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In der Bukowina, im kleinen Dörfchen Berhometh am Pruth, erblickte Moses (Edmund) Rosenkranz am 20. Juni 1904, als sechstes von neun Kindern nichtorthodoxer jüdischer Eltern, das Licht der Welt. Im Schwarzwald, im kleinen Dorf Kappel (heute Ortsteil von Lenzkirch), nahe dem Wutachtal, wo er die letzten drei Jahrzehnte lebte, starb der Dichter am 17. Mai 2003. Wie es durchaus topographische Parallelen bei der Betrachtung des Buchenlandes und des Schwarzwaldes (von den Bäumen einmal abgesehen) gibt, so sind auch der Anfang und das Ende des langen Lebens Rosenkranz’ vergleichbar: Beides war — zumindest auf den ersten Blick - friedlich. Das dazwischenliegende Leben war vom Schicksal und seinen Schlägen gezeichnet. Als Rosenkranz in ärmlich ländlichen Verhältnissen geboren wurde („Ich kam zur Welt in einer Kate/ in der kein Platz für mich bestand“), führten die Menschen ‚‚in der Bukowina, einem Biotop an der östlichsten Grenze der Habsburgmonarchie‘“‘ (Amy Colin) trotz unterschiedlichster Herkunft (Ukrainer/Ruthenen, Rumänen, Juden, Deutsche, Österreicher, Polen, Ungarn, Sinti, Roma, Armenier, Lippowaner, Tschechen und Slowaken; nicht zu vergessen die türkischen Einflüsse, die unter dem Osmanischen Reich das Gebiet über Jahrhunderte prägten) und damit einhergehenden Vorurteilen und Zwistigkeiten, ein insgesamt doch einträchtiges Leben. Kein Wunder, daß Rosenkranz mehrsprachig (jiddisch, ukrainisch, deutsch, polnisch, rumänisch) aufwuchs. Trotz der Vielfalt von Kulturen in dieser multilingualen Umgebung fühlte sich Rosenkranz isoliert. In einem Interview mit Stefan Sienerth sagte er 1993, wie er „zur Literatur gefunden“ habe: „Bei mir war es das Gefühl, fremd und verlassen zu sein, selbst in der eigenen vielköpfigen Familie und in der Dorfgemeinschaft, das mich zur Dichtung fiihrte.“ Er entschied sich, indem er sich „von dem polyglottischen Notballast‘ der Kindheit befreite, für Deutsch als Sprache seiner Dichtung, was auch damit zusammenhing, daß die Familie, nach dem Ersten Weltkrieg fremd im eigenen Land geworden und Übergriffen der neuen Landesherren ausgesetzt, das Dorf verlassen mußte und in die ehemalige Landeshauptstadt des Herzogtums Bukowina, die heutige ukrainische Gebietshauptstadt Czernowitz zog, wo noch lange nach dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie ein Zentrum deutscher Literatur, mit großen Namen wie Rose Ausländer oder Paul Celan, aber auch Immanuel Weißglas oder Gregor von Rezzori beheimatet war. Im erwähnten Interview konstatierte Rosenkranz dazu: „Eine Bukowiner Dichtung, wie sie den Literaturhistorikern vorschwebt und wie diese sie in wissenschaftlichen Abhandlungen zu rekonstruieren versuchen, hat es nie gegeben. Es gab nur einzelne Schreibende, und jeder hat auf seine Weise zur Literatur gefunden.“ Im Gegensatz zu vielen anderen Dichtern war Rosenkranz kein Akademiker, auch nicht geprägt durch ein Elternhaus des Bildungsbürgertums. 