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hat er das Institut aus postfaschistischem Dämmerzustand (der jedenfalls noch in den frühen 1970er Jahren zu merken war) herausgeführt), was ihm vielleicht gar nicht schwer fiel, da er ja mit Liebenswürdigkeit, Aufmerksamkeit und Klugheit reichlich ausgestattet ist. (Auch Menschen, die im Grunde glücklich sind, können das Richtige tun.) Nur nebenbei: Wir danken Doppler dafür, daß er die Theodor Kramer Gesellschaft durch seine Mitgliedschaft unterstützt. Leo Bretholz/Michael Olesker: Leap Into Darkness. Seven Years on the Run in Wartime Europe. Baltimore, Maryland: Woodholme House Publishers 1998. 273 S. USD 23,95 Von dem Buch existieren bereits eine Taschenbuchausgabe bei Doubleday (1999), eine englische Ausgabe bei Constable (1999) und eine Übersetzung ins Niederländische (2000). George Hermann Hodos: Schauprozesse. Stalinistische Säuberungen in Osteuropa 1948 — 1954. Berlin: Aufbau Taschenbuch 2001. 404 S. ÖS 145,-/Euro 10,-/DM 19,90/SFr 18,70 Evelyn Deutsch-Schreiner: Theater im ‚Wiederaufbau’. Zur Kulturpolitik im österreichischen Parteien- und Verbändestaat. Wien: Sonderzahl 2001. 412 S. Lipej Kolenik: Für das Leben, gegen den Tod. Mein Weg in den Widerstand. Aus dem Slowenischen von Erwin Késtler. Klagenfurt/Celovec: Drava 2001. 256 S. OS 283,-/ DM 38,80/SFr 35,— Wolfgang Mönninghoff: Enteignung der Juden. Wunder der Wirtschaft. Erbe der Deutschen. Hamburg, Wien: Europa Verlag 2001. 304 S. ÖS 288,-/Euro 19,90/DM 39,50/SFr 35,80 Soma Morgenstern: Kritiken. Berichte. Tagebücher. Hg. und mit einem Nachwort von Ingolf Schulte. Lüneburg: Verlag zu Klampen 2001. 775 S. Euro 64,-/DM 128,-/SFr 108,— Elfter und abschlieBender Band der monumentalen Morgenstern-Ausgabe in Einzelbänden, die seit 1994 mit großem Erfolg (teilweise inzwischen in Taschenbuchausgaben erhältlich) ediert worden ist. Eginald Schlattner: Rote Handschuhe. Roman. Wien: Franz Zsolnay 2000. 601 S. OS 364,-/ DM 49,80/Euro 24,90 Pedro Waloschek: Das Volkshaus Riesa und sein Architekt. Eine Informationsschrift. Hamburg: Atelier OpaL Productions 2001. 119 S. DM 17,60/Euro 9,— Der 1899 in Wien geborene und 1985 in Wien verstorbene Architekt Hans Waloschek, dessen Arbeiten dem Baushaus-Stil zugezählt werden, war 1928-32 in Dresden tätig (vgl. Norbert Weiß’ Artikel „Waloschek(s) Weg“ in MdZ Nr. 2/1999, 5. 64f.). Einem seiner Hauptwerke, dem Volkshaus Riesa (in der gleichnamigen Stadt bei Dresden), ist die vorliegende Broschüre mit Beiträgen von Heike Berthold, Jutta und Pedro Waloschek, Russell Bevington (Architekturhistoriker) gewidmet. Ergänzt wird die Broschüre durch ein Faksimile der aus Anlaß der Eröffnung des Hauses 1930 gedruckten Festschrift. Initiiert wurde der Bau durch den deutschen Gewerkschaftsbund; die verschiedensten sozialdemokratischen Arbeiterorganisationen schlossen sich zu seiner Finanzierung in einer Ges.m.b.H. zusammen. Drei Jahre später ging das Volkshaus vermutlich in die Verfügung der Deutschen Arbeitsfront über, um dann 1945 als Eigentum der NSDAP oder einer ihrer Nebenorganisationen von der sowjetischen Besatzungsmacht beschlagnahmt zu werden und als Kaserne zu dienen. Heute ist der verwahrloste Bau Eigentum der Stadt Riesa und harrt einer Sanierung, für die private Investoren gewonnen werden sollen. Diese aktuelle Stituation, in der die Frage der Sanierung ungeklärt und die Gefahr der Demolierung nicht gebannt scheint, ist aktueller Grund der Publikation. Der Architekt Hans Waloschek und der Gewerkschaftssekretär Alfred Kiß, die in der Realisierung des großen Vorhabens freundschaftlich zusammengewirkt hatten, fanden sich im Exil wieder, Kiß in England, Waloschek in Argentinien. Ein im Anhang reproduzierter Brief Ki’ aus Bristol an den Freund in Buenos Aires erzählt davon. „Alle Kulturwerte wurden zerstört ... ©, beklagt Kiß die NS-Herrschaft. Es darf nicht vergessen werden, daß gerade die von der Arbeiterbewegung geschaffenen „Kulturwerte“ in besonderem Ausmaß der Zerstörung anheimfielen. Und diese Zerstörung bis heute andauert. Franz Zeder: Thomas Mann in Österreich. Siegen: Carl Böschen Verlag 2001. 