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Österreichische Exil-Literatur im World Wide Web Seit Dezember 1999 ist die Theodor Kramer Gesellschaft in Kooperation mit den Germanistik-Instituten in Salzburg und Klagenfurt in ein Online-Projekt eingebunden, das in Form eines interaktiven und multimedialen Lehr- und Lernprojekts Studierenden und Interessierten aus aller Welt die Exil-Literatur aus Österreich im World Wide Web aufbereiten wird. Nach mehr als einjähriger Vorbereitung wurde über dieses Projekt mit dem österreichischen Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur ein Vertrag abgeschlossen; es soll bis zum Frühjahr 2002 verwirklicht werden. Die aufwendige informatische Betreuung wurde vom Institut für Softwaretechnik der Technischen Universität Wien übernommen, das auch das bereits vor dem Abschluß stehende interaktive Lehrund Lernpaket mit dem Titel „Literatur in der Wiener Moderne“ (Projektleitung: Klaus Zelewitz, Salzburg) betreut hat. Die beiden, auf praktisch denselben informatischen und graphischen Grundlagen beruhenden Projekte sollen der Beginn einer auch für Fernstudien geeigneten Darstellung der „Österreichischen Literatur und Kultur im historischen Prozess“ sein. Derzeit sind sieben MitarbeiterInnen eingebunden - in Wien, Rom, Klagenfurt, Osijek und Salzburg. Das Projekt „Österreichische Exil-Literatur seit 1933“ bietet anhand von themenorientierten und textanalytischen Einheiten - entsprechend dem komplexen Gegenstand sowie gemäß dem neuesten Stand der Exilforschung - einen Aufriß über Emigration und Exil im 20. Jahrhundert, und zwar als eine der zentralen Erfahrungen für österreichische Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Geplant sind insgesamt 40 Kapitel, exemlarische Porträts von ExilautorInnen und Exilländern, themenspezifische Kapitel sowie textanalytische Einheiten. Die mit den Möglichkeiten des Internet arbeitende Darstellung soll sich für den fächerübergreifenden Projekt-Unterricht an Höheren Schulen (z.B. als Hilfestellung bei der Abfassung von Fachbereichsarbeiten), für die Verwendung in kulturwissenschaftlichen universitären Studienfächern und in der auBeruniversitären Erwachsenenbildung eignen. Erklartes Ziel ist es, einen der wichtigsten Aspekte der österreichischen Literatur im 20. Jahrhundert ins Bewußtsein der internationalen Fernstudien-Öffentlichkeit zu rücken. Es gibt ja bisher keinen österreichischen „Exilkoffer‘“ oder entsprechende Unterrichts- und Studienmaterialien. Vorläufige Homepage-Adresse: http://www .sbg.ac.at/exil/kmueller/ exil-homepage.htm Wir werden bei nächster Gelegenheit noch ausführlicher berichten. — Red. 74 Grundverschieden waren die Gedenken der letzten Wochen, denen auch Delegationen unseres deutschen Kulturverbandes _ beiwohnten. Am 14. Mai lud die jiidische Kultusgemeinde zu einem Gedenken an die Holocaust-Opfer in die Synagoge Skofepka ein. Überlebende, deren Angehörige und Freunde aus ganz Mähren, Vertreter der Stadt, mit Primator Dr. Petr Duchon an der Spitze, Vertreter christlicher Religionsgemeinschaften wie Generalvikar J. Mikuläsek und viele andere füllten bis zum letzten Plätzchen das bescheidene jetzt als Bethaus dienende Gebäude. Die einstige prächtige Große Synagoge in der nahen Mühlgasse (Mlynskä) ist ein Opfer nazistischer Brandstifter geworden. Der baulich ebenfalls wertvolle Kleine Tempel in der Ponavkagasse (Na Ponävce) hat nach dem zweiten Weltkrieg einige Zeit als Möbellager gedient und wurde später abgerissen. Mit ergreifenden Worten gedachte ein Gemeindemitglied, Herr Weber, der 13.000 Brünner Opfer, von insgesamt 150.000 Opfern der Böhmischen Länder, und entzündete die sieben Kerzen des Leuchters, je eine für die Mädchen, für die Jungen, für ihre Mütter und Väter, die sie nicht hatten retten können, für die alten Männer und Frauen, für die jüdischen Helden, die mit der Waffe in der Hand kämpften und fielen — und die siebente und letzte für alle Opfer des nazistischen Mordens. Die Predigt des aus Prag angereisten Oberrabbiners Karol Sidon und die Worte der Gäste wurden von musikalischen Darbietungen der Gruppen