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Angelika Friedl Der Literaturpreis „schreiben zwischen den kulturen“ wird seit 1997 jährlich an AutorInnen verliehen, die nach Österreich zugewandert sind und/oder einer ethnischen Minderheit angehören. Ins Leben gerufen wurde er von Christa Stippinger vom verein exil, die seit 1980 im Wiener Amerlinghaus unter anderem als Projektorganisatorin und Herausgeberin tätig ist. Das Amerlinghaus, gegründet 1978 („verein kulturzentrum spittelberg‘“), versteht sich als Kultur- und Kommunikationszentrum für Menschen unterschiedlicher Herkunft und Generationen („haus der kultur.en‘“). Schwerpunkte liegen dabei auf den Bereichen Kulturelles, Generationen, Frauen und Soziales. Es bietet auch Raum für verschiedene „literatur kooperationen“ wie den „Gin Beans Club“ und „Das Fröhliche Wohnzimmer“! Seit der Gründung des vereins exil 1988 finden im Wiener Amerlinghaus Projekte und Veranstaltungsreihen statt, deren Ziel es ist, bildenden KünstlerInnen und AutorInnen, die nach Österreich zugewandert sind und/oder einer ethnischen Minderheit angehören, ein Forum zu bieten. Die KünstlerInnen sollen sich als TrägerInnen einer „ganz neuen, starken, selbstbewußten Kunst und Kultur der in Wien lebenden neuen (und alten) ZuwanderInnen‘” präsentieren können. Ein wichtiger Grundsatz des vereins exil ist es, Veranstaltungen ganzheitlich zu planen: wir wollen nicht nur kulturpräsentationen bieten, sondern in gruppenorientierter arbeit, dem jeweiligen thema entsprechend menschen verschiedener herkunft und verschiedenen alters zusammenbringen und einen dialog zwischen jung und alt, fremd und ,,hiesig“, arm und reich u.v.a. in gang setzen. Im Zentrum der Projekte im interkulturellen Bereich stehen Lesungen und Buchvorstellungen sowie Ausstellungen von Werken bildender KünstlerInnen aus dem In- und Ausland. Der Impuls dieser Veranstaltungen ist: zu zeigen, daß heute sowohl auf dem sektor der literatur als auch der bildenden kunst ganz entscheidende impulse für die avantgarde von Jungen in österreich lebenden künstlerinnen ausgehen, die in dieses land oft erst vor nicht allzu langer zeit |... ] zugewandert sind.“ Die Literaturprojekte Die Idee, einen Preis für Literatur von ZuwanderInnen und Angehörigen ethnischer Minderheiten in Österreich zu stiften, entwickelte sich aus der ersten, von Christa Stippinger geleiteten Schreibwerkstatt für „TeilnehmerlInnen aus verschiedensten Kulturkreisen, [...] Angehörige der sogenannten Zweiten Generation und ZuwanderInnen der ersten 62 Der verein exil Stunde“, die im Frühjahr 1995 ins Leben gerufen worden war. Die Projektleiterin sah ihre Aufgabe zu diesem Zeitpunkt vor allem darin, gemeinsam mit den AutorInnen, deren Muttersprache in den meisten Fällen nicht Deutsch war, an der sprachlichen Gestaltung ihrer Texte zu arbeiten. Im Anschluss an das Projekt wurden die entstandenen Texte in einer Veranstaltungsreihe präsentiert und 21 AutorInnen in der Anthologie „JEDER IST anderswo EIN FREMDER“® vorgestellt. Die ,,interkulturelle Schreibwerkstatt hat bis heute nicht nur ihren festen Platz im kulturellen Angebot des Amerlinghauses, sondern hat sich mittlerweile zu drei Werkstätten mit unterschiedlichen Schwerpunkten entwickelt, die weiterhin von Christa Stippinger geleitet werden. Die Arbeit der ursprünglichen Gruppe wird in der „interkulturellen schreibwerkstatt 1“ fortgesetzt, an der auch einige frühere PreisträgerInnen mitarbeiten. In der „interkulturellen schreibwerkstatt 2° bzw. im ‚jungen schreibstattwerk“ treffen sich junge AutorInnen, die eher experimentell arbeiten — unter anderen Philip Scheiner, Nikolaus Scheibner, Alma Hadzibeganovic, Emilija Kelecija und Michael Mastrototaro. Diese Gruppe arbeitet seit 1999 außerdem an den ‚Literaturclips‘ der „video.werkstatt.exil“, aus der etwa die Verfilmung des Gedichts „sprung vor“ von Alma Hadzibeganovic hervorging. Die dritte und jüngste Gruppe ist die „romadramatikerInnenschreibwerkstatt“, mit deren Hilfe der Mangel an Stücken für das ebenfalls zum Verein gehörende „roma.theater.exil“ behoben werden soll.