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Geheimer Krieg in Shanghai Secret War in Shanghai ist eine kollageartig aufgebaute, spannende Lektüre, die - anhand von detaillierter Quellenarbeit — etwas Licht in die Machenschaften einer äußerst zweifelhaften, weil skrupellosen Gesellschaftsschicht dieser fernöstlichen Hafenmetropole eindringen läßt. Der Autor bietet keinen kontinuierlichen Handlungsablauf - ein Unterfangen, daß auf Grund des komplexen Themas auch kaum möglich wäre, sondern versucht in einer Art Collage dem babylonisch anmutenden Chaos — bestehend aus Spionage und Gegenspionage, Sabotage, Propaganda, Intrige, Erpressung, Entführung, Mord, Drogenhandel und Prostitution — eine zeitliche wie inhaltliche Struktur zu geben. Es gelingt ganz gut, sieht man von einigen Aspekten und Fakten ab, die der Autor unverständlicherweise außer acht gelassen hat. Geführt wurde dieser geheime Krieg von Spionen und Agenten. „Spione wurden für ihre Arbeit bezahlt, Agenten nicht“, lautet eine der vielen ungeschriebenen Regeln dieser Profession über die der Autor den Leser nicht informiert. Während ein Agent sich seine Informationen erst erarbeiten mußte, befand sich der Spion bereits an der Quelle. Der Agent leistete sozusagen die Drecksarbeit. Der Spion avancierte — dank Literatur und Film — zum Abenteuerhelden. Der vielleicht berühmteste Spion des zweiten Weltkrieges — Richard Sorge — lebte und arbeitete längere Zeitin Shanghai. Sein größter Coup war seine Warnung an Stalin von der bevorstehenden Invasion der Sowjetunion durch die Deutschen Truppen. Bald darauf, im Oktober 1941, wurde er von den Japanern verhaftet, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Seinen nachhaltigen Ruhm verdankt er zu einem erheblichen Teil der kommunistischen Nachkriegspropaganda, die ihn in den Olymp der Meisterspione aufsteigen ließ. Die Wahrheit über seine tatsächlichen Motivationen und Tätigkeiten bleibt wohl auf ewige Zeiten dem sumpfigen Boden Shanghais vorbehalten. Der Wiener Hermann Erben war Agent. 1897 in Wien geboren übersiedelte er 1924 — mit einem Rockefeller Stipendium in der Tasche — nach den USA. Er wurde Staatsbürger der Vereinigten Staaten und lebte ab 1926 das Leben eines kriminellen Abenteurers. Wo er Geld roch da fuhr er hin: auf Goldsuche nach Neu Guinea, zum Opiumschmuggel nach Kalkutta weiter nach Palästina, Südamerika und China. In seiner Funktion als Schiffsdoktor schmuggelte er einst 1100 Affen nach New York, bereiste mit seinem Freund Errol Flynn Spanien, wo er als Agent für die Franko Truppen in Erscheinung trat und wurde (Mai 1938) Mitglied der NSDAP. In Shanghai verdingte er sich als drogendealender Naziagent und versuchte dabei alliierten Seeleuten Informationen zu entlocken. Eher erfolglos, denn die letzten zwei Jahre des Krieges verbrachte er in einem japanischen Gefangenen82 lager. Ob dies im Auftrag der in Shanghai weilenden Nazis bzw. Japaner (um Alliierte Gefangene zu bespitzeln) geschah oder weil sogar die Vertreter der Axenmächte ihn los werden wollten ist nicht wirklich klar und auch unwichtig. Erben war ein unbedeutender, kaltblütiger, widerwärtiger, sich als Agent völlig überschätzender und daher gefährlicher Charakter und davon gab es, laut Wasserstein, Viele. 1973 verlieh Bundespräsident Franz Jonas (laut profil Nr. 18, 30. April 1984), auf Antrag von Ministerin Ingrid Leodolter, Hermann Erben das Goldene Verdienstkreuz der Republik Österreich für Verdienste, die er sich (angeblich) als (Amateur) Arzt in exotischen Regionen, von den Pygmäenreservaten Australiens bis zu den Leprakolonien Ostasiens, erworben hatte. Im Angesicht der in diesem Buch publizierten Fakten erscheint diese Verleihung als die für Österreich in den 1970er Jahren typische Art der Vergangenheitsbewältigung. Zu einer Zeit in der ehemalige Mitglieder der Nationalsozialistischen Partei in der sozialistischen Kreisky Regierung wie auch in der Opposition keine Seltenheit waren. Seinen Lebensabend verbrachte Hermann Erben in Wien, wo er 1985 eingefroren in seiner ungeheizten Wiener Wohnung aufgefunden wurde. Ein wahrlich nicht unpassendes Ende. Das Thema der jüdischen Kollaborateure, Nutznießer und Wendehälse hat Wasserstein leider nur ganz am Rande und völlig unzureichend bearbeitet. Dabei wäre hier auch einiges zu berichten gewesen. Ossi Lewin, Herausgeber des Shanghai Jewish Chronicle war zumindest eine fragwürdige Persönlichkeit der Emigration, wenn