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sem Gebiet war erstaunlich. Eine Episode, in
der sich ihre Energie und Tatkraft zeigte, war
die „Besteigung“ des Ätna. Wir waren mit dem
Auto so hoch als möglich hinaufgefahren, um
dann mit dem Lift den Gipfel zu erreichen.
Dieser war aber wegen starkem Wind einge¬
stellt. Hilde sah, daß eine Gruppe Touristen
im Begriff war, einen Jeep zu besteigen. Ob¬
wohl der Fahrer ihr sagte, daß der Wagen
schon voll besetzt sei, redete Hilde so vehe¬
ment auf ihn, daß er uns schließlich — wir wa¬
ren fünf Personen — doch noch mitnahm. Was
Hilde sich in den Kopf gesetzt hatte, mußte
durchgeführt werden.

In der letzten Zeit, nachdem sie nach Genua
gezogen war, kam sie immer nach Wien, wenn
sie wußte, daß ich mit oder ohne Miriam da
war. Reisen war für sie „keine Angelegenheit“.
Sie hat auch immer selbst chauffiert, wenn sie
von Taranto mit Lucio nach Wien, ins Wald¬
viertel oder nach Saalfelden kam. Später war
es der Nachtzug von Genua. In den letzten
Jahrzehnten intensivierten sich ihre Bemühun¬
gen um die große Wanderausstellung Friedl
Dickers, wobei sie quer durch Europa flog
oder auch einmal „liftete“. Dabei hat sie die
Russin Elena Makarova mit ihrem Enthusias¬
mus angesteckt. Ihre eigenen Bilder Friedls
stellte sie zur Verfügung. Es machte ihr große
Freude, als ich telefonisch von der großarti¬
gen Ausstellung in Stockholm 2001 erzählte
und ihr mitteilte, daß ich einen groben Irrtum
in der Beschriftung des Dickerbildes „Fuchs
lernt Spanisch“ korrigieren ließ, das ich schon
aus der Wohnung Hildes kannte.

Briefe

Mit Interesse las ich in ZW Nr. 1/2003, S.
23-25, die Neidinger-Episoden von Friedrich
Torberg. Wenn man die beiden Texte liest, ins¬
besondere den zweiten, „Herr Neidinger und
der 20. April“, die erstaunliche, fast wort¬
wörtliche Übereinstimmung mit einer Szene
aus dem Theaterstück „Der Bockerer“ von
Preses/Becher feststellt, fragt man sich un¬
willkürlich, wie konnte der Rechtsstreit um die¬
ses Stück - er wird in einem kurzen Kommen¬
tar zu den Texten erwähnt — zugunsten der bei¬
den Autoren Preses und Becher ausgehen.

Da ich die Prozeßakten nicht kenne, kann ich
nur Vermutungen anstellen, sie stützen sich auf
Berichte meines Vaters Ulrich Becher. Torberg
hatte im Jahre 1946, wie mir mein Vater er¬
zählte ‚eine ganze Reihe namhafter Advokaten
der New Yorker Wallstreet aufgeboten, um ein
Aufführungsverbot für das damals noch „Herr
Neidinger“ betitelte Stück durchzusetzen. In
dem Prozeß gelang es jedoch dem Schauspieler
und Regisseur Peter Preses, die Richter davon
zu überzeugen, daß er selbst maßgeblich an der
Schöpfung der Figur des Neidinger beteiligt
war (möglicherweise gab es ja das Vorbild für

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diese literarische Figur in Gestalt eines Wie¬
ner Metzgermeisters auch tatsächlich); somit
konnten die Geschichten, die sich um diese Fi¬
gur rankten, wie etwa die über „Führers Ge¬
burtstag“, als Vorlage für ein Theaterstück von
Preses und seinem Co-Autor verwendet wer¬
den. Torberg gelang es nur durchzusetzen, daß
seine Kontrahenten nicht mehr den Namen
„Herr Neidinger“ verwenden durften, was
schließlich dem Fleischhauer zu seinem po¬
pulär gewordenen Namen „Der Bockerer“ ver¬
half.

Martin Roda Becher, Basel, 23. Juli 2003

Veranstaltungen

... in der letzten Nummer der ZW (Nr. 1/2003)
war viel von Karl Farkas die Rede. Mir wiir¬
de es Spaß machen, wenn jemand die
Emigrantengedichte wieder abdruckte, die er
im New Yorker Aufbau veröffentlichte. Ich
kann noch viele Zeilen auswendig (den Auf¬
bau konnte ich als Halbwüchsiger sogar in
Bolivien lesen), z.B. ein Gedicht, in dem er sich
fragt, ob auch er in Amerika reüssieren könn¬
te, und zu diesem Zweck eine amerikanische
„Show“ besucht [...] Die ZW ist eine hervor¬
ragende Zeitschrift.

