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Mein Job als Gemüsehändler am Vorgartenmarkt beim
Mexikoplatz ist zwiespältig. Gerade heute dachte ich wieder
daran, daß es sich hier um einen Job zwischen Haß und Glück,
zwischen Großhändler und Käufer, zwischen Müdigkeit und
Frohsinn, zwischen Geben und Nehmen handelt. Heute
Nachmittag arbeite ich nicht. Statt mir arbeitet ein Bulgare.
Nicht arbeiten, lange habe ich nicht einmal gewußt, daß es die¬
ses Wort gibt, geschweige denn, daß das ein Wort ist, über das
ich hätte nachdenken müssen, und schon gar nicht habe ich mir
erlaubt, an so etwas zu denken. Einfach so wie jetzt gegenüber
deinem Aufnahmegerät sitzen und plaudern, ist mir völlig
fremd. Ich freue mich. Das gibt es so selten. Sonst bin ich im¬
mer hinter dem Gemüsesteher zu finden. Meistens dort, ja.

An Gemüse kenne ich alles. Wird etwas Neues auf den
Markt gebracht, fällt es mir auf. Ich weiß, wo man am besten
nicht das teuerste Gemüse zum Weiterverkaufen finden kann,
wer die besten Transporteure sind, welche Zeit in der Früh die
beste zum Abholen ist, um den Stau zu vermeiden. Ich kenne
die reife Schwere des Herbstgemüses und auch das frühlings¬
hafte Gefühl beim Glassalat. Ich weiß, wo die Früchte ihren
Platz haben sollen und wie weit vom Gemüse, auf welcher
Temperaturhöhe sie aufzubewahren sind, und ich kenn fast alle
meine Kunden namentlich.

Gemüsehändler sind fixierte Zeitpunkte und Auskunfts¬
stellen zugleich. Nicht selten kommt jemand vorbei, einfach
so, um vorbei zu kommen, ohne Grund. Guten Tag, wie geht’s
Ihnen? Alles in Ordnung? Wie geht’s Ihrer Frau Gemahlin?
Sagen Sie ihr einen schönen Gruß. So viel haben wir mit den
Verkäufern gemeinsam. Damit hat es sich aber schon.

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Den angestellten Verkäufern in den umliegenden Geschäften
schenke ich besondere Aufmerksamkeit. Ich weiß nicht woher
das kommt, aber irgendwie scheinen viele von ihnen auf uns
Gemüsehändler besonders wütend zu sein. Neidisch vielleicht.
Weil wir mit Menschen Zeit zum Lachen haben, weil wir win¬
diger sind und nicht unter dem Druck ihrer Konkurrenz unse¬
re Zelte packen. Die Verkäufer erzählen ganz gern von deinem
Gemüse als angeblich verfaultem, drängen die Kinder, dich mit
Vorsicht zu betrachten, so daß du dich nur mit mehrmaligen
klugen Geschenken aus der Klemme ziehen kannst. Sie mögen
uns nicht, blicken auf uns von oben herab und bleiben trotzdem
eingesperrt in ihre vier Wände. Es kommt mir so vor, als ob sie
ihr Territorium markieren wie Hunde. Ich gebe mir Mühe,
mich nicht ärgern zu lassen, was nicht jedes Mal gelingt.
Manchmal fange ich an, in mich hinein zu fluchen, in der ei¬
nen ersten Sprache, Wlachisch, langsam und mit dem Blick in
ihre Richtung vergesse ich einen Moment lang, was um mich
herum passiert, aber nur einen Moment. Mit dem nächsten
Blick vom Kunden bin ich schon bei ihm, seinen Worten, sei¬
nen Sorgen, seinen Handbewegungen. Er hat das Geld.

Ein Handel mit Gemüse ist eine eigentümliche Sache. Es
gibt Tage, da schauen alle nur, schnell etwas einzukaufen —
Föhn vielleicht oder der Donauwind, den ich noch aus meiner
Kindheit in Jugoslawien kenne. Das merkt man in der Früh
schon nach dem ersten Kunden. Wenn die Blicke nicht mehr
auf das Gesicht gerichtet sind, wenn die Hände unsicher sind
bei der Auswahl der Tomaten, die Anwesenheit kurz und flüch¬
tig. An diesen Tagen versuche ich besonders aufmerksam zu
sein. Es ist, als wäre ich nicht da. Die Flüchtigkeit der Anwe¬
senden, die Begegnungen, die kei¬
nen Augenkontakt vertragen. Die
alte Oma, meine Landsfrau, die
sonst immer von ihren zwei Töch¬
tern, eine glücklich und die andere
unglücklich verheiratet, erzählt,
tritt zwischen dem Gemüse heran,
ohne einen Blick oberhalb der
Hüften zu werfen, steht plötzlich
vor mir da. Ich weiß, sie braucht
öfter das Gespräch als etwas zu
kaufen, nur an solchen Tagen will
sie keine Worte. Ich packe ihr zwei
Kartoffel, eine Zwiebel, drei To¬
maten ein. Frage nichts nach. Las¬
se sie gehen. Mit einem kurzen
Gruß, damit sie sich nicht genötigt
fühlt, ihre Qualen durch mich noch
vergrößert zu sehen. Die anderen,
die auch solche Schweigetage
brauchen, bediene ich in gleicher
Weise, geduldig, wissend, daß
auch solche Tage ihr Ende haben.

Am sichersten verkaufe ich das
Gemüse, wenn ich nicht sichtbar
bin. Die Menschen flanieren zwi¬
schen den Gemüsekisten herum,