nicht mehr. Während alle anderen jüdischen Publikationen nach der Proklamation (am 18. Februar 1943 ordneten die japanischen Machthaber die Umsiedlung aller staatenlosen Flüchtlinge (= Juden) in eine Art Getto im Bezirk Hongkew an) verboten wurden, gelang es Ossi Lewin (einem aus Galizien stammenden zionistischen Wiener Juden) sich die Gunst der Japaner zu sichern. Allein die Tatsache, daß Ossi Lewin mit seinem Shanghai Jewish Chronicle schamlose Axenpropaganda betrieb (ob gewollt oder gezwungen spielt hier weniger eine Rolle) machte ihn zum Agenten der Japaner und daher zu einem Pflichtcharakter für dieses Buch. Nach dem Krieg verweigerten ihm die USA wie auch Israel — aufgrund seiner pro-japanischen Tätigkeiten — die Einreise. Wasserstein gibt in der Bibliographie alle relevanten und bekannten Quellen zum Thema Ossi Lewin und Shanghai Jewish Chronicle an, verabsäumt es aber im Text des Buches in irgendeiner Art und Weise darauf kritisch einzugehen. Die Frage nach dem „warum“ bleibt, so wie viel Aspekte des geheimen Krieges in Shanghai, unbeantwortet. Paul Rosdy Bernhard Wasserstein: Secret War in Shanghai. Boston, New York: Houghton Mifflin 1999. Reprint der Emigrationszeitschrift aus Shanghai Gelbe Post. Ostasiatische illustrierte Halbmonatschrift Reprint der Shanghaier Exilzeitschrift von 1939 mit einer Dokumentation von Paul Rosdy Hg. v. Adolf Josef Storfer 320 S. , DM 42,-, ATS 298,-, EUR 22,— ISBN 3-85132-210-X vane, ta ı.un wer un GELBE, POST OSTASIATISCHE MLUSTRIEDIE HALDMONATSSCHBIFT HEDAUSEFBER: A. 3. STORFER Die er in einem Bunde vereinigten Hefte 1:7. der "Gelben Pose" enchalen al 160 eng beiruckten Selten cows 100 Aufsätze und 150 Abbildungen über Eirichtungen, Vorgänge, Sieren, Gebrtuchs, einzelne Persönichketen und allgemeine Typen men tt ui rer in Shanghai, in China, Japan, Korea, Mandschurien usw. aktuelles Ostasien-Album Preis m Areca US. $158 in Grossbritannien 5h. b= sonst in Eurapa schein. rs 4 Die Gelbe Post — eine deutschsprachige Shanghaier Exilzeitschrift — wird mit dieser Ausgabe als Reprint wieder zugänglich gemacht. Die Zeitschrift wurde 1939 gegründet und herausgegeben von Adolf Josef Storfer (1888-1944), der von 1925 bis 1932 als Direktor des »Internationalen Psychoanalytischen Verlages« Mitherausgeber der »Gesammelten Schriften« Sigmund Freuds gewesen war. Er selbst schrieb zwei Bücher über linguistische Fragen. Die Gelbe Post erschien zwei Mal pro Monat und setzte sich ebenso mit asiatischer Kultur, Psychoanalyse und Linguistik auseinander wie mit dem alltäglichen Überlebenskampf in Shanghai. Dieses einzigartige Magazin spiegelt das kosmopolitische und koloniale Leben im Shanghai der späten 30er Jahre, einer Stadt, in die man ohne Paß und Visum einreisen konnte und die tausenden jüdischen Flüchtlingen aus Europa ebenso Zuflucht bot wie zweifelhaften Existenzen und Geschäftemachem aus allen Ecken der Welt. Der Reprint vereint die sieben Halbmonatshefte, so wie sie Storfer noch selbst in einem Band zusammengefaßt und angeboten hat, bevor er (vergeblich) versuchte, die Gelbe Post als Tageszeitung zu führen. Die Ausgabe eine Dokumentation von Paul Rosdy über Adolf Josef Storfers Jahre im Exil. With this publication, the Gelbe Post, a German-language emigrant periodical in Shanghai, is available for the first time as a reprint. Adolf Josef Storfer (1888-1944) founded the Gelbe Post in 1939, after fleeing the Nazis for Shanghai. Prior to emigrating to China, Storfer was the co-publisher of Sigmund Freud's »Gesammelte Schriften« (collected writings) as director of the »Internationaler Psychoanalytischer Verlag« (International Psychoanalytic Publishing House) in Vienna (1925-1932). He was also the author of two books on linguistics. The Gelbe Post was a semi-monthly magazine that explored connections between Asian cultures, psychoanalysis and linguistics, and discussed the struggles of life in Shanghai. This unique magazine mirrors the cosmopolitian and colonial life of late 1930s Shanghai, a city in which one could enter without a passport or visa, and was a haven for thousands of European Jewish refugees, as well outcasts and moneymakers from all corners of the world. This reprint presents the first 7 issues of the Gelbe Post exactly as Storfer published them before changing the format of his periodical into a newspaper in late 1939. A booklet by Paul Rosdy about A.J.Storfer's years in exile is also included.