382 S. ÖS 495,-/DM 72,-/SFr 68,— Zeitschriften Nestroyana. Blätter der Internationalen Nestroy-Gesellschaft. 21. Jg. (2001), Heft 12.958. Mit einem Aufsatz von Horst Jarka, „Nestroy im Exil“ (42-71), der die eminente Bedeutung Nestroys als der eines Garanten von Identität fiir die aus Österreich Exilierten darstellt, eine Frage, die bislang erst in P. Roesslers und K. Kaisers „Dramaturgie der Demokratie“ angerissen ‚wurde. S. 63-71 listet Jarka AufFührungen in Argentinien, Australien, Bolivien, England, Mexiko, Schweden, der Schweiz und den USA auf. Wespennest. Zeitschrift für brauchbare Texte und Bilder. Nr. 123. 118 S. ÖS 140,Unter dem hochtrabenden Titel „Das Elend der österreichische Ideologie“ will der Philosoph Burghart Schmidt eine „Typologie des NeoChauvinismus“ ergründen; tatsächlich geht es ihm darum, anderen, so Karl-Markus Gauß, am Zeug zu flicken. Gauß’ satirische Überspitzung, die KritikerInnen der österreichischen Lebenslüge (des Opferstatus’ Österreichs laut Moskauer Deklaration vom 1.11. 1943) gebärdeten sich, als hätte Österreich im Jahre 1938 Hitlerdeutschland überfallen und in einen Vernichtungskrieg gezwungen (und nicht umgekehrt), ist für Schmidt ein „blöder Witz“, denn 1939 schon „konnte das ‚kleine’ Österreich per Waldheimscher Pflichterfüllung sehr wohl über die Welt mitherfallen.“ Nicht über die „Welt“ schlechthin fiel man her: Überfallen wurden die Tschechoslowakei, dann Polen, Norwegen, Belgien, die Niederlande, Frankreich, Dänemark, Jugoslawien, Griechenland und schließlich die Sowjetunion; daraus wurde ein Weltkrieg, den die nationalsozialistische Führung eigentlich vermeiden wollte. Ähnlich ungenau fährt B. Schmidt fort, wenn er Waldheim, Brunner, Seyß-Inquart, Rauter mit einem Atemzug als Kriegsverbrecher herzählt und die Tirade mit den Worten schließt: „Denken wir an die Untersuchungen von Erika Weinzierl.“ Dieser Satz offenbart bloß, daß Schmidt nicht weiß, was Erika Weinzierl untersucht hat. Nachdem Schmidt noch nachgeschoben hat, daß „Hitler mental in Österreich geprägt worden“ und darum „eine mentale Zündung zum Dritten Reich und seinem Weltkrieg ... aus Österreich“ gekommen sei, kommt er zum Kern der Sache: „Gauß schiebt nur alles in eine schiefe Perspektive, offensichtlich damit es [Bundeskanzler Wolfgang] Schüssel in seinem ideologischen Stand helfe.“ Schludriger ist wohl kaum je eine Anschuldigung erhoben worden. Und so fährt Schmidt denn gleich fort: „Ich schicke voraus, ich übertreibe!“ Was der „ideologische Stand“ Schüssels sei, erfährt der Leser im folgenden nicht mehr, und auch nicht, was Schmidt unter Chauvinismus versteht. Vorgeführt wird — stramm, stramm, stramm, alle über einen Kamm! — ein Panoptikum des „Austrochauvinismus“: Alfred Pfabigan, Norbert Leser, Konrad Paul Liessmann, Rudolf Burger, Klaus Zeyringer, Günther Nenning. In solch kunterbunter Gesellschaft scheint mir nur der Name Burghart Schmidt zu fehlen. Karl-Markus Gauß, ein langjähriger Freund, ist durchaus selber imstande, sich zu wehren. Als Elfriede Jelinek Gauß Anfang dieses Jahres mit Jörg Haiders Kulturberater Andreas Mölzer auf eine Stufe stellte, nahm ich’s nicht ernst, weil ich Jelineks Aussage für eine leichtfertige Übertreibung hielt. Nun wird das alles mit pseudotiefem Bierernst wiederholt. Ich möchte, nur um den Wahnsinn, der da im Gange ist, deutlich zu machen, daran erinnern, daß Gauß einer der ersten war, der Theodor Kramer wiederentdeckte, mit „Tinte ist bitter“ ein Buch über österreichische ExilautorInnen schrieb, die ein Burghardt Schmidt nicht einmal dem Namen nach kennt, in einer früheren Phase auch am „Lexikon der österreichischen Exilliteratur“ mitarbeitete und sich vor allem stets gegen jenen österreichischen Chauvinismus stemmte, der gleichermaßen aus dem Gefühl der Zugehörigkeit zu den „reichen“ Nationen wie aus der Furcht entsprang, von den „reichen“ Nationen nicht als gleichwertig anerkannt zu werden. — K.K. 85