1916 wurde der Schüler Zeuge antisemitischer Handlungen eines Lehrers und änderte daraufhin seinen Rufnamen Edmund in Moses ab. Als Fünfzehnjähriger, mit dem Ende der dritten Gymnasialklasse, versagte sich Rosenkranz der abstrakten Bildung und führte sich das Wissen, das er benötigte und als notwendig erachtete, selber zu. Einen Rück16 blick auf die ersten 15 Jahre seines Lebens gab Rosenkranz in seinem autobiographischen Werk „Kindheit“. Mit 17 Jahren verfaßte er das Gedicht „Jesus im Walde“, es kommt darin zur Identifizierung des jüdischen und des eigenen Leids mit dem Jesu Christi. Doch zeigte sich schon hier, daß sein „Verhältnis zum Judentum (...) eher das der Solidarisierung als der Identifizierung‘ war (Matthias Huff). Zwanzigjährig verließ er seine Heimat — durch die Ereignisse des Ersten Weltkriegs war diese seit 1919 Rumänien angegliedert — und gelangte über Krakau, Wien und München nach Straßburg, wo er sich mit Gelegenheitsarbeiten bzw. als Tagelöhner bei Bauern, in der Fabrik und Gastronomie durchschlug. 1927, wieder nach Czernowitz zurückgekehrt, zog ihn das rumänische Militär ein. Immerhin konnte er dort, mit 23 Jahren, erstmals in einem eigenen Bett schlafen. Nach der Entlassung verdingte er sich erneut mit Gelegenheitsarbeiten, darunter als Gepäckträger, aber auch als privater Deutschlehrer. In Czernowitz machte Rosenkranz 1930 die Bekanntschaft Alfred Margul-Sperbers, des Mentors der deutschsprachigen Literatur in Rumänien. Hauptsächlich er stellte Rosenkranz’ Lyrikdebüt, den Gedichtband „Leben in Versen“, zusammen und gab ihn 1930 heraus. Dadurch lernte Rosenkranz Oscar Walter Cisek kennen, der ihn noch im gleichen Jahr nach Bukarest einlud und ihm den „Zugang zu herausragenden Vertretern der rumänischen und rumänischdeutschen Literatur“ ebnete. Darunter befanden sich Vasile Voiculescu und Zaharia Stancu, vor allem aber der Politiker und Dichter Ion Pillat, dessen Privatsekretär Rosenkranz über zehn Jahre hinweg wurde. Diese Bukarester Zeit war wohl die beste im Leben von Moses Rosenkranz. Im Außenministerium wurde er Pressereferent und Übersetzer, arbeitete nebenbei als Graphologe, was ihm die Bekanntschaft mit der rumänischen Königin einbrachte. Sie holte ihn als literarischen Referenten an den Hof und beauftragte ihn, ihre Lebensgeschichte zu verfassen. Das Werk erschien 1935 in Leipzig in deutscher Sprache unter dem Autorennamen Maria von Rumänien und trug den Titel „Traum und Leben einer Königin“. Wegen des in Deutschland herrschenden Nationalsozialismus verzichtete Rosenkranz auf seine Namensnennung als Ghostwriter der königlichen Autobiographie. Es folgten die Gedichtbände „Gemalte Fensterscheiben“ (Czernowitz. 1936) und „Die Tafeln“ (Czernowitz 1940), kritisch begleitet durch Alfred Kittner und wiederum Margul-Sperber, der über die Rosenkranz’ Sprache schrieb, sie sei „so unverbraucht, so neu“. Seit Ende der dreißiger Jahre kam es in Rumänien durch faschistische Umtriebe immer häufiger zu antisemitischen Ausschreitungen und Rosenkranz verlor — aufgrund rassistischen Drucks - seine Arbeitsstellen. Immerhin bekam er noch ein ansehliches Honorar für die von ihm im Auftrag des damaligen Kulturministers zusammengestellte, übersetzte und kommentierte Anthologie der rumänischen Literatur. Das Werk selbst, mit Texten von Iancu Vacarescu bis Aron Cotrus, erschien nie. Rosenkranz kehrte nach Czernowitz zurück, doch bereits 1940 wurde die Bukowina durch die Rote Armee besetzt. Rosenkranz war wieder als Gelegenheitsarbeiter unterwegs und verdiente seinen kargen Lebensunterhalt als Deutschlehrer und veröffentlichte gelegentlich in der von