suchte die städ¬
tische Wohnhäu¬
serverwaltung um
neuerlichen Voll¬
zug der zwangs¬
weisen Räumung
der Wohnung der
Familie Eisenthal,
die sie dann am 1.
März 1939 verlas¬
sen musste. Die
Tochter (geb. 1922)
und der Sohn (geb.
1924) überlebten
im Exil. Hermann
und seine zweite
Frau Sarah Eisen¬
thal (geb. 28. Jän¬
ner 1890) — seine
erste Gattin Stella
war im Jahre 1936
verstorben — wur¬
den am 22. Juli
1942 nach There¬
sienstadt deportiert
und erlebten dort
1945 ihre Befrei¬
ung.
Die Familie Gram, die im Wachauerhof, Jungstraße 15, Stiege
6, Tür 23, auf Zimmer, Kabinett, Küche und Vorraum wohnte,
konnte mit der nationalsozialistischen Wohnhäuserverwaltung
einen Räumungsvergleich für ihren Auszug aus der Wohnung
bis zum 12. November 1938 abschließen. Im Zuge des Novem¬
berpogroms 1938, wo in einer organisierten Aktion der Nazis
Synagogen zerstört, jüdische Geschäfte geplündert und un¬
zählige Menschen verhaftet wurden, holten die Häscher des
Dritten Reiches auch den Familienvater und Elektrotechniker
Ignaz Gram und verschleppten ihn in das Konzentrationslager
Dachau. Am 17. Dezember 1938 richtete seine Frau einen ver¬
zweifelten Hilferuf an die Reichskanzlei in Berlin. Sie infor¬
mierte darin, daß ihr Mann seit 10. November 1938 verhaftet
und im KZ Dachau sei, und fügte hinzu:
Habe bereits ein Affidavit in die Vereinigten Staaten, Kali¬
fornien Los Angeles. Mein Mann ist seit 11 Jahren arbeitslos,
wir hoffen, daß die Quote bald geöffnet wird. Wir versuchen
unser möglichstes, bald auswandern zu können.
Die Hoffnungen der Charlotte Gram erfüllten sich nicht. Am
2. Jänner 1939 um 9 Uhr wurde die zwangsweise Räumung ih¬
rer Wohnung durchgeführt. Nach seiner Freilassung aus dem
KZ Dachau flüchtete Ignaz nach Ungarn. Im Lager Garany
verliert sich seine Spur. Charlotte Gram wurde mit ihrem
15jährigen Sohn Wilhelm am 19. Februar 1941 nach Kielce de¬
portiert. Ihren 21jährigen Sohn Hermann deportierten die
Nazis am 15. Mai 1942 nach Izbica. Sie alle wurden Opfer der
Shoa. Nur ein Sohn, Kurt, überlebte.
Der Goldarbeiter und spätere Redakteur sozialdemokrati¬
scher Zeitungen Jakob Meth, geb. 7. Juni 1885 in Lemberg,
wohnte mit seiner Frau Elise im Lassalle-Hof (Zimmer, Wohn¬
küche, Vorzimmer, Loggia) auf Stiege 2, Tür 8. Ab dem Jahre
1903 war er Vorstandsmitglied der sozialistischen Jugend¬
organisation „Verband jugendlicher Arbeiter Österreichs“.
Während des Ersten Weltkrieges betätigte er sich als Zen¬
tralsekretär der Kinderfreundebewegung. Als Mitarbeiter meh¬
rerer sozialdemokratischen Zeitungen — „Der jugendliche
Arbeiter“, „Arbeiter-Zeitung‘“, „Bildungsarbeit“, „Die Unzu¬
friedene“ — verstand es Jakob Meth ausgezeichnet, wissen¬
schaftliche Fragen in leicht verständlicher Form darzustellen.
