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ben hat. Das Buch der Gärten (2002) wurde
in fast allen großen deutschen Zeitungen ge¬
radezu hymnisch aufgenommen, als ‚Grenz¬
gänge zwischen Christentum und Islam‘. Zu
den neuesten Stimmen zählen Anna Kim, ge¬
bürtige Koreanerin und Dimitré Dinev aus
Bulgarien, zu den vielversprechendsten Hoff¬
nungen; beide sind erstmals im Jahr 2000 an
die Öffentlichkeit getreten. Dinev konnte mit
seinem Roman Engelszungen (2003) mittler¬
weile ein großes Stück Literatur vorlegen.“
Sind im Vergleich zur Bundesrepublik in
Österreich so profilierte, im literarischen Dis¬
kurs gut verankerte und erfolgreiche Schrift¬
stellerInnen wie E.S. Özdamar, Aras Ören,
Rafık Schami, Yoko Tawada oder Feridun
Zaimoglu derzeit vielleicht noch nicht auszu¬
machen, so präsentiert sich das skizzierte
Spektrum dennoch als interessantes und viel¬
versprechendes kreatives Potential. In der Lite¬
ratur existiert, wie Vladimir Vertlib treffend an¬
gemerkt hat, der „Gegensatz zwischen Eige¬
nem und Fremdem schon lange nicht mehr“,
und neue Welten mischen die „Themenarmut“
in der deutschen und österreichischen Literatur
auf (Dinev). Insofern „ist die Literatur von
Zuwanderern schon ein Teil der österreichi¬
schen Identität geworden.“

Aktualisierte Fassung des erstmals in „Aus¬
blicke. Zeitschrift für österreichische Kultur
und Sprache“ (Skövde/Schweden), Heft
17/2003, S. 5-9, erschienenen Beitrags.

Anmerkungen

1 Vgl. H. Weinrich: Um eine deutsche Literatur
von außen bittend. In: Merkur. Zeitschrift für eu¬
ropäisches Denken. München, Jg. 37/1983, S. 911¬
920.

2 Zu Özdamar (geb. 1946 in Malatya, Ost¬
anatolien) vgl. den Beitrag von Irmgard Ackermann
im KLG (1999)

3 Vgl. dazu Aleida Assmann: Kanonforschung als
Provokation der Literaturwissenschaft; ferner
Gisela Brinker-Gabler: Vom nationalen Kanon zur
postnationalen Konstellation. In: Renate von
Heydebrand (Hg.): Kanon Macht Kultur. Theo¬
retische, historische und soziale Aspekte ästheti¬
scher Kanonbildung. Stuttgart-Weimar: Metzler
1998, S. 47-59 bzw. S. 78-96; beide sprechen von
einer „Dezentrierung der Kanondebatte“ sowie da¬
von, dass diese eine kulturwissenschaftliche Kon¬
textualisierung erfordere und das kulturelle Ge¬
dächtnis der Gegenwart wie der Zukunft bereits
mitstrukturiere. Zur Diskussion in der Interna¬
tionalen Germanistik vgl. die Tagungsbände der
IGV-Kongresse von Vancouver (1995) und Wien
(2000), z.B.: Akten des X. Internationalen Germa¬
nistenkongresses Wien 2000, Bd. 7: Gegenwarts¬
literatur — Deutschsprachige Literatur in nicht¬
deutschsprachigen Kulturzusammenhängen. Hg.
von Peter Wiesinger und Hans Derkits. = Jahrbuch
für Internationale Germanistik Reihe A. Bd. 59;
Bern-Berlin-Bruxelles u.a.: P. Lang, 2002. Ferner
dazu: Norbert Griesmayer, Werner Wintersteiner
(Hgg.): Jenseits von Babylon. Wege zu einer in¬
terkulturellen Deutschdidaktik. = ide extra, Inns¬
bruck: Studien-Verlag 2000.

4 Vgl. dazu den Bericht in: Fachdienst Germa¬

nistik, Nr. 6/2000 (München: iudicum) S. 1-2; fer¬
ner: www.said.at

5 Vgl. z.B. Brigitte Schlieben-Lange: Kultur¬
konflikte in Texten. In: Zeitschrift für Literatur¬
wissenschaft und Linguistik 97(1995) S. 1-21; fer¬
ner: Elisabeth Bronfen (Hg.): Hybride Kulturen.
Tübingen: Stauffenberg 1997; Peter Michael
Lützeler (Hg.): Schreiben zwischen den Kulturen.
Beiträge zur deutschsprachigen Gegenwarts¬
literatur. Frankfurt/M.: Fischer 1996; Mary Howard
(Hg.): Interkulturelle Konfigurationen. Zur
deutschsprachigen Literatur von Autoren nicht¬
deutscher Herkunft. München: Iudicum 1997;
Lerke von Saalfeld (Hg.): Ich habe eine fremde
Sprache gewählt. Ausländische Schriftsteller
schreiben deutsch. Gerlingen: Bleicher 1998.

