In einem offenen Brief an Bundesministerin
Elisabeth Gehrer bzw. an die österreichische
Schulbuchkommission wiesen Geschichte¬
und SozialkundelehreInnen des Wiener Bun¬
desgymnasiums & Bundesrealgymnasiums
,Bertha von Suttner“ auf das Lehrbuch ,,Mei¬
lensteine der Geschichte“ (im besonderen auf
die Bande 3 und 4, die fiir die Hauptschule
und AHS Unterstufe approbiert sind), verfaBt
von Hammerschmid, Pramper (Linz: Veritas
1997), hin, die schwere inhaltliche und me¬
thodische Mängel sowie rassistische und xe¬
nophobe Textstellen aufweisen. Wir zitieren
ihre Kritik an der Darstellung des NS¬
Regimes:
„Im Stil personalisierender Geschichtsbe¬
trachtung wird die Person Hitlers tiberbetont:
Wie Hitler seine Gegner ausschaltete; Hitler
tibernimmt die Macht; Hitler = Diktator (Bd.
4, S. 53-54). Wie Hitler das ‚Großdeutsche
Reich’ schuf (S. 68); Hitler stürzt die Welt in
den Krieg (S. 67); Wie Hitler Europa in ein
Schlachtfeld verwandelte (S. 69). —In Anleh¬
nung an ein Gedicht von Bertolt Brecht könn¬
te man ironisch fragen: Und das alles hat er
ganz alleine gemacht? Hatte er nicht wenig¬
stens einen Koch bei sich?
Bei den SchülerInnen allerdings, so ist zu be¬
fürchten, vermittelt die Häufung derartiger
Personalisierungen den fatalen Eindruck,
dass Adolf Hitler weitgehend alleine an den
Schrecken der NS-Zeit schuld wäre. Seriöser
wäre stattdessen eine Darstellung der vielfäl¬
tigen Kooperationen zwischen der NSDAP
und den ,alten’ deutschen und österreichi¬
schen Eliten (z. B. in Justiz, Wehrmacht, In¬
dustrie, Amtskirche...)
[...] Unkommentiert wird ein längeres,
NS-affirmatives Zitat von Winifred Wagner
abgedruckt, in dem es u. a. heißt: Und da war
es doch selbstverständlich, dass sich die, sa¬
gen wir mal, deutsch empfindenden Men¬
schen versuchten zusammenzuschließen und
auch irgendwo nach einer Führung verlang¬
ten. (S. 52).
Bei den Griinden fiir den Aufstieg der
NSDAP wird die nationalistisch besetzte
Formulierung vom Diktatfrieden von Ver¬
sailles benützt (S 53), während z. B. die Rolle
der deutschen Industrie (als Geldgeber der
NSDAP und später als Profiteur der Zwangs¬
arbeit) nicht behandelt wird.
Fragwürdig ist weiters ein Satz Nur wenige
erkannten die Gefahren der Mordorganisa¬
toren, die ihre Hassgesänge brüllten (S. 53).
Eine derartige Darstellung verniedlicht die
antifaschistische Arbeit der NS-Gegner. Die¬
se waren in Deutschland vor 1933 nicht weni¬
ge. |...]
Untragbar ist unserer Meinung nach ein Er¬
zähltext, in dem es über einen alliierten Bom¬
berpiloten heißt: Der Pilot oben, irgendein
Mister Smith, der seine Pflicht tut wie jeder
Soldat dieses grausamen Krieges, hat eben
auf den Hebel gedrückt. [...] Wahrscheinlich
verurteilt er sogar diesen Krieg. Aber in die¬
sem Augenblick ist er nur ein Stück der teufli¬
schen Maschine, die ‚totaler Krieg’ heißt.
(S. 74)
Diese Darstellung macht keinen Unterschied
zwischen der Deutschen Wehrmacht, die ei¬
nen Angriffskrieg begonnen hat, und den Al¬
liierten. Sie tradiert das verhängnisvolle Kli¬
schee, dass jeder Soldat nur seine Pflicht tat.