Egon Schwarz, Saint Louis, 27. Juli 2003

13. Tagung der AG FRAUEN IM EXIL in der
Gesellschaft für Exilforschung e.V. in Zu¬
sammenarbeit mit der Deutschen Bücherei
Leipzig, 7.-9. November 2003

Ort: Deutsche Bücherei, Deutscher Platz 1,
Leipzig

Freitag, 7.11. 2003

14.00 Begrüßung und Einführung in das
Tagungsthema

Inge Hansen-Schaberg, Rotenburg: Anne
Frank und die anderen: Ausgrenzung, Ver¬
folgung und Exil als Kindheitserfahrung

1. Verfolgung — Das Ende der Kindheit?
15.00 Hanna Papanek, Boston: „Exilkind: aus
dem Garten vertrieben...“

16.15 Gudrun Maierhof, Berlin: ‚Wir hatten
gehofft, mehr Kinder zu retten.‘ Die Abteilung
Kinderauswanderung in der Reichsvertretung
1934 bis 1941

17.00 Birgit Schreiber, Bremen: Ein Leben auf
zwei Ebenen - die Erfahrung des Ausschlusses
als zentrales Lebensthema von in der NS-Zeit
versteckten jüdische Kindern

17.45 Sonja Hilzinger, Berlin: Geschichte und
Geschichten in Clara Asscher-Pinkhofs Buch
„Sternkinder“ (1946/1969)

20.00 Lesung

Samstag, 8.11. 2003

2. Literarische und dokumentarische Zeug¬
nisse und ihre Rezeption

9.00 Vorträge über Anne Frank mit ansch¬
ließender Podiumsdiskussion:

Wolfgang Benz, Berlin: Der Mythos Anne
Frank

Laureen Nussbaum, Portland OR: Was ist so
einzigartig an Anne Franks Tagebuch?
Marion Siems, Dortmund: Mädchen versus
Mythos: Biografien gegen den Anne-Frank¬
Kult

11.30 Hildegard Feidel-Mertz, Frankfurt
a.M.: „Ein letztes Stückchen Eerde“. Die
Tagebücher des Klaus Seckel aus der inter¬
nationalen Quäkerschule Eerde/Holland
12.15 Jana Mikota, Siegen: Die Kinderwiese
— Die Kinder-AIZ - Für die kleinen Leser. Kin¬

derbeilagen im tschechoslowakischen Exil
15.00 Andrea Hammel, Sussex: Familienbil¬
der im Spannungsfeld: Autobiographische Tex¬
te von ehemaligen Kindertransport-Teilneh¬
mern

15.45 Marianne Kröger, Frankfurt a.M.: Lore
Segals Romane „Wo andere Leute wohnen“
und „Ihr erster Amerikaner“

16.30 Ortrun Niethammer, Osnabrück: „Ver¬
loschenes Gold und toter Traum“ — Die Ge¬
dichte der Selma Meerbaum-Eisinger

17.15 Rosanna Vitale, Rio de Janeiro: Die
Malerin Alice Brill erzählt: „Mutter und Vater
in mir vereint!“

19.30 Abendprogramm: Kinder vieler Län¬
der

Mira Reym Binford, New Haven, zeigt ihren
Film: Diamanten im Schnee. Drei Mädchen
entkamen dem Holocaust

Anschließend: Zeitzeuginnen im Gespräch

Sonntag, 9. 11. 2003

3. Ethik der Erinnerung - Zum Problem,
Erfahrungen an die nachkommenden Ge¬
nerationen zu vermitteln

10.00 Dirk Krüger, Wuppertal: Projekt in der
Grundschule „Das Kind im Koffer. Eine Ge¬
schichte aus Buchenwald“ von Ilse Burfeind
10.45 Bettina Ramp, Graz: Gelebte Zeitge¬
schichte — Vermittlung von Geschichte für
Jugendliche erörtert anhand des Forschungs¬
projektes „Der Koffer der Adele Kurzweil“
11.30 Martin Krist, Wien: SchülerInnen auf
Spurensuche: Vertreibungsschicksale — Jiidi¬
sche Schüler eines Wiener Gymnasiums 1938
und ihre Lebenswege

12.15 Hermann Schnorbach, Darmstadt:
Clement Moreau: Tim, Tom und Mary: Kin¬
der auf der Flucht aus Hitlerdeutschland (Bild¬
folge 1940) und Marion Clara Reizes: Reise¬
tagebuch eines jungen Mädchens (1940) - ein
Kinderbuch über das Exil

13.00 Ende der Tagung

Weitere Informationen: Prof. Dr. Inge Hansen¬
Schaberg, Birkenweg 15. D-27356 Rotenburg,
e-mail:hansen.schaberg@t-online.de