6 Vgl. S. Yildiz: Die irdische Geschichte einer
verlorenen Seele. In: Gülmihri Aytac (Hg.): so ge¬
he ich tag & nacht. 13 texte nach veysel. Wien: edi¬
tion im glashaus, 1998, S. 84.

7 1923 in Budapest geboren, aufgewachsen seit
1933 in Belgrad, von wo er 1942 nach Wien als
Widerstandskämpfer zur Zwangsarbeit verschleppt
wurde und später auch blieb, um seit 1953 auf
Deutsch zu schreiben. Zuletzt erschienen von ihm
der Roman Wien Juli 1999 (1997) und der Essay¬
band Grenzüberschreitungen. Positionen eines
kämpferischen Humanisten (2003); Dor hat sich
große Verdienste um die Entdeckung jüngerer Au¬
torInnen erworben sowie mutig gegen Rassismus
und Rechtsextremismus Stellung bezogen.

8 Vgl. z.B. die zwei- bzw. mehrsprachigen Lyrik¬
Bände von Fabjan Hafner, Janko Messner, Jani
Oswald oder Maja Haderlap sowie den Sammel¬
band von Johann Strutz (Hg.): Profile der neueren
slowenischen Literatur in Kärnten. Klagenfurt:
Hermagoras 1989, 2. Aufl. 1998.

9 Wegweisend z.B. die Anthologie von Gerald
Nitsche (Hg.): Österreichische Lyrik und kein Wort
Deutsch. Zeitgenössische Dichtung der Minori¬
täten. Innsbruck:Haymon 1990 sowie: Angelika
Schütz, Felix Mitterer (Hgg.): Fremdsein. Lite¬
rarische Wanderungen. Wien 1992. Zu den Ver¬
änderungen in der Deutschdidaktik vgl. den Band
von N.Griesmayer und W. Wintersteiner: Jenseits
von Babylon (vgl. Anm. 3) sowie Eva Maria
Rastner (Hg.): auf!brüche. Aktuelle Trends der
Deutschdidaktik. Innsbruck: Studien-Verlag 2000,
= ide-extra.

10 Vgl. Helmuth A. Niederle (Hg.): Die Fremde in
mir. Lyrik und Prosa der österreichischen Volks¬
gruppen und Zuwanderer. Ein Lesebuch. Kla¬
genfurt: Hermagoras 1999. Aus dem Spektrum der
Literaturpreis-Anthologien sei nur verwiesen auf
die Bände fremdland (2000), grenzGänger (2001)
kulturbrüche (2002) sowie wortbrücken (2003), die
jeweils von Christa Stippinger herausgegeben
wurden. Informationen dazu: www.amerling¬
haus.at/literaturpreis.htm

11 Vgl. K.-M. Gauß: «Mir san die Kümmel-Öster¬
reicher» . In: Die Presse. Wien 25./26.3. 2000,
Beilage: SPECTRUM, S. I-II.

12 Vgl. dazu die Laudatio von Sigurd Paul
Scheichl auf Surdum, ein „türkisch-österreichischer
Dichter“ in: Literatur und Kritik H. 309/10/ 1996,
S. 53-58; in seiner Dankesrede hat Surdum auf die
„furchtbare Last“ hingewiesen, die er beim
Schreiben zu verspüren meint, fühlt er sich denn
noch immer als Fremder „mit deinem gebrochenen
Deutsch“. Ebd. S. 62. Kürzlich ist von ihm ein neu¬
er Band unter dem Titel Kein Tag geht vorbei. Eg¬
gingen: Edition Isele, 2002, erschienen. Zu Surdum
vgl. auch Yüksel Kocadoru: Das Bild von ‚Heimat‘
und ‚Fremde‘ in den Gedichten von Kundeyt $ur¬

dum. In: P. Wiesinger, H. Derkits (Hgg.): Akten des
X. Internationalen Germanistenkongresses Wien
2000 = Anm. 3); S. 195-202.

