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schiedene Identifikationsangebote die Menschen in der Krise der Moderne an sich zu binden und über autoritäre und sadistische Orientierungen zu verführen sucht. Da der soziale Wandel der sozialdemokratischen und der christlichsozialen Partei mit ihrem klientelistischen Politikbegriff die soziale Basis entzieht, veränderte sich die Politik in Richtung Besetzung von Politikfeldern: Die Grünen haben mit ihrer ökologischen Politik die Zerstörung der Lebensgrundlagen aufgegriffen. Und die FPÖ hat es verstanden, eine in Europa außergewöhnliche Reaktivierung einer rechtskonservativen Partei herbeizuführen. Sie hat es geschafft, unternehmerische Schichten mit sogenannten Modernisierungsverlierern zusammenzuspannen und die Angst vor dem realen, gewaltigen Modernisierungsschub in eine irrationale Politik der Sicherheit und der Abwehr umzumünzen. In einem sich internationalisierenden und neoliberal modernisierenden Europa konnte eine Politik des wärmenden und schützenden Eigenheims, die alle Anfechtungen dieses Selbstbildes aggressiv abwehrt, erstaunlich erfolgreich werden. Ottomeyer analysiert die Haidersche Inszenierung von Politik, die in die Darstellung von verschiedenen politischen Rollen zerfällt. Haider geriert sich als Robin Hood gegen die Mächtigen, wobei die Mächtigen nur im Staat zu finden sind. Daß der „kleine Mann“, von der „kleinen Frau“ wird ohnehin nicht geredet, in seinen Lebensverhältnissen nicht direkt von ,,Bonzen“ geknechtet wird, sondern Befreiungs- und Reformversuche unter komplexeren Bedingungen stehen, wird bewußt außer acht gelassen. Die unterwerfende Rede vom „kleinen“ Mann erniedrigt und beleidigt die Menschen auf mehrfache Weise noch einmal, da sie selbständige Initiative oder gar Emanzipation nicht einmal denkt. Der männliche Sportler Haider bietet insbesondere Männern ein gerne angenommenes Identifikationsangebot, das den „survival of the fittest“ feiert. Und eine kontraphobische Männlichkeit aus Angst vor dem Weiblichen ist dieser Inszenierung eingeschrieben. Die Angst vor den in den letzten Jahrzehnten selbstbewußter auftretenden Frauen führt zur Kreation des attraktiven sportlichen NeoMachos, der nun wieder erotische Faszination auf wenig selbstbewußte Frauen und vor allem auf schwache Männer ausübt. Mit diesem auch psychologisch trainierten „natürlichen“ und „erotischen“ Politiker lassen sich einige Elemente aus Freuds „Massenpsychologie und Ich-Analyse‘“ demonstrieren, was Ottomeyer auch tut. Ich konnte vor zwei Jahren auf einer FPÖParteiversammlung in Klagenfurt die inszenierte emotionale Verschmelzung der Masse mit dem „Führer“ beobachten. Dabei war die „Unpünktlichkeit“ des „Führers“ die gestaltende Achse. Vor dem Erscheinen „Jörgs“ ödeten inkompetente und der Rede kaum mächtige FP-Landespolitiker das Publikum, das sich mit Unterhaltungen über die Zeit der Versagung rettete. Erheblich „verspätet“ zog 84 dann Haider ein, worauf das schon ermattete Publikum endlich Begeisterung zeigen konnte. Und dann verstand es Haider über Scherze aller Art und Herabsetzungen der politischen Feinde die Emotionen des Publikums regelrecht zu kneten, bis es sich mittels gezielt eingesetzter Spannungs- und Entspannungsmomente nach ca. eineinhalb Stunden befriedigt zeigte. Über die Teilfiguren des Robin Hood, des männlichen Sportlers und des BierzeltSozialisten verfügt Haider flexibel und kontrolliert, als „Erbe der Soldatengeneration“ gerät er immer wieder aus der Fassung. Diese Teilfigur ist offensichtlich nicht nur Inszenierung, sondern ein, wenn nicht der Kern seiner Identität. Ottomeyer geht von der These aus, daß Haider „ziemlich unfrei als ein ‚gebundener Delegierter’ und ‚Rehabilitationsbeauftragter’ seiner Eltern ... auf der politischen Bühne Österreichs agiert“ (S. 69). Haider wurde in eine Familie geboren, die wegen nationalsozialistischer Betätigung zu Beginn der Zweiten Republik sanktioniert war. (Vielleicht will er auch darum immer wieder eine „Dritte Republik‘ ausrufen.) Der Vater war als Nazifunktionär im Lager Glasenbach interniert gewesen, und die Mutter konnte einige Zeit ihren Beruf als Lehrerin nicht ausüben. Der kleine Jörg wird mit dem Zweifel, der Scham, Schuld oder Depression der Eltern zu tun gehabt haben. Er wird die fragile Stabiltät der Eltern übertönt haben, indem er zum Familienstar avancierte, ohne ihre Tabuthemen ansprechen zu dürfen. „Der Preis, den diese Kinder für ihr scheinbar gelungenes familientherapeutisches Projekt zahlen, ist oftmals eine lebenslange ‚narzißtische Fixierung’ und Publikumsabhängigkeit.