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Temperaturen des israelischen Sommers Sakkos („Jacken“)
getragen haben. Der Begriff „Jeckes“ galt als Inbegriff für
Umständlichkeit und Integrationsprobleme, insbesondere für
Schwierigkeiten bei der Erlernung der hebräischen Sprache.
Integrationsschwierigkeiten ergaben sich aufgrund der Alters¬
und der (zumeist mittelständisch-freiberuflichen) Berufs¬
struktur der Flüchtlinge. Obwohl Palästina in den 1930er
Jahren unter einer ernsten Wirtschaftskrise litt, konnten diese
Probleme — so manchem Vorurteil zum Trotz — relativ rasch
gelöst werden. Deutschsprachige Einwanderer leisteten wich¬
tige Beiträge nicht nur im politischen und kulturellen Leben,
sondern auch im landwirtschaftlichen und industriellen
Bereich.

Die britischen Behörden erließen jedoch restriktive Ein¬
wanderungsbestimmungen, denen zufolge die legale Einreise
nur mit quotenmäßig festgesetzten Zertifikaten möglich war.
Um die Rettung von Kindern und Jugendlichen, für die Ein¬
wanderungszertifikate leichter zu erhalten waren, kümmerte
sich die „Jugend-Alija“. Im Mai 1939 veröffentlichte die bri¬
tische Regierung ein „Weißbuch“, das die jüdische Einwan¬
derung auf ein Minimum reduzierte. Viele Flüchtlinge suchten,
mit Unterstützung zionistischer Organisationen wie Hechaluz
und Hagana, illegal ins Land zu kommen, auf abenteuerlichen
Wegen, unter großer Gefahr. Von den Briten aufgegriffene il¬
legale Flüchtlinge wurden in dem - südlich von Haifa gelege¬
nen — Lager Atlit interniert oder in ein Flüchtlingslager auf der
Insel Mauritius deportiert.

Die Lage der deutschsprachigen Einwanderer gestaltete sich
zudem schwierig, da die deutsche Sprache zunehmend mit
Mißtrauen betrachtet, boykottiert, vielfach sogar bekämpft
wurde. Deutsch galt nun nicht mehr als Sprache Theodor
Herzls und des frühen Zionismus, sondern als Sprache Hitlers
und der Judenverfolgung.

Auszug aus einem ausführlichen Modul über die nach Palä¬
stina/lsrael emigrierten österreichischen SchriftstellerInnen,
das für Internetprojekt über die österreichische Exilliteratur
geschrieben wurde. (Homepage: www.literaturepochen.at).

Armin A. Wallas, geb. 1962; Assistent am Institut für Germa¬
nistik der Universität Klagenfurt (Forschungsbereich: Jüdische
Literatur in Mitteleuropa), zahlreiche Veröffentlichungen zur
Jüdischen Geistesgeschichte, zur Literatur des 20. Jahrhunderts
und zu Fragen der Bibelrezeption. Buchveröffentlichungen u.a.:
Albert Ehrenstein. Mythenzerstörer und Mythenschöpfer
(München 1994); Zeitschriften und Anthologien des Expres¬
sionismus in Österreich. Analytische Bibliographie und
Register (München u.a. 1995; 2 Bde.). Wichtigste Editionen:
Simon Kronberg-Werkausgabe (München 1993; 2 Bde.); Die
jüdischen Dramen von Max Zweig (Oldenburg 1999); Tage¬
bücher von Eugen Hoeflich/Moshe Ya’akov Ben-Gavriel
(Wien u.a. 1999); Herausgeber der Anthologie Texte des
Expressionismus. Der Beitrag jüdischer Autoren zur öster¬
reichischen Avantgarde (Linz 1988), des Sammelbandes
Expressionismus in Österreich (Wien u.a. 1994; zusammen mit
Klaus Amann), der „Zeit-Schrift für jüdische Kultur“
Mnemosyne (Klagenfurt; zusammen mit Andrea Lauritsch)
und, zusammen mit Primus-Heinz Kucher, der Buchreihe
Edition Mnemosyne (Klagenfurt: Alekto Verlag). — 2001 Karl
Otten Preis fiir Expressionismus- und Exilforschung.

Hanna Blitzer

Jetzt und hier

Manchmal nennen wir uns noch

mit den alten Namen

aus der Vergangenheit:

Walter, Ilse, Anni,

nicht mit den Namen aus der Bibel
die wir jetzt tragen.

Und mit den alten Namen

kommt die Erinnerung

an Wälder mit Kindermärchen,

an die Stille des Schnees,

an eine ferne Zeit,

Zeit, die noch keine Drohungen enthielt.
Schnell kehren wir

zu unseren biblischen Namen zurück.
Zu JETZT und HIER.

Wüste

Ich bin in der Wüstengeneration,

die in der Wüste der Gewalttaten geht.
Vierzig Jahre wären genug gewesen,
um das Land zu erreichen,

in dem jeder unter dem Schatten
seines Feigenbaums sitzt

in Frieden.

Aber ich gehe und gehe

und habe dieses Land

noch nicht erreicht.

Ich dachte...

Ich dachte:

mein Herz

ein ruhender Pol

in den Schrecken der Zeit.
Aber mein unruhiges Herz
täglich neu verwundbar

ist kein Schutz

gegen die Schrecken der Zeit.

Ich spreche die ganze Zeit...

Ich spreche die ganze Zeit,
doch niemand hört meine Stimme,
denn ich spreche nach innen.
Ich diskutiere mit Menschen,
protestiere, kritisiere,

erkläre mein Credo,

doch stimmlos, nach innen.
Ich fühle mich wie ein Vulkan.
Die Lava der Worte drängt.
Doch ich spreche weiter
stimmlos, nach innen.

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