13 Zit. Nach S.P.Scheichl: Laudatio, S. 55.

14 Über Yildiz (u.a. wie z.B. Hadzibeganovic oder
E. Aytag) vgl. meinen Beitrag „Die Sprache ver¬
ändert sich und WIR VERÄNDERN SIE MIT“! Zu
Aspekten und zum Stellenwert der Literatur von
ImmigrantInnen in den 90er Jahren. In: Sonja Kuri,
Robert Saxer (Hgg.): Deutsch als Fremdsprache an
der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Innsbruck:
StudienVerlag 2001, S. 147-161, bes. S. 153f.

15 Vgl. z.B. den Sammelband Eure Sprache ist
nicht meine Sprache. Texte von Immigrantinnen in
Österreich. Wien: Milena Verlag 2003.

16 Alma Hadzibeganovic: zz00m: 24 Std. mix 1.
of me oder Penthesileia in Sarajevo. In: Christa
Stippinger: schreiben zwischen den kulturen.
Wien: edition exil 1998, S. 17-18.

17 Ebd. S. 32.

18 Ebd. S. 32

19 Ebd. S. 35: „In Wien fühle ich mich wirklich
gut: wie ein Schwein in Teheran. Das ist bei uns ein
Sprichwort. Aber es sollte eigentlich Spanferkel
heißen. Das bedeutet ‚irgendwie fremd‘. Jetzt füh¬
le ich mich wohl, egal wo ich bin.“

20 Ebd. S. 33. bzw. S. 32.

21 A. Hadzibeganovic: ilda zuferka rettet die
kunst. Wien 2000, edition exil. S. 53-61.

22 Vgl. Viktorija Kocman: Reigentänze. Erzäh¬
lungen. Klagenfurt-Wien: Kitab 2001. Hinzuwei¬
sen ist auch auf ihr letztes Buch, die Novelle Ein
Stück gebrannter Erde (Wien:edition exil, 2003).
Diese läßt eine auf dem Weg zur perfekten Inte¬
gration befindliche Beziehung eines Immigran¬
tInnen-Paares (einer Serbin und eines Albaners) in
Wien vor dem Hintergrund des Kosovo-Krieges
dramatisch auseinanderbrechen und zeichnet dabei
jeweils abwechselnd aus dem Blickwinkel zweier
Frauen, die sich anfangs argwöhnisch beobachten,
dann verfeindet gegenüberstehen das desintegrati¬
ve Potential, die Stufen jenes Prozesses wechsel¬
seitiger Entfremdung nach.

23 Mit dem Text neandertaler@poesie.modern.ti¬
mes. hat Mikan 1998 den Literaturpreis „schreiben
zwischen den kulturen“ zugesprochen erhalten. In:
Ch. Stippinger (Hg.): weltenzwischenwelten. Wien:
edition exil, 1998, S. 29-34.

24 Dieses Projekt, Programmtexte von nicht¬
deutschsprachigen AutorInnen zu gewinnen, die ei¬
nige Zeit in Graz leben und schreiben, steht im
Zusammenhang mit „Graz. Kulturhauptstadt 2003
und wird in der Zeitschrift Lichtungen (Graz) seit
drei Jahren in regelmäßiger Folge veröffentlicht.
2004 erhielt Karahasan den „Leipziger Buchpreis
für Europäische Verständigung“ zugesprochen.
25 Vgl. Anna Kim: Irritationen bzw. Dimitre
Dinev: Boshidar. Beide in: Ch. Stippinger (Hg.)
fremdLand. Wien: edition exil 2000, S. 9-14 bzw.
S. 23-28, sowie D. Dinev: Engelszungen. Wien:
Zsolnay 2003. In ihrer Besprechung fiir den NDR
lobte Petera Hartlieb den Roman als ein ,,sehr eu¬
ropäisches Buch“, das sich zudem „mit den ame¬
rikanischen Bestsellerautoren des letzten Jahres
problemlos messen“ könne.

26 Vgl. Fremde Blicke. Scharfe Blicke. Braucht
die österreichische Literatur Zuwanderung? In:
Buchkultur Österreich Spezial H.89A (2003) S. 11¬
13 (= Diskussion mit der Buchkultur-Redaktion)
Bestätigend dazu auch: Thomas Frahm: Koppstoff
für die Ureinwohner. Die Literatur der Einwan¬
derer, die deutsch schreiben, ist inzwischen ein ei¬
genes Kapitel in der deutschen Literaturgeschichte.
In: neue deutsche literatur. H.5/2003, S.177-181.

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