“ (S. 71). Bezüglich der Rehabilitation der „Soldatengeneration“ agiert Haider „oft unkontrolliert und wie unter Zwang“ (ebenda). Umgekehrt erscheint er oft wie ein klassischer „autoritärer Charakter“, „der den Vater idealisiert und seine eigenen Rebellionsimpulse permanent auf Außenfeinde verschiebt. Diese Außenfeinde haben dann typischerweise die Züge von schlechten und dummen Elternfiguren. In Haiders Fall hießen sie z.B. die ‚Altparteien’ oder das ‚alte System’.“ (S. 68). Haider versteht es, mit Gefühlen zu operieren. Er hat ein Gefühl fürs Unbewußte, weil er die Spannungen und Ängste der Menschen aufnehmen und sie mit einfachen Lösungen in Szene setzen kann, die meist auf Kosten von Minderheiten gehen. Er setzt sein Gefühl für Menschen nie im Interesse ihrer Emanzipation ein, sondern zu ihrer Beherrschung. Daher betreibt Haider mit seinen Leuten so etwas wie eine „umgekehrte Psychoanalyse“ (S. 93). Aus dieser Analyse der Teilfiguren der Haiderschen Politik destilliert Ottomeyer abschließend prägnant eine Strategie der politischen Emanzipation. Wo Haider als sadistischer Robin Hood durch die Lande braust, sollte „nichtsadistischer‘‘ Mut zu sozialer Rebellion und Widerstand gegen Unterdrückung und Demütigung zurückgewonnen werden, und zwar von Menschen, die ihre humane Verantwortung selbst tragen wollen. Die Politik sollte den Mut finden, sich in den Dienst der selbständigen und tätigen Menschen zu stellen, und nicht über Verführungsstrategien nachdenken. Gegen die aktuelle Gewerkschaftsfresserei weist Ottomeyer darauf hin, daß angesichts der neoliberalen Exzesse „dringender denn je starke und demokratische ArbeitnehmerVertretungen gebraucht‘ werden. „Ohne sie droht die Gesellschaft auseinanderzufallen: in einen Teil, der sich unter dem ebenso glänzenden wie trügerischen Etikett der ‚Fleißigen und Anständigen’ verausgabt und einen anderen Teil, der müde und arbeitsunwillig erscheint ... Wenn noch die Benachteiligung und Verdächtigung ausländischer Arbeitnehmer hinzutritt, würde die Schwächung der Gewerkschaften und Betriebsräte ... sehr bald zu einem innerbetrieblichen und gesellschaftlichen Mobbing gegenüber all jenen führen, die unsere ‚Leistungsschwäche’ verkörpern.“ (S. 118). Der im wirtschaftlichen und sozialen Leben forcierte Kampf gegen Schwäche und Schwache setzt individuelle und gesellschaftliche Destruktionskräfte frei, die langfristig zum politischen Problem werden können. Gegen eine aggressive Politik der Stärke ist ein ganzheitlicher Politikbegriff zu setzen, der von allen — positiven wie negativen — menschlichen Kräften ausgeht, eine soziale Ausgewogenheit im Auge hat, und um die politische Macht kämpft, um die Kräfte der Destruktion einzugrenzen. Bernhard Kuschey Klaus Ottomeyer, Die Haider-Show. Zur Psychopolitik der FPÖ. Klagenfurt/Celovec: Drava Verlag 2000. 127 S. Buchzugänge Gerhard Amanshauser: Als Barbar im Prater. Autobiographie einer Jugend. Mit einem Vorwort von Hans Höller. Salzburg: residenz Verlag 2001. 169 S. ÖS 248,-/DM 34,-/SFr 30,70/Euro 16,90. Werner M. Bauer, Johannes John, Wolfgang Wiesmiüiler: „Ich an Dich“. Edition, Rezeption und Kommentierung von Briefen. Innsbruck: Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft 2001. 278 S. (Gernanistische Reihe. Bd. 62). OS 372,-/DM 61,Aufgrund der im „Brenner-Archiv“ betreuten Nachlässe eines Georg Trakl, Ludwig Ficker, Norbert C. Kaser hat man am Institut für Germanistik in Innsbruck, das neuerdings „Institut für deutsche Sprache, Literatur und Literaturkritik“ heißt, große Erfahrung in der Edition von Briefen. — Der vorliegende Sammelband ist Alfred Doppler zum 80. Geburtstag gewidmet; der Gratulation schließen wir uns mit wenigen Worten an: Langjähriger Institutsvorstand in Innsbruck,