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ORPHEUS IN DER ZWISCHENWELT

und nationalsozialistischen Parteigängern noch in den 1960er
Jahren in einer Festschrift Kränze geflochten wurden.”

In Islands junger Musikgeschichte nimmt Victor Urbancic
einen würdigen Platz ein. Seine Menschlichkeit, sein musika¬
lisches Können, sein pädagogisches Engagement und seine
Bescheidenheit werden auch mehr als 40 Jahre nach seinem Tod
noch von vielen Isländern, Musikern wie ZuhörerInnen, erin¬
nert. In vielen Gesprächen habe ich mir davon im letzten Sommer
in Reykjavik einen Eindruck machen können. Urbancic „war
der erste unter gleichen“ schreibt Bjarki Sveinbjörnsson über
ihn, und der Komponist Jön Leifs sagte in seinem Nachruf an
Urbancic am 9. April 1958:

Die Leute werden sich schon noch darüber klar werden, daß
unter den Musikgelehrten hierzulande er der einzige war, der

Anmerkungen

1 Auf Victor Urbantschitsch (1847-1921) geht die sogenannte „Urbant¬
schitsche Methode“ zurück, die von Thomas Bernhard im Roman „Das
Kalkwerk“ (1971) zitiert wird.

2 Helmut Brenner: Musik als Waffe? Theorie und Praxis der politischen
Musikverwendung, dargestellt am Beispiel der Steiermark 1938-1945.
Graz 1992, 58.

3 Diese Aktivitäten sind durch mehrere Quellen aus den frühen Kriegs¬
jahren, verfaßt von Mitarbeitern des Konservatoriums, belegt. Den aus¬
führlichsten Bericht über diese — aus nationalsozialistischer Sicht - „‚fünf¬
jährige Kampfzeit“ gibt Ludwig Kelbetz selbst. In ihm kommt — neben
offenem Antisemitismus - ein leichtes Erstaunen über allzu geringe Ge¬
genwehr zum Ausdruck: „Es galt nun diesen Strom nationalsozialistischen
Gedankengutes trotz der hermetisch abgeschlossenen Grenzen, trotz schar¬
fer Zensur nach Oesterreich zu lenken und ihn hier als starke seelische
Kraft einzusetzen. Etwas Unerwartetes kam uns zu Hilfe. Die Gegenseite
redete und schrieb zwar unentwegt vom neuen Oesterreich, neuem Geist,
neuer Zeit und neuem Schaffen, aber es ist aus diesen Reihen nicht ein
einziges Lied entstanden, das hätte aufhorchen lassen. Leblose Textunter¬
legungen und traurige Anleihen an jüdischem Geist sind alles, was zu fin¬
den war.“ (Vgl. Ludwig Kelbetz: Illegale Musiktätigkeit in Gebiet und
Obergau Oesterreich. In: Musik in Jugend und Volk. 1. Jg. <1938>, 271)
„In Graz fanden jeden Monat mehrere Singstunden statt. Eine für
Studenten, die besonders scharf kontrolliert wurde, für HJ., BDM., und
anderes nationalsozialistisches Volk. 200 SA.-Männer waren in dem
Konservatoriumssaal zu einer Offenen Singstunde ‚Oesterreichische Sol¬
datenlieder’ gekommen. Dazwischen saß, schon von weitem herauszu¬
kennen, als harmloser Zivilist, ein Mann der Geheimen Staatspolizei. Die
Disziplin war musterhaft, das Singen mächtig, und er konnte nichts An¬
stoßerregendes finden.“ (Ebd., 272) „Wenn jemand zweifeln sollte, daß
es in unserer Zeit Sinn hat, Rassenauslese und Rassenpflege zu betrei¬
ben, dann soll er hierher kommen.“ (Ebd., 274)

4 Ebd., 273.

5 Vgl. Brenner, Musik als Waffe, 61.

6 Der einzige Fall, in dem es zu einer Anzeige nach einer Konzertver¬
anstaltung kam, wurde sogar in der Präsidiale der Landeshauptmannschaft
behandelt. In einem Schreiben an den Musikverein wurde schließlich die
„Einladung“ ausgesprochen, „für eine entsprechende Änderung des Pro¬
grammes, das zum Teil Unwillen hervorrief, Sorge zu tragen.“ (Vgl.
Schreiben des Präsidiums der Landeshauptmannschaft Steiermark an den
Vorstand der Abteilung für Kunst und Wissenschaft vom 1.3. 1937. Steier¬
märkisches Landesarchiv, Faszikel 373 Mu23 1937. Zitiert nach: Brenner,
Musik als Waffe, 62).

7 Die Veranstaltung wurde in der Grazer „Tagespost“ entgeltlich an¬
gezeigt, es gibt aber keine Besprechung der Aufführung. Zwei Wochen
nach dem Uraufführungstermin wurde das Werk offenbar wiederholt. (Vgl.
„Jagespost“ vom 14.4. und vom 29.4. 1934). Ob Urbancic seine Kom¬
position selbst dirigiert oder bei den Aufführungen persönlich anwesend

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bei den Aufführungen die Kohlen aus dem Feuer holen konn¬
te, wenn es brenzlig war und alles ein einziges Chaos.”

