkungen

1 In: David. Jüdische Kulturzeitschrift. April
2000, 7. „Sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mit¬
bürger jüdischen Bekenntnisses“, BMA Dr. Benita
Ferrero-Waldner.

2 Anton Legerer, in: „Jüdische Rundschau“ (Ba¬
sel), 23.3. 2000

3 Gerhard Botz: Wien vom „Anschluß“ zum
Krieg. Wien: Jugend & Volk 1978, 248.

4 NKZ, 15.4. 2000

5 Gerhard Botz: „Neonazismus ohne Neonazi?“
Inszenierte NS-Apologetik in der „Neuen Kronen
Zeitung“. In: Handbuch des österreichischen
Rechtsextremismus. Wien: Deuticke 1996.

6 Wodak u. a.: „Wir sind alle unschuldige Täter“.
Frankfurt: Suhrkamp 1990, 134. (Zitat aus Catos
Kommentar vom 9.6. 1986).

7 In Peter A. Bruck (Hg.): Das österreichische
Format. Kulturkritische Beiträge zur Analyse des
Medienerfolges „Neue Kronenzeitung“. Wien:
Edition Atelier 1991.

Herbert Kuhner

Zur Rehabilitierung
Nimrods

Nimrod hob seinen Bogen

zum Himmel,

zog weit die Sehne zurück,

schoß den Pfeil so hoch wie möglich,
um zu zeigen, wie hoch

der Turm von Babel zu bauen sei.

Irrtümlicherweise dachte Nimrod,
er käme Gott nahe,

wenn er, getan die Arbeit, den Turm
bestiege, der Gottheit lässig

die Hand zu schütteln.

Und war Nimrod nicht ein Herrscher,
größer als die, die ihm folgten,
eines Gottes Gesellschaft würdig?

Und vielleicht wäre seine Plan
aufgegangen, hätte der Gott der Väter,
statt gute Miene zu machen

zum bösen Spiel,

nicht Nimrods Untertanen

mit einer Art Sprachlosigkeit bestraft.
Sie konnten sprechen, jedoch
einander nicht verstehen.

Jeder sprach mit anderer Zunge.

So kam’s, daß niemand Befehle erteilen
oder befolgen konnte.
Man mußte die Arbeit aufgeben.

Ohne Nimrod,

was hätten wir für eine herrliche Welt!

Wir sprächen alle mit einer Zunge.

Jeder könnte jeden verstehen,

keine Mehrheits- und
Minderheitssprachen,

weniger Chauvinismus und
Nationalismus.

Esperanto wäre tot und keine Totgeburt.

Aber die Übersetzer?

Mag sein, Nimrod war

ein Fluch für das Wort,

doch ein großer Bogenschütze
und Segen der Übersetzer,

für die er darum

der Heilige Nimrod bleibt.