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(Untermalung Musik: „Ein Freund, ein guter Freund“)

O-Ton Ted:
We still had those little restaurants where you could get a glass
of water for 50 cents, because you couldn’t drink the water
otherwise. We still had the restaurants, we still had the little
coffee-houses, we still had the theatre in spite of the fact that
it was confined in a ghetto.

(Musik/Gesang: „Ein Freund, ein guter Freund“)

Info-Sprecherin:
Die Menschen, die nach Shanghai kamen, hatten wohl noch nie
zuvor eine derartige Sehnsucht nach geistiger Ablenkung emp¬
funden. Aber wo waren die Künstler, die unter den hiesigen pri¬
mitiven Verhältnissen in der Lage waren, einem so unter¬
schiedlichen Publikum etwas zu bieten? Gewiß war man sich
bewußt, daß man keine Vergleiche ziehen durfte, aber es sollte
doch zumindest die Illusion eines Theaters geschaffen werden.
So kam es, daß sich die ersten hier gelandeten Künstler mit dem
Speisesaal des Ward Road Heims begnügen mußten, bis schließlich
Willi Mann im wiedereröffneten Broadway-Theartre einen
Kabarettabend aufzog. Bald mußte man die Vorstellungen auf die
Nacht verlegen, da der Kinobesitzer den Raum am Abend nicht ver¬
pachten wollte. Das Publikum strömte ins Broadway-Theatre, es
füllte die inzwischen eröffneten Lokale, die sich in bunten Aben¬
den überboten. Schließlich veranstaltete die „Shanghai-Woche“
ihren ersten Abend auf dem neuen Dachgarten ,,Mascot“, der zum
ersten Male Foreigners wieder in Hongkew sah.
Anfang ’42 startete Robert Weiss in seinem „Die Bühne“ be¬
nannten Unternehmen Schnitzlers Fräulein Julie und Walter
Friedmann versuchte im Ensemble „Die Komödie“ ein Kollektiv,
das unter anderem mit der Eisler-Operette Hanni geht tanzen ei¬
nen großen künstlerischen Erfolg verbuchen konnte. Aber leider
blieben die finanziellen Erfolge aus, und so stehen wir zu Beginn
des Herbstes 1942 eigentlich ohne Theater da.

(Musik: „Irgendwo auf der Welt“)

O-Ton Ted:
Ich sprach von dem großen Werk, das in Hongkew gemacht wur¬
de, nämlich daß aus den Ruinen eines zerschossenen chinesi¬
schen Stadtteil eine deutsche Mittelstadt gebaut wurde. Nun,
stellt euch das nicht vor, daß das nun so aussah wie in Weimar
oder wie in Erfurt, denn wir haben schließlich und endlich doch
nur mit den chinesischen Häusern, in zerschossenen Häusern ar¬
beiten müssen, und dort haben wir allerlei aufgebaut in dem
Ghetto. Aber wir haben uns das so nett gemacht wie wir konnten.

(Musik/Gesang: „Irgendwo auf der Welt“ [Lilian Harvey])

O-Ton Ted:
Wäre es nicht das Ghetto gewesen, hätte ich meine Frau
nie kennengelernt. Da war ich an einem Tag mit einem Freund
von mir auf der Straße, und da habe ich sie auf der anderen Seite
der Straße gesehen. Ich hatte sie nicht gekannt, denn ich konn¬
te nicht alle 20.000 Leute kennenlernen, und auch nicht, weil sie
ja ziemlich spät aus England gekommen ist, und da hab’ ich
meinen Freund gefragt: „Who is this Braut over there?“

(Musik)

O-Ton Ted:
Und mein Freund hat gesagt: „Das ist die Langer, die Tochter
von Dr. Langer, dem Richter.“ Und durch eine befreundete
Familie haben wir uns kennengelernt und eines Tages, und das
hat sie mir nie vergessen, war ich in ihrem Haus, wie ein airraid,
wie ein Luftalarm kam, und da haben wir beide uns geduckt un¬
ter einer Treppe, die sicher war, und da hab’ ich zu ihr gesagt:
„Wenn der Krieg zu Ende ist, und wenn ich meinen Job wieder
habe, und wenn ich dich dann fragen würde, ob du mich heira¬

test, was würdest du dann sagen?“ Bis zum heutigen Tag hat sie
mir nicht vergessen, daß ich sie nie mehr danach gefragt habe.
(Lied: „Ein Lied geht um die Welt“)

Ulrike Ottinger, geb. 1942 in Konstanz, studierte an der Mün¬
chener Kunstakademie, lebte 1962-69 als Malerin in Paris,
gründete danach in Konstanz ein Galerie und einen Filmclub
und begann in den 1970er als Filmregisseurin zu arbeiten.
Seitdem entstanden zahlreiche Filme teils surreal-phantasti¬
scher, teils ethnographisch-dokumentarischer Art wie „Madame
X - eine absolute Herrscherin“ (1977), „Bildnis einer
Trinkerin“ (1979), „Johanna d’Arc of Mongolia“ (1988) und
„Jaiga“ (1992). Daneben übernahm Ulrike Ottinger viele
Inszenierungen an deutschen und österreichischen Theatern und
hatte zahlreiche Ausstellungen von Film- und Fotoarbeiten in
verschiedenen Ländern. — Der hier gedruckte Auszug aus „Exil
Shanghai. Eine Hörmontage“ ist der vollständige dritte Teil, der
am 21.1. 1998 im Südwestfunk erstmals gesendet wurde. Über
den Film von Ulrike Ottinger schreibt auch Simon Wachsmuth
in seinem Beitrag zu dieser Ausgabe.

Das letzte

grosse: kuanstlerische Ereignis der Emigration

Die Raeumlichkeiten wurden freundlicherweise von der” RA
: kostenlos zur Verfuegung gestellt. 4

Rechtzeitige,..Fisehr eservierungen

The New Soy C0, 668 East Seward Road ME 4

Fast zwei Jahre nach dem Ende des Pazifik-Krieges wird am

15. Juli 1947 als „Das letzte große künstlerische Ereignis der
Emigration“ eine Veranstaltung zur Abreise von Kurt Lewin und
Berthold Metis angekündigt. Unter den Mitwirkenden sind
zahlreiche prominente Künstler des Shanghaier Exiltheaters.
Sammlung W. Friedmann

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