Übersetzungen aus dem Isländischen: Angela Schamberger,
Reykjavik. — Rudolf Habringer, geb. 1960 in Desselbrunn (Ober¬
österreich). Studium in Salzburg. Diplomarbeit über Thomas
Bernhard als Journalist. 1990/91 Linzer Geschichtenschreiber.
1990-94 Pianist der Tanztheatergruppe Editta Braun & Com¬
pany, Salzburg. 1994 Stipendiatsaufenthalt im LCB Berlin.
Initiierte gemeinsam mit Walter Kohl das Erinnerungsprojekt
Netzwerk Memoria. Lebt als freier Schriftsteller in Walding bei
Linz. Erzählungen, Romane, zuletzt: LiebesKind. Eine Erfindung
(Roman, Graz 1998); Satiren, zuletzt: Hansi Hinterseer lernt sin¬
gen (Linz 2000); Theaterstücke.

war, ist nicht bekannt. Urbancic hat dieses Werk in der in Island entstan¬
denen Werkliste als Opus 10 eingetragen.

8 Es gibt keinerlei Hinweise darauf, daß Urbancic in die illegale Tätig¬
keit am Konservatorium aktiv eingebunden war. In keinem einzigen Be¬
richt, in dem nach der Machtergreifung über die illegale Tätigkeit am Kon¬
servatorium geschrieben wurde, fällt sein Name.

9 Gespräch mit Sibyl Urbancic (Kneihs), 13.11. 2002.

10 Ludwig Kelbetz: Aufbau einer Musikschule. Wolfenbüttel und Berlin
1938, 4.

11 Schreiben von Ludwig Kelbetz an Robert Ernst, Stellvertretender
Landeskulturleiter in Wien vom 29.4. 1938. Aus dem Privatbestand von
Eirika Urbancic, Reykjavik.

12 Vgl. Brief von Victor von Urbantschitsch an Robert Ernst vom 21.
Mai 1938. Aus dem Privatbestand von Eirika Urbaneic, Reykjavik; vgl.
auch: Der Komponist Franz Mixa. Leben und Werk. In Verbindung mit
Hertha Töpper zusammengestellt von Georg Zauner. Tutzing 2002, 32.
13 Vgl. Der Komponist Franz Mixa. Leben und Werk, 17-30.

14 Schreiben Victor von Urbantschitsch’ an Franz Mixa vom 5. Juni 1938.
Aus dem Privatbestand von Eirika Urbancic, Reykjavik.

15 Ebd.

16 Bescheinigung über den Austritt aus der mosaischen Religion, b.h.
Graz 13/7/38 ZI 7 R1 U 89.

17 Gespräch mit Sibyl Urbancic 13.11. 2002.

18 Vel. Arni Heimir Ingölfsson: A flötta undan Hakakrossinum - 1. Hluti
— Victor Urbancic (Auf der Flucht vor dem Hakenkreuz - 1. Teil: Victor
Urbancic). In: Morgunblaöiö, Lesbök, 7. Juli 2001.

19 Vgl. Arni Heimir Ingölfsson: A flötta undan Hakakrossinum. In:
Morgunblaöiö, Lesbök, 7. Juli 2001. Vgl. auch Göran Bergendal: New
Music in Iceland. Reykjavik 1991, passim.

20 Ebd., 3.

21 Vgl. Adalheidur Porsteinsdöttir: Dr. Victor Urbanic. (Isländisch.) Di¬
plomarbeit an der Musikschule (Konservatorium) Reykjavik, Mai 1977,
4-13.

22 Totenbuch Theresienstadt. Wien: Dokumentationsarchiv des österrei¬
chischen Widerstandes 1987, 46. Dort fälschlich als Ilsa Grünbaum an¬
geführt. Nach einer Information von Sibyl Urbancic vom 9.4. 2003.
23 Brief V.U. an Ragnar Jönsson, 9. Mai 1952. Aus dem Privatbestand
von Bjarki Sveinbjörnsson.

24 Vgl. „Hef aldrei fariö meö 6frid 4 hendur ténlistarménnum“. In:
Morgunblaöid, 1. März 1953. Zitiert nach: Adalheiöur Porsteinsdöttir:
Dr. Victor Urbanic, wie Anm. 21, 26f.

25 Ragnar Jonsson: Bréf um tönlistarmäl. In: Morgunblaöid, März 1953.
Zit. nach: Adalheiöur Porsteinsdöttir: Dr.Victor Urbanic, wie Anm. 21,29.
26 Erwin Koeppen: Unter Isländern. Erinnerungen eines deutschen Mu¬
sikers. Reykjavik 1995, 35.

27 Bjarki Sveinbjörnsson: Örlitiö um Skälholtshätidina 1956 og dr. Victor
Urbancic. In: Morgunblaöid, 22. November 1996.