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schen dem „inneren“ Blick des Kozentrationärs
Federn auf den sogenannten Lageralltag und
dem „äußeren“, fremden Blick des Zeit¬
geschichtlers auf die Bedingungen der tota¬
litären Gewaltstrukturen der rassistischen
Politik des Nazi-Systems dem/r Leser/in in ei¬
ner derart dichten Beschreibung die eigentlich
unfaßbare Realität des Lagerlebens zu ver¬
mitteln, daß eine partielle Identifikation mit
dem politischen und jüdischen Häftling
Federn hergestellt wird, die eine Ahnung über
das KZ-Universum aufkommen läßt, als
Basis für den notwendigen Verstehensprozeß.
Gerade hier, oftmals nach wörtlicher Wieder¬
gabe des Interviews, würde sich der Rezensent
eine deutlichere Unterscheidung zwischen den
Anteilen: Kommentar bzw. vorsichtige Deu¬
tung des Historikers (äußerer, objektivieren¬
der Blick), als Relativierung der sehr persön¬
lichen und überlebenssichernden Perspektive
des Häftlings auf das Geschehen im KZ ei¬
nerseits und andererseits das Kenntlichmachen
der Position des Autors im Prozeß der teil¬
weisen Identifikation mit Ernst Federn wün¬
schen. (Also die Übertragung und Gegenüber¬
tragung als Hilfe für die Positionierung des
Lesers durchscheinen lassen).

Ernst Federn ist als Trotzkist und Jude einer
doppelten Bedrohung im Lager ausgesetzt: ne¬
ben dem Terror der SS gibt es die An¬
feindungen und Verfolgung durch stalinistische
Funktionshäftlinge, die sich durch Übernah¬
me von wichtigen Funktionen im Rahmen der
sogenannten Häftlings-Selbstverwaltung eine
privilegierte Position im Lager verschaffen und
linke Oppositionelle als Gefährdung besonders
bekämpfen.

Federn selbst begegnet dieser Bedrohung durch
eine hohe Anpassungsleistung an das KZ¬
System, indem er sich als leistungsfähiger ‚jü¬
discher Arbeitssklave“ für die SS relativ un¬
entbehrlich macht und andererseits ein
Beziehungsnetz zu Trotzkisten im Lager auf¬
baut, um als Gruppe das Überleben zu sichern.
Man wird als Leser zur Akzeptanz einer
„Schein-Normalität“ eines zunächst nicht
primär auf Vernichtung der Häftlinge ausge¬
richteten Lagers (Buchenwald) durch die
Darstellung von Ernst Federn verführt, um
dann mit Zunahme der Todesdrohung in den
Jahren 1942-45 umso betroffener diese Illusion
aufzugeben und das ganze Ausmaß der
Erniedrigungen, Folter und der beschleunig¬
ten Tötungsmaschinerie zu erkennen.
Gerade durch die Mithereinnahme des/r Le¬
ser/in in die Verarbeitungsformen dieser
Schreckensjahre durch Ernst und Hilde
Federn, ergänzt durch weitere Gespräche mit
noch lebenden Mithäftlingen wird das Nach¬
vollziehen des Erlebten und das Erkennen der
Binnenstrukturen im KZ ermöglicht.
Obwohl die Überlebensstrategien der Häftlin¬
ge im KZ Buchenwald im Mittelpunkt der
Studie stehen, exemplarisch dargestellt am
Überlebenskampf von Ernst Federn, so ergibt
sich durch das umfassende Quellenstudium
zum KZ-System durch den Autor ein erwei¬
tertes Bild zur Entstehung und Funktionsweise

der KZ und der sozialen Dynamik in der iso¬
lierten Häftlingsgesellschaft.

Bernhard Kuschey zeichnet in dieser Dop¬
pelbiographie auch die Lebenswelten von Ernst
Federn und Hilde Paar-Federn im Wien der
Zwischenkriegszeit nach, ebenso die schwie¬
rige Zeit nach der Befreiung aus dem KZ und
den Prozeß der Anpassung an eine neue
„Normalität“. Damit wird es dem/r Leser/in er¬
möglicht, die Identitätsentwicklungen und
Brüche der beiden Verfolgten über ein halbes
Jahrhundert zu begleiten und anhand dieser bei¬
den Schicksale den Zivilisationsbruch, den der
„Verwaltungsmassenmord“ des NS-Regimes
auslöste, in seinen vielfältigen Auswirkungen
nachzuvollziehen.

Diese Studie über Verfolgungs- und Überle¬
bensbiographien, vor dem Hintergrund einer

umfassenden Analyse der inneren Strukturen
von KZ ist m.E. sowohl methodisch, wie in¬
haltlich in einem ganz besonderem Maße in¬
novativ. Es ist zu wünschen, daß diese Arbeit
für die Lehre an Hochschulen intensiv genutzt
wird und auch von Nicht-Historikern entdeckt
und gelesen wird. Die Geschichtsschreibung
zum 20.Jahrhundert wird damit ganz wesent¬
lich bereichert.

Dimiter M. Hoffmann

Bernhard Kuschey: Die Ausnahme des Über¬
lebens. Ernst und Hilde Federn. Eine biogra¬
phische Studie und eine Analyse der
Binnenstrukturen des Konzentrationslagers, 2
Bände, Gießen: Psychosozial-Verlag 2003.
1082 S.

Der Spanienkämpfer Ochshorn begleitet mich
schon lange. Vor über zehn Jahren wurde am
alten Marktamt des Karmelitermarktes eine
Tafel zu seinen Ehren angebracht. Sie war dem
Publikum des Bauernmarktes zugewandt und
ich freute mich beim Einkaufen, daß hier ei¬
nem Freiwilligen im Spanischen Bürgerkrieg
und einem Opfer der Konzentrationslager 6f¬
fentliche Ehre zuteil wurde, wenn auch nicht
gerade GANZ verständlich. Neben einer Re¬
liefbüste Ochshorns stand und steht folgender
Text:

IM GEDENKEN AN ALFRED OCHSHORN
GEBOREN 6.4.1915 IN WIEN
ERMORDET 20.10.1943 IM KZ MAUT¬
HAUSEN

STUDENT, AKTIVER KÄMPFER
GEGEN DEN FASCHISMUS

IN ÖSTERREICH, SPANIEN UND FRANK¬
REICH

ER LEBTE UND STARB FÜR DIE FREI¬
HEIT

WIE TAUSENDE IN DIESEM BEZIRK
‚FREUNDE DER LEOPOLDSTADT’
Neben dem nicht deutlich formulierten Le¬
benslauf Ochshorns ließ mich der letzte Satz
immer ratlos zurück: Warum die deportierten
Juden aus den Sammellagern des 2. Bezirks für
die Freiheit ermordet worden sein sollten, er¬
schloß sich mir nicht.

Als der Karmelitermarkt umgebaut wurde, ver¬
schwand die Ochshorn-Gedenktafel für eini¬
ge Jahre. Am Neubau des Marktamtes wurde
sie wieder angebracht, allerdings an der Rück¬
seite des Gebäudes, an der die wenigsten
Menschen vorbeikommen. Die Erinnerung an
den politischen und militärischen Kampf ge¬
gen Faschismus und Nationalsozialismus
und an die Terroropfer des Nationalsozialis¬
mus wurde nach dem 50. Jahrestag des „An¬
schlusses‘‘ 1988 ein wenig betrieben, jetzt ver¬
blaßt sie zusehends.

Nun bekam ich das Lexikon der österreichi¬
schen Spanienkämpfer 1936-1939 von Hans

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