Lamalo, Kantilene, und dem von den Brüdern Neufeld gesungenen Lied „Kij lekach tov“ umrahmt. Den Abschluß der eindrucksvollen Feier bildete das von Arnost Neufeld vorgetragene „Kaddisch“. Knappe vierzehn Tage später, am 30. Mai, versammelten wir uns wieder. Diesmal auf Einladung der Brünner Roma. Ebenfalls aus recht traurigem Anlaß. An dem Haus Masnä 3 wurde eine Tafel mit einer Inschrift enthüllt. Sie beginnt mit den Worten Nasti bisteras (Wir können nicht vergessen). Und zwar befanden sich in dem Hoftrakt des Hauses die Pferdeställe der einstigen Protektorats-Gendarmerie, von wo am 7. März 1943 der erste Massentransport der Protektorats-Zigeuner, wie sie sich damals noch nannten, in ein Vernichtungslager abging. „Aus Brünn und Umgebung waren es mehr als 1.000 Personen“, erwähnte der Historiker Petr Lhotsky, und die Direktorin des Roma-Museums, Ilona Läznickovä, fügte hinzu, daß mit dieser Tafel der auf einer entarteten Ideologie basierenden rassistischen Verfolgung gedacht werden solle. Die heute vierundsiebzigjährige Emilie Machälkovä hatte dank guter Nachbarn in der Mährischen Slowakei überlebt, aber dreißig ihrer Verwandten waren aus Auschwitz nicht mehr zurückgekommen. Sie gedachte ihres Großvaters, der ihr das Singen beigebracht hatte, und sang eine seiner ergreifenden Balladen, auf der Geige von Ivan Gaspar Hrisko begleitet. Cenek Ruzicka vom Ausschuß für die Entschädigung der Roma-Opfer des Holocausts erklärte, daß man nun alle Orte der Massendeportierungen von Romas kartografieren werde. Man wolle die Bürgermeister jener Orte ansprechen und sie ersuchen, die Stellen in würdiger Weise zu bezeichnen. Die Roma aus dem böhmischmährischen Raum wurden, so Ruzicka, nach der Verordnung Heinrich Himmlers vom Dezember 1942 deportiert. Von insgesamt 6.500 Personen kehrten aus dem sogenannten Zigeunerlager Auschwitz knappe 500 zurück. Unter den weiteren Rednern auf der Masnä-Straße waren Petr Duchon und die Kulturattaches der amerikanischen und deutschen Botschaften aus Prag. Und noch am selben Tag, in den späten Nachmittagsstunden, fand das dritte und letzte Totengedenken statt. Und zwar am Mendelplatz, wo auf den Tag genau vor 55 Jahren der sogenannte Brünner Todesmarsch seinen Anfang genommen hatte. Die Sdruzeni mlädeze pro interkulturni porozumenf (MIP, Jugend für interkulturelle Verständigung) hatte, wie der Vorsitzende des Verbandes, Ondrej Liska, ausführte, die Vertreter des öffentlichen Lebens dazu aufgerufen, den Odsun (Abschub) der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg zu verurteilen. Den weiteren Ausführungen Liskas war zu entnehmen, daß die Veranstaltung eigentlich recht kurzfristig, auf ein in der Tageszeitung Lidove Noviny veröffentlichtes Interview mit einem heute in Deutschland lebenden Brünner hin, einberufen worden war. Der Aufruf des abseits vomm offiziellen Heimatverband stehenden Rudolf Hawinger, der selbst als Junge jenen berüchtigten Todesmarsch mitgemacht hatte, war auf fruchtbaren Boden gefallen und hatte diese überhaupt erste von tschechischer Seite veranstaltete Gedenkfeier des Todesmarsches initiiert. Unter den weiteren Rednern waren Pavel Kuba, der Stellvertreter des Primators von Brünn, der die Einberufung einer Kommission, die sich mit den Einzelheiten jenes Todesmarsches befassen werde, ankündigte. Es sprachen ferner Hubertus Klink von der deutschen Botschaft Prag, ein Priester und die Vorsitzende des Deutschen Kulturverbandes Region Brünn, Dora Müller, die mit Mitgliedern des Verbandes erschienen war, um sich vor den vielen Opfern, unschuldigen Frauen, Kindern und Greisen, zu verneigen. Es wurde hervorgehoben, daß sich unter den Ausgetriebenen auch so mancher eben erst aus Nazikonzentrationslagern entlassene Antifaschist und rassistisch Verfolgte befand, während sich die tatsächlich Schuldigen beizeiten aus dem Staub gemacht hätten und der verdienten Strafe entgingen. Mit dem Wunsche, es mögen nie mehr Menschen auf Grund ihrer nationalen, religiösen oder rassischen Zugehörigkeit verfolgt werden, schloß die Veranstaltung, bei der auch Milan Uhde, mehrere Abgeordnete, ein Senator, Vertreter