Yuhang Road aufzustellen. Ein Flügel sollte der Schule dienen,
der andere war für den Klub vorgesehen. Am 7. Dezember
1941 bombardierten die Japaner Pearl Harbor und vernichteten
die amerikanische Flotte. Der Krieg fing an, und es war für den
S.J.Y.A. Club kein Geld mehr vorhanden. Meine Eltern mu߬
ten wiederum eine neue Existenz aufbauen.
Sie planten nun, der schulentwachsenen Jugend eine gründ¬
liche kaufmännische Ausbildung zu geben," und übernahmen
die von einer Amerikanerin geführte Handelsschule, die Gregg
School of Business, mit Vertrag." Am 10. Oktober 1941 er¬
schien in der Chronicle ein kurzer Artikel über die Eröffnung
der Handelsschule. Die kaufmännischen Kurse waren sofort
voll besetzt, bald folgten Kurse in Chinesisch, Japanisch und
Russisch.'’ Meine Eltern hatten ein weiteres Ziel. Dies war die
Einrichtung der ersten Mädchen- und Frauen-Fortbil¬
dungsschule in der Gregg School unter Leitung von Helen
Plohn, einer Wiener Kinderpädagogin und Schülerin von
Maria Montessori."
Ende 1942 beschloß die ORT (Society for Promotion of
Handicrafts & Agriculture for Jews in the Far East), die
Gesellschaft zur Förderung des Handwerks bei Juden,
Lehrlingskurse in Hongkew aufzunehmen. Im Oktober 1942
wurde mein Vater zu einer Besprechung über Lehrlingskurse
für Jugendliche eingeladen und im Dezember 1942 von Herrn
Rozenbes und Herrn Kopeliovic vom ORT Komitee um
Vorschläge und Anregungen gebeten.” Obwohl mein Vater
zwischen Herbst 1941 und September 1943 mit dem Aufbau
der Gregg School sehr beschäftigt war, wurde er Mitglied des
Jugend-Dezernats der Jüdischen Gemeinde, ehrenamtliches
Mitglied der Schätzungs-Kommission und provisorischer
Obmann der Berufsgruppe Lehrer.”
Nach Kriegsbeginn, wurde eine Einkreisung der Emi¬
granten durch die Japaner immer spürbarer. Die Joint¬
Vertretung in Shanghai war nicht mehr imstande, ohne
amerikanische Hilfe die verarmten Emigranten weiter zu be¬
treuen. Die Jüdische Gemeinde mußte jetzt einen Weg finden,
um raschest Hilfe für die Mittellosen zu schaffen. Der Aufruf
für die Winterhilfe mußte zunächst für die japanische Zensur
übersetzt werden. Mein Vater tat dies für die Gemeinde, und
der Aufruf erschien am 11. Januar 1942.°'
Am 20. Januar 1942 bekam mein Vater ein Dankschreiben
vom Kulturdezernat der Jüdischen Gemeinde für seine Über¬
setzung einer Predigt des Gemeinderabbiners Teichner, die die¬
ser anläßlich eines Sondergottesdienstes im Jewish Club halten
sollte. Diese Predigt mußte ebenfalls in englischer Überset¬
zung eine Woche vor der Abhaltung den japanischen Behörden
vorgelegt werden.22
Im Juli 1942 mußten alle Emigranten ein Volkszählungs¬
formular ausfüllen, welches uns bis zum Kriegsende begleite¬
te; jeder Wohnungswechsel, jede Geburt und jeder Todesfall in
der Familie mußte auf dem Formular eingetragen werden.
1943 wurden die Zertifikatnummern der Resident Certificates
mit dem gelben Streifen ebenfalls auf dieser Pao Chia Census
Form eingetragen. Auf der Rückseite dieses Formulars war der
„Mutual Guarantee and Mutual Responsibility Bond“ mit
Stempel von der Jüdischen Gemeinde, wodurch die Gemeinde
Bürgschaft und Verantwortung für alle Gemeindemitglieder
übernehmen mußte.”
Im Oktober 1942 übersiedelte die Gregg School in die noch
nicht fertigen Räume in der Kwenming Road. Da die Schule
während des Wochenendes geschlossen war, wollten meine
Eltern etwas für die verarmten und verzweifelten Intellek¬
SHANGHAL 21.1. 19
805 EAST SEWARD ROAD, HOUSE 5
TELEPHONE 50192
Herrn Professor Deman
Loeal _
3elr gechrter Herr Professor Deman !
ı Ihnen persoenlich davon Keuninis gegeben habe,das
a5 ‚auf meinen Vorschlag als Mitglied des
| Ju nates bestaetigt hat,will ica Thién der “ordi
1 eier Wöch schriftlich zum Ausdruck bringen,
Ich darf daher der Erwartung Ausdruck/,dass Sie die Berufung
i i verantwortungsvolle Amt annehmen und bitte Sie
‚mir Ihren zustimmenden Bescheid umgehend zukommen zu
lassen. |
: Hochacht ungsvoll 4
PaSZuediyche Gemein
INDE. 9 la Steinhardt
Foto: Sammlung Joan R. Deman
tuellen tun. Die Buchhandlung Vogel lieferte Biicher, der
„Reklame Haase“ Zeitungen und Zeitschriften. So entstand die
erste Lesehalle der Emigration.”
Die Gregg School entwickelte sich zum Gregg College.
Vormittags fanden Handels- und Sprachkurse statt, nachmittags
und abends Fortbildungs- und Volksbildungskurse und -se¬
minare.”
Obwohl Herr Kadoorie die neue Schule in der East Yuhang
Road der Jüdischen Gemeinde übergeben hatte, war diese nach
1943 außerhalb der „Designated Area“. (Die Japaner nannten
es nie Ghetto.) Deshalb, über Anregung meines Vaters, ent¬
schloß sich das Kulturdezernat der Jüdischen Gemeinde ein
Volksbildungsinstitut, die „Shanghai Urania“, ins Leben zu ru¬
fen. Die Kurse fanden anfangs in der Gregg School/Gregg
College statt.” Das Asia-Seminar begann ebenfalls in der
Gregg School/Gregg College. W.Y. (Willy) Tonn kam Ende
1943 zu meinen Eltern mit seinem Plan für das Asia-Seminar.
Meine Eltern waren sofort bereit zu helfen, und im Frühjahrs¬
Semester 1944 fing das Asia Seminar im Gregg College an.”
Der Winter 1944 war schwer für die Emigranten und für das
Gregg College. Verschärft wurden die Probleme durch einen
Kohlenmangel. Elektrischer Strom wurde auf einen Verbrauch
von 3 1/2 Kilowatt pro Monat eingeschränkt und Überschrei¬
tungen schwer bestraft. Außerdem wurde die Wasserleitung ge¬
sperrt, das Wasser mußte vom Brunnen in der Lane geholt
werden. Die Stromeinschränkungen trafen das Gregg College
besonders hart. Anfangs versuchten es meine Eltern mit
Acetylenlampen, mußten es aber wegen der unerträglichen
Rauchentwicklung aufgeben. Schließlich kauften sie zwei Ol¬
dochtlämpchen für jeden Schultisch. Das Arbeiten und Lesen
war sehr schwer unter diesen Umständen, trotzdem strömten
die Schüler weiterhin in die Klassen.”
Shanghai liegt auf einem Sumpf. Es gab keine Unterstände,
und die Emigranten waren daher den amerikanischen Bomben¬
angriffen ohne jeden Schutz ausgesetzt. Das Gregg College lag