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te, zeigte, daß ihm der Begriff „Österreich“ mehr war als ein
Lippenbekenntnis.

und da. Man versuchte die Öffentlichkeit zu täuschen. Was
sich hinter solchen Berichten verbarg, waren Taten dster¬
reichischer Patrioten untadligsten Charakters, denn ein jeder
. von ihnen wußte, daß sein Leben verwirkt war, wurde er bei ei¬
ner solchen Tat ertappt. [...] Wer aber einmal das „Glück“ hat¬
te, im Keller des Volksgerichtes in Berlin zu sitzen und dortin

Freiheitskämpfer fand, die zum Tode und zu langjährigen
Strafen verurteilt wurden, der hat nur ehrfürchtiges Schweigen
fiir diese Manner. [...]

Einige Bemerkungen noch zu unserer Kultur. Unsere Musik
ist nicht nur Johann Strauss, sondern auch Anton Bruckner. Und
die Literatur sind nicht nur Plaudereien tiber den Steffel, da ist
auch ein Anton Wildgans, ein Stefan Zweig, ein Jura Soyfer
(1939 in Buchenwald ermordet), der voller Bitternis ausruft:
„Ihr nennt uns Menschen; wartet noch damit!“, oder Berthold

Viertel, dessen Namen in ganz Amerika bekannt ist, sowie der
Kreis der Künstler in der „Austro American Tribune“. Dieser
Hinweis dürfte genügen, um zu zeigen, daß man unserer Kultur

Und nun ist Österreich frei. Die Tätigkeit der provisori¬
schen Regierung knüpft an die Tradition der Republik an, de¬
ren Einrichtungen auf gewerkschaftlichem und erzieherischem
Gebiet vorbildlich für Europa waren. Alle Kräfte sind zusam¬
mengefaßt und die Einigkeit des Handelns aller Richtungen ist
Tatsache geworden. Wir begrüßen diese Zusammenfassung,
weil sie eine Plattform darstellt für die Errichtung einer wah¬
ren Volksdemokratie, und weil sie einen endgültigen Schlu߬
strich zieht unter eine unselige Vergangenheit. Nur so kann das
Problem Österreich gelöst werden, so gelöst, daß die neue
Republik ein Fackelträger für Europa werden kann.

Franz Kain hat diese Hoffnungen zum Teil später zu Grabe
tragen müssen, aber an der grundlegenden Perspektive, der
Perspektive des Widerstandskämpfers hat er festgehalten.

Im Radio, Mitte August 2000, sprach der österreichische Innen¬
minister Ernst Strasser anläßlich eines Treffens mit europäi¬
schen Amtskollegen über einige Erfolge im Kampf gegen das
sogenannte Schlepperunwesen. Er äußerte sich nicht zur Not
der Menschen, die sich solchen Schleppern anvertrauen,
schwieg sich aus über das unverbrüchliche Menschenrecht,
Grenzen zu überwinden. Strasser verwendete mehrmals das
Wort ,Aufgriffe’ — gemeint ist der wiederholte Tatbestand des
Auflauerns, Stellens und Festnehmens von Flüchtlingen an der
-EU-Außengrenze durch Grundwehrdiener des österreichi¬

tischen Gaunersprache, das Rotwelsch der Häscher. Es
gestattet, von den Menschen abzusehen, die aufgegriffen wer¬
den, sie stattdessen zu verdinglichen, schlimmer noch: auszu¬
merzen. Übrig bleibt nur eine Verrichtung, steril, gefühllos,
ohne Flecken. Wer von „Aufgriffen’ spricht, hat das Mitleid ab¬
geschafft. Über den oder die müßte hier also nicht gesprochen
werden. Wenn es dennoch gerade noch geschah, dann nur, um
den Rahmen abzustecken, in dem wir zur Debatte schreiten.

Als ich, bang wegen des Themas, dem wir uns heute stellen,
zum ersten Mal aufhorchte, sobald von Mitleid die Rede war,
befand ich mich gerade in Madrid, wo der spanische
Schriftsteller Manuel Väzquez Montalbän seinen uruguayi¬
schen Kollegen Mario Benedetti würdigte. Er beschrieb
Benedettis Werk als Kombination aus geometria und compa¬
siön und meinte, beide Elemente seien unabdingbare
Bestandteile künstlerischen Schaffens. Compasiön ist das spa¬
nische Wort für Mitleid, es ist eine Spur eindringlicher, wört¬
lich übersetzt heißt es: Mit-Leidenschaft. Wenn ich dem
Mitleid das Wort rede, dann meine ich nicht die karitative
Geste, mittels der jemand sein schlechtes Gewissen dämpft,
halte es vielmehr mit dieser leidenschaftlichen Hingabe.
Verrucht ist beides in der Kunst, die gelten will.

Gut fährt es sich dagegen mit Ironie. Ist sie das Gegenstück
zum Mitleid? In einem Aufsatz für die Neue Zürcher Zeitung

zum Ende des ironischen Zeitalters“ gesetzt. Er bezog sich auf.
Thomas Manns frühe Erzählung Tonio Krüger, in der das Feh¬
len von Ironie mit pathetisch, sentimental, schwerfällig, täp¬

gesetzt wird. Unmodern jedenfalls, und für Krumbholz bilden
Moderne und Ironie ein Zwillingspaar, das seit den neunziger
Jahren des 18. Jahrhunderts, seit dem Philosophen Fichte und
den Schriftstellern Schlegel, Tieck, Novalis durch die Gärten
der Zivilisation schlendert. „Die Ironie, die alles relativiert, in
der Schwebe läßt, in Frage stellt, eben mit Vorbehalten bela¬
stet, legt sich ihrerseits niemals fest; sie laboriert an chroni¬
scher Standpunktlosigkeit.“ Der Autor zitiert Sebastian
Kleinschmidt, den Herausgeber der Zeitschrift Sinn und Form,
der Ironie „Das schöne Haus des Vorbehalts“ nennt. Mitleid hat

boteneingang, es wird dem Pathos zugeschlagen, als eine
Leidenschaft, über die der moderne Mensch erhaben ist.

_ Ohne Mitleid kein Erbarmen. Erbarmen mit wem? Anna
Siemsen, seinerzeit eine angesehene Publizistin, hatte ihre _
Eindrücke vom Spanischen Bürgerkrieg im Aufruf „Habt
Erbarmen mit euch selber!“ gebündelt. Damit meinte sie, ihre
Leser, von denen sie Handeln, Helfen forderte, sollten das Leid

kennen. Mitleid setzt also Phantasie voraus, die Fähigkeit, sich
im andern und in dessen Not zu spiegeln. Sie ist deshalb auch
eine künstlerische Fertigkeit, nicht bloß deren Voraussetzung,
aber sie allein reicht nicht aus, Kunst zu schaffen — da ist noch
das, was Väzquez Montalbän Geometrie genannt hat. Nur, die
literarische Gestältung läßt sich allenfalls lernen, die Fähigkeit
mitzuleiden kaum.