Während der Ghettozeit gab’s diese Wasserverkäufer, die
Wasserstände in Shanghai, schräg rüber von uns war auch ei¬
ner, der heißes Wasser verkauft hat. Man hatte ja selber keinen
Ofen, und damals hatten wir offensichtlich auch noch keinen
elektrischen Kocher. Wenn mein Vater gesagt hat, „Du, hol mal
heißes Wasser“, bin ich über die Straße gegangen und hab
heißes Wasser geholt. Da hatten wir auch keinen speziellen
Behälter, sondern eine normale, große chinesische Schüssel,
offen. Da wurde heißes Wasser reingefüllt, und bin ich damit
balancierend über die Straße zu uns gegangen. Das waren viel¬
leicht dreißig, vierzig Meter Fußweg. Und da ist es einmal pas¬
siert, daß ich gestolpert bin und das ganze Wasser ins Gesicht
und auf den Körper bekommen habe. War eine ganz schlimme
Zeit für mich, und ich weiß, daß mein Vater auch sehr um mich
gebangt hat, also ich war schön verbrüht, das ganze Gesicht.
Da wurden alle möglichen Leute, Chinesen und Deutsche,
Österreicher und alles, Emigranten zur Hilfe geholt. Ich weiß
nur, daß ich sehr lange Zeit in dem Zimmer gelegen habe, wo
wir gewohnt haben, und alle haben mir zu verstehen gegeben,
daß ich vielleicht nicht mehr sehen kann. Ich konnte die ersten
Tage sowieso nichts sehen, war blind, aber das war deshalb so,
weil alles zu war, verbrannt, Blasen. Da hat sich mein Vater
sehr viel Mühe mit mir gegeben, hat alles liegen lassen. Ich bin
geschmiert worden von früh bis spät mit Öl hier am Körper,
aber die Augen, das Gesicht, das war ganz schlimm. Man sieht
nichts mehr.
Im Sommer 1945 wurden einige Luftangriffe auf Shanghai
geflogen. Die Häuser waren so gebaut, daß sie keinen Schutz
bieten konnten. Wenn da eine richtige Detonation ist oder
eine Druckwelle kommt, dann drückt’s die kleinen Häuser
weg. Es gab im Zusammenhang mit diesen Bombardements
auch eine andere Erscheinung, das waren diese
Splitterwirkungen. An den Straßenrändern in der Wayside
Road, seh ich immer noch vor mir, praktisch alle paar Meter,
so als wenn Löcher für Anpflanzungen von Bäumen vorge¬
sehen sind, mußten Löcher ausgegraben werden, und in die
mußte man sich hineinbegeben. Es gab fast immer noch eine
rechtzeitige Sirenenvorwarnung, und dann mußte man sehen,
wie man sich in Sicherheit bringt. Diese Löcher waren nicht
sehr tief, aber man konnte sich reinkauern, zwei Personen,
und dann hat man aus dem Loch raus zum Himmel geguckt
und hat dort großer Höhe die silberfarbenen Flugzeuge gese¬
hen, die immer im kleinen Schwarm kamen. Und wie die
ganzen Luftabwehrkanonen, also die Schüsse dann explo¬
dierten, ich hab das nur einmal gesehen, daß da irgendeiner,
der ein bißl tief gekommen war, vielleicht getroffen war, aber