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Die Jubiläumskirche ist für mich optisch allgegenwärtig, greif¬
bar nahe, wenn ich aus dem Fenster Richtung Donau blicke
oder auf der Dachterrasse stehe, ihre Türme sehe und die
Turmfalken beobachte, die dort ihre Nester haben; sie überragt
(bis jetzt noch) alle sie umgebenden Gebäude. Für den, der
über die Reichsbrücke kommt, ist sie markanter Richtungspfeil
zur Innenstadt, ein riesig aufragendes Monument, weithin
sichtbar. Sie ist mir auch akustisch nahe, wenn ich zu Hause
bin, ihr intensives Glockengeläute begleitet mich über den
ganzen Tag — am Morgen, Mittag und Abend und bei allen
Hochzeiten... Grund genug, sich über die Geschichte „meiner
Kirche“ Gedanken zu machen, um sie auch gegen verbale
Angriffe, die immer wieder von ihren Gegnern gemacht wer¬
den, zu verteidigen und zu schützen, da ich diese inzwischen
fast als persönliche Beleidigung empfinde...

Das 5Ojährige Regierungsjubiläum von Kaiser Franz Joseph
I. im Juli 1898 war Anlaß, einen allgemeinen Wettbewerb für
einen monumentalen Kirchenbau auszuschreiben. Den spür¬
baren Auflösungserscheinungen der Monarchie sollte ein völ¬
kervereinendes Zeichen entgegengesetzt werden, das die
kaiserliche Macht und Herrlichkeit verdeutlichen und den na¬
tional-patriotischen habsburgischen Reichsgedanken in der
Architektur ausdrücken sollte.

Man wählte als Baugrund den Platz nahe der damaligen
Erzherzog Rudolf-Brücke, da die Kirche freistehend, weithin
sichtbar, auch als Wahrzeichen für die neuen Stadtgebiete jen¬

Foto: Nina Jakl

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seits der Donau Bedeutung erlangen sollte. Laut Ausschreibung
konnte der Baustil im Sinne des Historismus frei von den Archi¬
tekten gewählt werden; betont wurde allerdings, „es sollte bei
der Gesamtanlage auf eine malerische Wirkung Bedacht ge¬
nommen werden“ und die Kirche sei „als Monumentalbau von
einer ihrer Bedeutung und dem freien Platz an der Donau ent¬
sprechenden Außenentfaltung und reicher Silhouette zu ent¬
werfen“. Das Ergebnis der Ausschreibung, an der 48 Architek¬
ten teilnahmen, stand bereits im März 1899 fest, obwohl das
Wettbewerbsprogramm nach der Ermordung von Kaiserin
Elisabeth im September 1898 abgeändert werden mußte, mit
der Vorgabe, in den Kirchenraum eine Gedächtniskapelle zu in¬
tegrieren. Viktor Luntz war der 1. Preisträger, überwältigender
Sieger mit 264 Punkten (2. Platz: 154 Punkte). Mit überaus gro¬
ßem Interesse wurde dieser Wettbewerb auch von der Öffent¬
lichkeit und von der Presse verfolgt und heftigst diskutiert. Es
gab auch eine eigene Ausstellung der Wettbewerbsentwürfe, al¬
lerdings erst nach der Juryentscheidung. Kritisiert wurde vor al¬
lem das gewählte Punktesystem der Preisrichter und Zweifel an
der Wahl des Entwurfes wurden laut, manche empfanden den
Bau als zu unwürdig, um seinem Anlaß zu entsprechen. In¬
teressant ist wohl auch, daß keiner der damals modernen großen
Architekten wie Wagner, Olbrich oder Hofmann sich an der
Konkurrenz beteiligten. (Nur von Adolf Loos gibt es einige
Skizzen eines Kirchengebäudes, deren Genese aber noch ge¬
nauer erforscht werden muß.) Vielleicht sahen sie sich gegen¬
über der von offizieller Stelle bevorzugten Richtung chancenlos.
Bei den eingereichten Arbeiten des Wettbewerbs fällt auf,
daß eine Vielfalt von Stilen verwendet worden ist mit einer ver¬
stärkten Neigung zur Stilsynkretisierung. Kunsthistorisch ge¬
sehen war es die Endphase des Historismus, in der verschieden¬
ste Stilrichtungen nebeneinander bestehen konnten. Der Spät¬
historismus war eine Zeit des künstlerischen Umbruchs, einer¬
seits hielt man unbeirrt an den historischen Vorbildern fest, ver¬
wendete aber immer kompliziertere und pathetischere Lösun¬
gen, andrerseits suchte man jedoch einen neuen funktionellen
Stil. Ende des 19. Jahrhunderts lief daher eine offizielle histo¬
ristische, dem Herrscherhaus genehme, anerkannte Stilrichtung
parallel zu der Jugendstilbewegung, die sich gegen das ,,Unzeit¬
gemäße“ wendete. Stilelemente verschiedener Epochen wurden
nun modifizierend miteinander verwoben und darüber hinaus
konnte auch Historistisches mit Jugendstilmotiven vermengt
werden. Bereits in den 1880er Jahren hatte nach der Entstehung
der Ringstraßenbauten eine enorme Bautätigkeit in den Außen¬
bezirken und den Vorstädten eingesetzt, wo neue Parzellierun¬
gen vorgenommen worden waren, primär von der Fassadenwir¬
kung ausgehend und in einer zum Teil anspruchsvollen De¬
korationskunst. In der Sakralkunst hielt man noch relativ konse¬
quent an den historischen Baustilen fest, allerdings wendete
man sich von der üblichen Neogotik ab und dem Stil der Neu¬
romanik zu, wie dies auch bei der Jubiläumskirche der Fall war.
Der Bau ist als typisches und wichtiges Beispiel für diese
Endphase des Historismus zu bewerten, er wurde um 1900 von
Viktor Luntz begonnen und nach dessen Tod 1903 von August
Kirstein weitergeführt, schließlich 1913 im Rohbau vollendet
und in der Anwesenheit des Kaisers, des Thronfolgers Franz
Ferdinand und des späteren Thronfolgers Karl eingeweiht. Die
Innenausstattung war großteils noch nicht fertig.