‘ Die Arbeit der drei Schreibwerkstätten geht zum Teil in den Großgruppen, zum Teil in Einzeltreffen zur detaillierten Textarbeit mit der Projektleiterin vor sich. Sie versucht den AutorInnen über sprachliche und andere Schwierigkeiten hinweg zu helfen und sie nicht zuletzt bei der Veröffentlichung ihrer Texte zu unterstützen. Eine Möglichkeit dazu bietet die edition exil, der vereinseigene Kleinverlag, in dem auch die Anthologien zu den Literaturpreisen erscheinen. Der verein exil lädt auch AutorInnen und KünstlerInnen aus dem Ausland nach Wien zu Lesungen ein. Gäste im Amerlinghaus waren u.a. Emine Sevgi Özdamar und Feridun Zaimoglu, die beide in Deutschland leben und vor allem durch ihre einzigartige Verarbeitung sprachlicher und inhaltlicher Elemente unterschiedlicher kultureller Prägung auf sich aufmerksam machten. Die Preisvergabe Die Bewerbung um den Literaturpreis „schreiben zwischen den kulturen“ steht allen Personen offen, die seit mindestens einem halben Jahr in Österreich leben. Nicht um realistische Lebens- und Alltagsberichte von MigrantInnen soll es sich handeln, sondern um „literarische Texte‘. Von den AutorInnen wird demnach ein gewisser Grad an Professionalität erwartet, den vor allem jene mitbringen, die bereits vor ihrer Ankunft in Österreich literarisch tätig waren. Das Ziel des Preises ist also weniger, Menschen zum Schreiben anzuregen, als bereits Schreibende zu unterstützen und ihnen ein öffentliches Forum zu bieten, in dem eine fruchtbare Auseinandersetzung mit ihren Texten stattfinden kann. Viele PreisträgerInnen hatten sich zuvor in ihrer künstlerischen Arbeit oft allein gefühlt. So berichtet etwa Maja Hanauska: [...] ich habe dabei viele interessante Leute kennen gelernt. Ich war also nicht der einzige Ausländer, der gerne auf deutsch schreibt (und sogar von jemandem gelesen wird), das war Die InitiatorInnen von „schreiben zwischen den kulturen“ gehen davon aus, dass in Österreich viele AutorInnen leben, die eine Ermutigung benötigen, mit ihren Texten an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Arbeiten müssen für den Preis [...] in deutscher sprache eingereicht werden und bis zum zeitpunkt der einreichung unveröffentlicht sein. sie sollen den umfang von zwanzig maschinschreibseiten nicht überschreiten und sich im weitesten sinne mit den themen integration, assimilation, identität oder „leben zwischen (sub-) kulturen“ auseinandersetzen. alle dichtungsgattungen sind zugelassen. Die Zusammensetzung der jährlich wechselnden Jury soll eine monokulturelle Sichtweise der Textauswahl verhindern bzw. wird auch auf dieser Ebene dem mehrkulturellen Charakter des Projektes Rechnung zu tragen. Der Jury gehören ein frühere(r) Preisträger(in) an und zwei weitere JurorInnen an, die die österreichische Literaturszene vertreten — wobei auch diese in der Regel einen besonderen Bezug zum Leben und Schreiben „zwischen den Kulturen“ haben, wie Barbara Frischmuth, Milo Dor, Radek Knapp oder Robert Schindel. Zwischen 150 und 200 Einsendungen gibt es pro Jahr. Der stetig wachsenden Beteiligung an dem Literaturwettbewerb wird durch eine Differenzierung und Erweiterung der Preise nachgekommen. Bereits im ersten Jahr der Preisvergabe (vorgesehen war ein erster, zweiter und dritter Preis) wurde aufgrund der regen Beteiligung von jugendlichen, nichtprofessionellen AutorInnen ein Jugendpreis geschaffen. 1999 kamen der Lyrikpreis und der Preis für Schulprojekte und ein zusätzlicher Preis der Grazer AutorInnenversammlung hinzu, der ab