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Österreich war, wurde zerschlagen, die Rede-, Presse- und
Versammlungsfreiheit aufgehoben, die Gewerkschaften auf¬
gelöst, ihr Vermögen beschlagnahmt.

Für das Land begann eine verhängnisvolle Entwicklung. Das
autoritäre Regime hatte dem Volke das Wahlrecht und somit
sein Mitbestimmungsrecht genommen. Auf der anderen Seite
konnte es seinen Anhängern nicht die Aufstiegsmöglichkeiten
bieten, wie das Regime in Deutschlarid. Die Grenzen des
Erreichbaren waren den Verhältnissen entsprechend eng. So ist
es verständlich, daß ein Teil der österreichischen Intelligenz, die

Gegensatz stehen konnte, was für sie ein Zusammengehen mit
der eben niedergerungenen Arbeiterschaft bedeutet hätte,
schon lange vor 1938 über die Grenze sah. Von jenseits erhoff¬
te sie das Heil. Dort ließ sich das durchführen, wozu hier die

innerhalb des Justizapparates und innerhalb der Lehrerschaft an
. den Mittelschulen. Die Auswirkung davon war eine halbe
Duldung der Nazi-Umtriebe (die NSDAP war seit 1933 verbo¬
ten) und eine Verseuchung der Studenten mit „Großdeutschen

sich die Nationalsozialisten in Österreich mit Erfolg bedienten.
Einem Teil dieser österreichischen Nazis mag man einräumen,
daß sie sich unter „Anschluß“ etwas anderes vorstellten, in der

' war, mit einer Autonomie seiner nationalen und kulturellen
Belange und vor allem mit einer viel größeren Macht für sich
selber rechnen können. Diese Kräfte waren es, die elwaige
Maßnahmen der Regierung gegen die drohende Gefahr des
Nazismus durchkreuzten. Daneben übte Deutschland von
außen her einen starken wirtschaftlichen und politischen
Druck auf das Land aus. [...]

‚Auch im Außenhandel war Deutschland für die Wirtschaft
Österreichs ein wichtiger Posten. (Holz, Milchprodukte.)
Deutschland reduzierte die Einfuhr aus Österreich infolge sei¬
ner Autarkiebestrebungen auf ein Minimum. Das führte zu ei¬
ner wirtschaftlichen Verelendung breitester Schichten.

Was tat die österreichische Regierung?

Sie schuf Organisationen, die den deutschen Parteifor¬
mationen auf Haar glichen. Diese sollten der Garant für die

Aktionen, die diese Formationen herbeiführten, waren nur hal¬
be Aktionen. Was nützte es, wenn der kleine Naziprovokateur
gefaßt wurde, während der wirkliche Feind in hohen Staats¬
stellungen saß? 1936 kam es zu einem Wirtschaftsabkommen
mit Deutschland und aus diesem Anlaß wurde eine allgemei¬

Folgezeit ihre Taktik Sie waren nicht mehr die Saboteure, sie
waren nur noch friedliche, staatserhaltende Bürger. Die Zer¬
‚setzung auf geistigem Gebiet aber ging weiter.

Umsonst fordert eine illegale Zeitung der Arbeiter in dieser
Zeit: Keine staatliche Jugendbewegung, keine Scheingewerk¬
schaft und kein Arbeitsdienst schützt uns vor dem Zugriff des
Hitler-Faschismus. Nur ein Auftrieb der demokratischen Kräfte
kann Österreich Unabhängigkeit garantieren; deshalb Demo¬
kratie auf breitester Basis! Doch das Regime duldete weiterhin
keine Regung der wirklich verantwortungsbewußten Volks¬
schichten. _

Später, buchstäblich fünf Minuten vor zwölf, versuchte die
Regierung mit alten Gewerkschaftsführern in Verhandlung zu
treten. Aber es war zu spät. [...]

Der Jubel 1938? Hitler kam mit den schönen ee;
chungen. Sogenannte: „Sofortaktionen“ setzten ein zur
Linderung der wirtschaftlichen Not. In diesem Falle dachte
niemand daran, daß die Arbeit, die er leistete, erst eine viel

war den Volksmassen geholfen.

Es hat gar keinen Sinn, über den Wert faschistischer Ab¬
stimmungen zu diskutieren. Wenn ein Propagandaapparat wie
der des deutschen Reiches ungehindert arbeitet, dann ist das
Ergebnis einer solchen „Volksbefragung“ von vornherein klar.

Später, als der Österreicher merkte, daß das Land in kürze¬
ster Zeit ausgekauft worden war, kam die Ernüchterung. Die
Generation, die in der Republik das Denken gelernt hatte, war
durch die ausgezeichnete Erziehungsarbeit der sozialdemo¬
kratischen Partei und ihrer Nebenorganisationen zumindest
stark anti-militaristisch eingestellt. Und gerade die J ahrgänge

reichischen Armee Übernommenen), die vor der Aufrollung
der Sudetenfrage unter die Waffen gerufen wurden. Da war die

schnell verflogen, wie sie seinerzeit aus dem Gefühl der Rat¬
losigkeit heraus aufgeflaut war. Im Herbst 1938 schon erfolg¬
ten die ersten Hochverratsprozesse gegen neugebildete Wi¬
derstandsgruppen. Die Urteilsbegründung lautete stets: „Die
Bewegung hatte sich zum Ziel gesetzt, die Ostmark vom
Reiche loszureißen.“ [...] Und unter der Parole der nationalen
Unabhängigkeit bildete sich in Österreich eine Bewegung, die
vom sozialistischen Flügel bis zu den Kreisen der katholischen
Intelligenz reichte. Jeder, der sich in dieser Bewegung betätig¬