1927-34 war er Redakteur des „Kleinen Blattes“. Nach der
Zerschlagung des sozialdemokratischen Pressewesens im
Februar 1934 verdiente er seinen Lebensunterhalt als Händler
auf dem Karmelitermarkt. Gleichzeitig leistete Meth nach dem
Verbot der Sozialdemokratie durch die Austrofaschisten
Widerstand in den Reihen der „Revolutionären Sozialisten“.
Neben der Ächtung seiner politischen Gesinnung war er nach
dem März 1938 als Betroffener der NS-Rassengesetzgebung
Verfolgungen ausgesetzt und wurde aus seiner Gemeinde¬
wohnung vertrieben. Er flüchtete 1938 nach Schweden und
ließ sich in Stockholm nieder. Hier war er als Journalist und
Archivarbeiter tätig, war Mitglied des „Klubs österreichischer
Sozialisten in Schweden“ und gehörte ab 1944 der „Öster¬
reichischen Vereinigung in Schweden“ an. Nach dem Kriegs¬
ende 1945 erhielt Jakob Meth keine Aufforderung zur Rück¬
kehr nach Österreich.
Der Zeitungskolporteur Julius Rosenbaum wohnte mit sei¬
ner Frau und drei minderjährigen Kindern auf Zimmer, Ka¬
binett, Küche, Vorraum und Loggia im Wachauerhof,
Jungstraße 15, Stiege 8, Tür 7. Obwohl die Frist eines Räu¬
mungsvergleiches schon überschritten war, ersuchte seine Frau
Berta am 17. Dezember 1938 um einen Aufschub des Kün¬
digungstermines und meinte: „Mit Rücksicht darauf, daß mein
Mann Kriegsinvalide, Frontkämpfer und durch die heutigen
Verhältnisse in Dachau ist, habe ich bereits die Schiffkarte
nach Shanghai gebucht. Nur für die Zeit bis mein Mann aus der
Haft entlassen wird, da wir dann abreisen werden, bitte ich um
Verlängerung. Habe 3 minderjährige Kinder und stehe im
strengsten Winter vor der Delogierung.“ Im Winter, am 20.
Jänner 1939 mußte die Familie Rosenbaum aus ihrer Wohnung
ausziehen. Julius wurde nach seiner Freilassung aus dem KZ
Dachau am 20.10. 1939 nach Nisko deportiert. Seine Frau
Berta wurde mit ihrer neunjährigen Tochter Elfriede am 12.
Mai 1942 nach Izbica deportiert. Sie alle überlebten die natio¬
nalsozialistische Gewaltherrschaft nicht.
Auf Zimmer, Kabinett, Küche und Vorraum wohnte im
Gemeindebau auf dem Handelskai 210, Stiege 3, Tür 4 der am
10. Dezember 1898 in Wien geborene Straßenbahner Ernst
Stern mit seiner Frau Frieda und dem gemeinsamen Sohn
Walter. Ernst Stern trat am 15. Oktober 1925 als Schaffner in
den Dienst der Gemeinde Wien — Städtische Straßenbahnen.
Nach dem März 1938 organisierten die Nazis mit großem pro¬
pagandistischen Aufwand einen gewaltigen Werbefeldzug um
die Gunst der Wiener Arbeiter, auch um die Wiener Straßen¬
bahner. Im Hofe ihrer Hauptwerkstätte in der Siebeneichen¬
straße 7-9 fand etwa am 28. März 1938 ein „Betriebsappell“
statt, bei der die anwesenden Straßenbahner Propaganda¬
phrasen des ,,StraBenbahnfiihrers“ Graf und des nationalso¬
zialistischen Wiener Biirgermeisters Hermann Neubacher
über sich ergehen lassen mußten. Einen Monat nach diesem
„Betriebsappell“ erfolgte am 30. April 1938 die fristlose
Kündigung der jüdischen Straßenbahner aus dem Gemein¬
dedienst. Vom Dienst suspendiert worden waren sie bereits un¬
mittelbar nach dem Einmarsch nationalsozialistischer Truppen
in Österreich. Gegen diese Entscheidung stand ihnen kein
Rechtsmittel zu. Zur Entlassung kam noch der Verlust der