Die Uraufführung von Die Masken fallen fand in den Räumen
der britischen Gesandtschaft in Shanghai am 9. November
1940 statt — auf den Tag genau zwei Jahre nach dem No¬
vemberpogrom, bei dem zahlreiche deutsche und österreichi¬
sche Juden in Konzentrationslager verschleppt worden waren.
Das Stück fand begeisterte Zustimmung, wie es in einer
Rezension hieß:
Die Premiere war nicht nur ein großes künstlerisches
Ereignis. Man sah im Zuschauerraum das diplomatische Korps
und ein internationales Publikum, das alles umfaßte, was in
Shanghai Rang und Namen hat. Das Stück wurde mit außer¬
ordentlichem Beifall aufgenommen.
Ein unerwünschter Aspekt der großen Resonanz war eine
wirkungsvolle Drohgebärde nationalsozialistischer Stellen in
Shanghai. Der deutsche Konsul forderte die Absetzung des
Stückes, andernfalls werde es Repressalien gegen noch in
Deutschland befindliche Juden geben. Die - bis Kriegsende ein¬
zige - Aufführung von Die Masken fallen rief aber nicht nur den
Protest nationalsozialistischer Organisationen hervor, sondern
stieß bereits im Vorfeld auf Ablehnung bei den örtlichen jüdi¬
schen Einrichtungen. So wandte sich der Vorsitzende des
,Jewish Refugee Comittee“ in einem Leserbrief gegen die ge¬
plante Vorstellung, weil seine Organisation der Meinung war,
daß alles vermieden werden sollte, was eine Auseinandersetzung
provoziere. Von seiten des Komitees hatte es intensive Bemii¬
hungen gegeben, die Aufführung zu verhindern. Die Vorgänge
um Die Masken fallen zeigen, daß der vielzitierte „Lange Arm“
der Gestapo tatsächlich bis nach Shanghai reichte, sie zeigen
aber auch, daß die offiziellen jüdischen Organisationen eine
nachdrücklich antifaschistische Kulturarbeit aus Furcht vor
Sanktionen ablehnten.
Die zweite Inszenierung von Die Masken fallen in Shanghai
erfolgte im April 1946. Die Publizität des Stückes war wie¬
derum enorm; die Shanghaier Emigranten waren sich der
Aussagekraft dieses Dramas sehr wohl bewußt. In der Re¬
zension Gertrude Herzbergs hieß es:
Alle die deutschen und österreichischen Emigranten und
auch alle anderen Menschen sollten es sehen, auch die, die
vom Hitlerismus nicht betroffen wurden, die die Verlogen¬
heiten, Verwerflichkeiten und Gemeinheiten nicht sahen und
erlebten und vielleicht nicht voll daran glaubten.
Am eindrücklichsten war für Herzberg die Darstellung im
KZ, bei der drei Häftlinge psychisch schikaniert wurden: „Die
Konzentrationslager-Szene ist in diesem Stücke, obwohl wir
selbst viel gesehen, gehört, erlebt haben, obwohl uns in dieser
Hinsicht nichts mehr erschrecken dürfte, die Aufregendste.“
Die eindrückliche Realistik der Szenen im Konzentrationslager
entsprang den eigenen Erfahrungen der Autoren — sowohl
Schubert als auch Siegelberg waren nach der Okkupation
Österreichs in ein deutsches KZ deportiert worden.
Fremde Erde, am 8. und 10. April 1941 aufgeführt, zeigt die
soziale Deklassierung und Existenznot eines nicht mehr jungen
Emigrantenehepaares in Shanghai. Dem Mann, einem Arzt,
fehlen die Mittel, um eine Praxis einzurichten, er kann als
Vertreter nur mühsam Geld verdienen. Seine Frau nimmt eine
Stelle als Bardame an, eine in Shanghai von Emigrantinnen
häufig ausgeübte Tätigkeit. Dabei sollten die Gäste durch
Gespräche zum Konsum animiert werden. Die Frau gibt nach
langem Zögern dem Werben eines reichen Chinesen nach,
wofür sie soviel Geld erhält, daß sich ihr Mann eine Arztpraxis
einrichten kann. Als er erfährt, daß das Geld nicht vom Verkauf
einer Perlenkette stammt, sondern ein Liebeslohn ist, trennt er
sich von seiner Frau und gibt die vom unmoralischen Geld er¬
worbene Praxis wieder auf. Erst nachdem er erkennt, daß sei¬
ne Frau sich nur seinetwegen mit dem Chinesen einließ,
begreift er ihr Handeln und kommt wieder zu ihr.
Fremde Erde behandelte ein „heikles“ Problem, das in ei¬
ner europäischen kleinbürgerlichen Gesellschaft in dieser
Weise kaum hätte vorkommen können. Daß das Thema über¬
haupt diskutiert wurde, lag an den besonderen Lebens¬
umständen in Shanghai. Dabei ist es in gewisser Hinsicht
paradox, daß ein Thema, das einer Situation gesellschaftli¬
cher Nicht-Normalität entsprang, in einem bürgerlich-gesell¬
schaftlichen Rahmen — dem des Theaters — gezeigt wurde,
zumal inhaltlich ein ansonsten tabuisierter „unmoralischer“
Vorgang öffentlich dargestellt wurde, dessen Ablehnung zum