„Vienna Legend - Legende am Donaukanal wird im Herbst in
Pasadena, Californien gespielt werden. Zunächst für eine Wo¬
che als ‚try-out‘ und wenn es ein Erfolg ist, wird es von einem
größeren Theater dort übernommen. Das heißt, wenn nichts
dazwischen kommt. Ich bin, was dieses Stück anlangt, schon
abergläubisch. So oft war es ganz nah der Erfolg!“! Diese hoff¬
nungsvollen und gleichzeitig skeptischen Worte schreibt Hed¬
wig Rossi aus dem amerikanischen Exil an ihre Schwester
Gerti Zentner.
Rossi, die bei ihrer Emigration bereits siebenundvierzig
Jahre alt war, und deren künstlerisches Schaffen und Leben
eng mit der geistigen Atmosphäre der österreichischen Haupt¬
stadt verbunden war, gelang es wie nur wenigen ihrer Exilkol¬
legInnen, sich in den USA eine zweite Existenz aufzubauen.
Sie lebte sich im Exilland schnell ein, übersetzte ihre Dramen
zum Teil selbst, schrieb neue Stücke, zahlreiche Kurzge¬
schichten und zwei Romanmanuskripte in englischer Sprache.
Für No Final Defeat, die Übersetzung ihres Stückes Der Fall
Calas erhielt sie eine Auszeichnung der American Educational
Theatre Association. Ihr Schauspiel über Kierkegaard Love in
a Cupboard produzierte 1967 der britische BBC mit Glenda
Jackson in der Hauptrolle. Viele ihrer Kurzgeschichten wur¬
den in England, Deutschland und Österreich veröffentlicht.
Am Ferris State College in Big Rapids, Michigan, wo sie mit
ihrem Mann Oswald Rossi rund zehn Jahre lehrte, produzierte
sie allein fünfunddreißig Theaterstücke, davon viele eigene.
Was auf den ersten Blick wie eine geglückte Exilkarriere
aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ein nicht we¬
nig anstrengender Lebensweg, der von Durchhaltevermögen
und unerschütterlichem Lebensmut geprägt war. Vielmehr
kann Rossis Exilerfahrung als typisch für die vieler Dramati¬
ker gelten, die aufgrund der literarischen Gattung, in der sie ar¬
beiteten, die meisten Schwierigkeiten mit der Anpassung an
den amerikanischen Kulturbetrieb hatten. Wie ihre bekannten
Kollegen kämpfte Rossi mit Sprachproblemen, besonders aber
mit den Schwierigkeiten, ein Publikum für ihre Stücke zu fin¬
den. Ein umfangreicher Briefwechsel mit verschiedenen Thea¬
tern und Verlagen in den USA, in Großbritannien, Deutsch¬
land sowie Dänemark zeigt, wie sie sich immer wieder die
Aufführungsmöglichkeiten für ihre Stücke bemühte. Ihre Stü¬
cke wurden meist positiv beurteilt, aber entweder auf die näch¬
ste Saison verschoben oder an Kollegen weitergereicht. Als
häufigste Begründung für Absagen wird die Aufwendigkeit
der Stoffe und Charaktere genannt.
Rossi hielt während ihrer gesamten Schaffenszeit an histo¬
rischen Stoffen fest, die Parallelen zur aktuellen politischen
und gesellschaftlichen Situation in der Zeit vor und während
des Zweiten Weltkriegs in Europa zeigen. Noch 1963 rechtfer¬
tigte sie ihre Themenwahl in einem Brief an ihren Freund Paul
Hinrichs, der den Playshop in Baltimore leitete: „But a good
historical play can serve as a mirror in which we can see events
in its entirety and not in fragments as we do if we want to de¬
pict the contemporary scene.“ Der Freund war begeistert von
zeitgenössischen Stücken wie Edward Albee’s Who’s afraid of
Virginia Woolf? — bei Rossi fehlt ihm der Gegenwartsbezug.
Ihren Inhalten entsprechend orientierte sich die Autorin
auch formal am Drama des klassischen Stils. Das Phänomen
der „Rückkehr zur Tradition“ ist ein bekanntes Merkmal der
Exilliteratur, das auch die im Exil entstandenen Werke von
Thomas Mann, Oskar Maria Graf oder Franz Werfel kenn¬
zeichnet. Rossi hatte bereits vor dem Exil zahlreiche Stücke
geschrieben, die wegen der politischen Situation nicht mehr
aufgeführt werden konnten. Diese versuchte sie nun in den
USA auf die Bühne zu bringen. Um Referenzen vorweisen zu
können, schickte sie ausgewählte Manuskripte zur Beurteilung
an bekannte Schriftstellerkollegen wie Thomas Mann und
Thornton Wilder. Von beiden erhielt sie positive Reaktionen,
aber keine praktische Hilfe. Über das College und einflußrei¬
che Freunde versuchte sie, Kontakte zu Theaterproduzenten
und Literaturagenten aufzubauen. Ihre vielen Versuche blie¬
ben aber im Grunde ohne einen durchschlagenden Erfolg.
Geboren wurde Hedwig Rossi 1891 als Tochter jüdischer
Eltern im 2. Wiener Bezirk. Ihre Mutter Hermina Braun (geb.
Altmann), die im Freundeskreis eigene Novellen und Gedichte
vorlas, starb an Tuberkulose, als Rossi elf Jahre alt war. Ihr
Vater, Berthold Braun, geboren in Mosocz, Ungarn, war in
Wien Ingenieur bei der österreichischen Eisenbahn und erhielt
später den Diensttitel Hofrat. Rossi wuchs mit einem Bruder
und zwei Schwestern im 13. Wiener Bezirk auf. Nach der
Grundschule besuchte sie das Gymnasium der Eugenie
Schwarzwald. In dieser damals jungen und als fortschrittlich
geltenden Bildungseinrichtung wurde Rossis Entwicklung