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ausgewählt und eingeübt hat.“ Die Wahl des Stückes sei aber
weniger problematisch als das Niveau der Aufführung: „In
Berlin zum Beispiel wurden im Lustspielhaus serienweise
Schmarren mit Guido Thielscher in der Hauptrolle gegeben, und
das Publikum amüsierte sich königlich. Aber wenn schon ein
Schmarren gespielt wird, dann muß er gut gespielt werden.
Darauf kommt es an. Und das ist leider nicht der Fall gewesen.“
Möglicherweise veranlaßten diese Kritiken Dreifuß, seine
Tätigkeit als Regisseur einzustellen. Während er zunächst wei¬
terhin die Öffentlichkeitsarbeit für das Theater betrieb, über¬
nahm vor allem Walter Friedmann die Inszenierungen.

Neben oder nach der Theaterarbeit der EJAS bestanden meh¬
rere Spielgemeinschaften, die für einen kürzeren oder längeren
Zeitraum zum Teil sehr aktiv und publikumswirksam waren. Die
zahlreichen Aufführungen stellten allerdings nicht einen re¬
gulären Theaterbetrieb mit Spielplänen und Besucherorgani¬
sation dar; sie folgten wohl eher den situativen Möglichkeiten als
programmatischen Anliegen. Neben der von Adolf Breuer initi¬
ierten „Light Opera“ traten die Gruppen „Ensemble“, „Die
Komödie“, „Die sieben Schauspieler‘, der „Thespiskarren“ und
die nach ihrem Gründer und Hauptdarsteller benannte „Sapiro¬
Bühne“ in Erscheinung.

Die „Sieben Schauspieler“ war eine von Österreichern do¬
minierte Spielgemeinschaft, die mit ihren selbstverfaßten
Schwänken vor allem in der Nachkriegsperiode auftraten. Die
sieben wesentlichen Akteure — Jenny Rausnitz, Fritz Heller,
Desiderius Grün, Erwin Engel, Felix Löschner, Leon Plohn
und Erwin Schlesinger — wurden als ein „Wiener Gegenstück“
zum Berliner Herrnfeld-Theater bezeichnet. Nach Dreifuß
mußte man sie „zu jener Art von Darstellern rechnen, die das
Erbe des Wiener Volkstheaters in sich trugen, die Kunst des
Improvisierens meisterlich beherrschten und es verstanden,
auch aus minderwertigen Texten gutes Theater hervorzuzau¬
bern“. Die von den „Sieben Schauspielern“ unter Mitwirkung
weiterer Akteure aufgeführten Lustspiele waren Tante Sali läßt
sich scheiden, Alt Eisig wird tänzerig, Ohne Permit nach
Schuschan und Der Kowedchapper. „Es wäre nun aber völlig
falsch“, so Dreifuß rückblickend, „aufgrund der etwas banal
klingenden Titel auf die Qualität der Aufführungen zu
schließen. Das Gegenteil ist nämlich richtig. Hier wurde zum
Teil ausgezeichnetes Volkstheater gespielt.“

Das Schauspieltheater der EJAS und der anderen Grup¬
pierungen brachte insgesamt über 90 Inszenierungen auf die
Bühne. Deutlich mehr als die Hälfte waren Lustspiele, nur re¬
lativ wenige Stücke sind einem anspruchsvollen, literarischen
Spielplan zuzuordnen. Neben Nathan und König Ödipus wa¬
ren dies Strindbergs Fräulein Julie, Shaws Pygmalion und
Frau Warrens Gewerbe und Schnitzlers Liebelei. Aber auch
diesen Stücken kann, selbst wo sie sozialkritische Ansätze zei¬
gen, nur bedingt eine politische Ausrichtung zugesprochen
werden. Der nachhaltigste Gegenwartsbezug läßt sich für die
Stücke Fremde Erde und Die Masken fallen ausmachen.

In Shanghai entstandene Stücke

Das Exiltheater in Shanghai zeichnete sich durch eine besonders rei¬
che Produktivität von Textvorlagen aus — rund dreißig Stücke, dar¬
unter einige Operetten, entstanden dort. Die meisten dieser Stücke,
häufig nicht zuletzt wegen des Mangels an spielbarer Literatur ge¬
schrieben, dürften mehr oder weniger ausgefeilte Lustspiele gewe¬
sen sein; in einigen Fällen ist aber auch eine Beschäftigung mit den
Gegenwartsproblemen der Emigration dokumentiert.

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Titelseite des Programmhefts der zweiten Inszenierung
von „Die Masken fallen“ vom April 1946
Foto: Wiener Stadt- und Landesarchiv, NL H. Schubert

Unter den in Shanghai verfaßten Spielvorlagen, unter allen dort
überhaupt gespielten Stücken, ragen zwei Dramen hervor, de¬
ren Gegenwartsbezug für die Emigranten von größter
Unmittelbarkeit war. Die Aufführungen von Fremde Erde und
— vor allem - Die Masken fallen waren die zentralen Ereignisse
des Shanghaier Exiltheaters. Diese beiden Stücke, von Hans
Schubert, unter dem Pseudonym Hans Wiener, und Mark
Siegelberg gemeinsam verfaßt, gehören zu den charakteri¬
stischsten Werken der Exildramatik.

Die Masken fallen spielt in sehr realistischer Weise kurz vor
und nach dem 12. März 1938 in Österreich. Christine, die
nichtjüdische Frau des jüdischen Journalisten Paul Brach, will
sich von ihrem Mann trennen und seinen Freund heiraten.
Dieser bedient sich der juristischen Hilfe eines Anwaltes, der
zu den in Österreich illegalen Nationalsozialisten gehört. Noch
bevor die Scheidung vollzogen ist, wird Paul Brach nach dem
Einmarsch der deutschen Wehrmacht verhaftet und in ein
Konzentrationslager verbracht. Christine schiebt die Scheidung
auf und setzt alles daran, ihren Noch-Ehemann freizubekom¬
men. Gezeigt werden die Wandlung Christines, deren Liebe zu
ihrem Mann wieder erweckt wird, die Einschüchterungen
durch den NS-Anwalt und einzelne Szenen aus dem Kon¬
zentrationslager. Unter der Bedingung, daß Christine in die
Scheidung doch einwilligt und sie für ihren Mann die Fahr¬
karten für eine Emigration besorgt, setzt sich der Anwalt für
die Freilassung Brachs ein. Der letzte Akt spielt auf einem
Bahnhof, auf dem Brach, aus dem KZ entlassen, ankommt.
Sein alter Vater will die für ihn gekaufte Fahrkarte nicht an¬
nehmen, um sie Christine zu überlassen. Er begeht Selbstmord,
indem er sich vor einen Zug stürzt, Christine verspricht ihrem
Mann, ihm in die Emigration zu folgen. _

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