Sind damit auch die Soldaten der Waffen-SS
gemeint? Sind damit auch jene Wehrmachts¬
angehörigen gemeint, die an Massakern be¬
teiligt waren? Und was ist mit jenen antifa¬
schistisch eingestellten deutschen und öster¬
reichischen Soldaten, die sich dem „Dienst“
in der Wehrmacht durch Desertation entzo¬
gen haben? Haben die ihre Pflicht verletzt?
Haben die Nazis also Deserteure zu Recht er¬
schossen?
Problematisch ist weiters die Darstellung des
Widerstandes gegen die NS-Herrschaft. Aus
nicht näher erklärten Gründen greifen die
Autoren lediglich drei Gruppen des Wider¬
standes für eine nähere Besprechung heraus:
Studenten, Offiziere, Priester (S. 64). Derart
wird z. B. der wesentliche Beitrag der Arbei¬
terbewegung (der auch in Österreich mit
zahlreichen Opfern verbunden war und in ei¬
nigen Regionen sogar im bewaffneten
Kampf zum Ausdruck kam) negiert.
Zudem steht das betreffende Kapitel unter
dem Titel: Warum der Widerstand gegen Hit¬
ler erfolglos war (S. 64) Abgesehen davon,
dass es sich hier wieder einmal um eine ver¬
einfachende Personalisierung handelt, ist
diese Aussage schlichtweg falsch. Der Wi¬
derstand gegen die NS-Herschaft war in vie¬
len europäischen Ländern keineswegs er¬
folglos. Der antifaschistische und nationale
Widerstand hat einen wesentlichen Beitrag
zur Befreiung von Ländern wie Jugoslawien,
Polen, der Sowjetunion, Frankreich, Italien,
Holland, Belgien etc. geleistet. Davon erfah¬
ren die SchülerInnen in diesem Buch aber so
gut wie nichts.
(Außerdem widerspricht sich Band 4 in die¬
ser Frage sogar selbst: Während der Wider¬
stand auf Seite 64 als erfolglos bezeichnet
wird, wird auf Seite 80 kurz auf den erfolg¬
reichen Beitrag des österreichischen Wider¬
standes bei der Befreiung von Innsbruck hin¬
gewiesen...).“
„Solche Schulbücher erschweren nicht nur
einen demokratischen Geschichtsunterricht —
sie verhindern geradezu eine verantwor¬
tungsbewußte Auseinandersetzung mit Ge¬
schichte.“
Die unterzeichnenden LehrerInnen ersuchen
dringenst Frau Minister Gehrer, auch mit
dem Hinweis auf die Erklärung der österrei¬
chischen Bundesregierung, die „speziell was
die Aufarbeitung der NS-Zeit sowie den
Kampf gegen Rassismus und Xenophobie
betrifft - an ihren Taten gemessen werden“
möchte, die beiden genannten Bände „als für
den Unterricht an österreichischen Schulen
für ungeeignet zu erklären.“
An die Geschäftsführung des Verlages Veri¬
tas erging parallel das Ersuchen, die beiden
Bände aus dem Verlagsprogramm zu strei¬
chen.
samkeit gegenüber den bedrohlichen politi¬
schen Veränderungen in Österreich. - Foto:
N. Jakl.
spiegel der würde
gegenüber des wachens
mitte der kraft
aufrechtes staunen offenen herzens
geschlossen entschlossen der würde kristall
der grat der klarheit
die stille der wahrheit
belichtet im stein.
Künftig soll an jedem ersten Donnerstag im
Monat um 18 Uhr 30 eine Frauenkundge¬
bung vor Trugers „Wächterin“ stattfinden.
Bei der ersten dieser Kundgebungen am 4.5.
2000 sprach Elfiede Jelinek. Die Frauen,
sagte sie, „sind eine Gruppe, die ihre Interes¬
sen durchsetzen muß gegen eine Regierung,
die ihr Rechte nehmen oder gar nicht erst ge¬
währen will.“