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wie die Herausbildung der „Volkszeitung“ als
Tagblatt mit eigener Druckerei und jene für die
Tiroler Partei so typische Schöpfung, die
„Erste Tiroler Arbeiterbäckerei“, kurz ETAB
genannt.
Nach Ausrufung der Republik wurden die
Karten neu gemischt. In den Jahren nach 1918
konnte eine beträchtliche Anzahl von Arbei¬
terInnen, darunter auch Frauen, wie Adele
Obermayr und Laura Palme, in den Landtag
und den Innsbrucker Gemeinderat einziehen,
wo letztere, wie die AutorInnen wohl zu recht
monieren, allzu ausschließlich mit Fragen der
sozialen Fürsorge befasst wurden. Bedeutend
war die Aufbauarbeit der Sozialdemokratie im
Innsbrucker Gemeinderat, wo sie die stärkste
Partei stellte. Hier taten sich besonders der früh
verstorbene Martin Rapoldi und in seiner
Nachfolge Johann Untermüller hervor. Die
Innsbrucker Kommunalbetriebe verdanken ih¬
nen zu einem Gutteil ihren Aufbau. Dass sie
gleichwohl niemals den Posten des Bür¬
germeisters errangen, hing auch mit eigenem
Mangel an Selbstvertrauen zusammen.
In der Landespolitik konnte sich die Sozial¬
demokratie weniger durchsetzen. Hier spielte
die skurille Gestalt eines Franz Gruener,
Rechtsanwalt, Literat und Schlossbesitzer, ih¬
re eher zwielichtige Rolle. Der Schulpolitiker
Josef Prantl fand gar rechtzeitig seinen Weg zur
NSDAB, wenig nützlich war auch die Rolle des
Schutzbundes unter Gustav Kuprian.
Welch erhebliches schöpferisches Potential in
dieser in der Enge der Diaspora wirkenden Par¬
tei letztlich doch steckte, erweist das Beispiel
des Wörgler Bürgermeisters Michael Unter¬
guggenberger, welcher der Not der Weltwirt¬
schaftskrisenjahre mit seinem Schwund¬
geldexperiment einiges entgegen zu setzen
vermochte, und damit Weltruhm errang. Leider
hinderten auch seine Partei die ideologischen
Scheuklappen daran, die Bedeutung des Ex¬
periments zu erkennen.
Zusammenfassend kann den Autorinnen und
Autoren des Werkes „Sozialdemokratie in
Tirol“ bescheinigt werden, dass ihnen ein pla¬
stisches Bild ihres Gegenstandes gelungen ist.
Bei der Personenauswahl fällt auf, dass neben
dem schon erwähnten Cesare Battisti auch
Franz Hüttenberger fehlt. Dessen Haupttätig¬
keit als Landesobmann und Landeshaupt¬
mannstellvertreter fällt zwar erst in die Zweite
Republik, aber seine Rolle in der ersten war
doch zu bedeutend, um mit einigen Erwäh¬
nungen abgetan zu werden. Das wechselvolle
Schicksal des Johann Lenk wäre wohl auch ei¬
nes Beitrages oder zumindest einer Erwähnung
im Fußnotenapparat wert gewesen, den man
sich überhaupt etwas umfangreicher ge¬
wünscht hätte.

Wolfgang Fritz

Rainer Hofmann, Horst Schreiber (Hg.):
Sozialdemokratie in Tirol. Die Anfänge.
Innsbruck: Innsbrucker Kreis 2003. 400 $.
(Eine Publikation der Michael-Gaismair¬
Gesellschaft).

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„Manifest Alpha“

Mit dieser Gedichtsammlung hat sich Alfred
Gong in der Wiener Nachkriegszeit einen
Namen gemacht. Der damalige Mentor der li¬
terarischen Szene, Rudolf Felmayer, förderte
den jungen Poeten aus der Bukowina, dessen
Begabung schon Max Brod und Hermann
Hakel erkannt hatten. Alfred Gong schrieb
Hörspiele, Bühnenstücke, Prosa. Seine Lyrik
wurde in österreichschen, deutschen und
amerikanischen Zeitschriften, in Anthologien
und im ORF veröffentlicht: Gedichte der
Rückschau und des verhaltenen Schmerzes.
Zart und von besonderem Reiz die Erinnerung
an die Kindheit: „Beim Kochen der Mama¬
liga“, „Bukowina“, „Mein Vater“ und „Träu¬
me/ aus welchen der Knabe schreiend/ er¬
wacht. In der Höhle des Schlafs/ sind mit
Sgraffitos die Wände/ bedeckt vom Tiergott
und Ahn./ Auf Leitern aus Wurzeln hinab/ ins
Reich der Flammen ...“ Aber noch tiefer rei¬
chen Träume, seherisch: „... und deine Seele:
ein Streifen, belichtet/ wieder und wieder zwi¬
schen Eiszeit und/ Endbrand.“

Der Dichter wurde 1920 als Alfred Liquornik
in Czernowitz geboren und studierte Roma¬
nistik und Vergleichende Literaturwissen¬
schaft. Landsleute waren Gregor von Rezzori
und Paul Celan, mit dem ihn von Jugend an
Freundschaft verband. Nach kriegsbedingter
Odyssee durch mehrere Länder kam Alfred
Gong 1946 als „displaced person“ nach Wien
und wanderte 1951 in die Vereinigten Staaten
aus. Dort lebte er unter seinem Künstlernamen
als Übersetzer und Mitarbeiter literarischer
Zeitungen. „... Also war mir die Erde eine
fremde Zeit/ und auf ihr alles: ohne Bleibe und
Bestand/ (Die andern hatten Söhne, Ziel und
Vaterland) ...“

Mit Rudolf Felmayer verband den feinsinni¬
gen Lyriker auch weiterhin ein reger Brief¬
wechsel. Dennoch erschien erst 1961 im Wie¬
ner Bergland-Verlag der lange geplante Band
„Manifest Alpha“. Dazu Rose Ausländer:
„Diese Verse gehören zum Vollblütigsten und
Geglücktesten seiner poetischen Aussage.
Bildhaftigkeit, Erotik und Humor ...“ 1960
war in Heidelberg der Band „Gras und
Omega“ herausgekommen.

Es gab Anerkennungen, 1966 den Theodor¬
Körner-Förderpeis und 1971 ein Stipendium
der Österreichischen Gesellschaft für Literatur.
In Amerika erwarb sich Alfred Gong Ver¬
dienste als Herausgeber einer deutsch/ameri¬
kanischen Anthologie. 1980 erschien in Öster¬
reich ein weiterer Lyrikband, „Gnadenfrist“.
Alfred Gong trat 1973 dem PE.N.-Club bei
und starb 1981, krank, vereinsamt und viel zu
früh in New York.

Die Neuauflage von „Manifest Alpha“ ist ein
erfreulicher Beginn, das Werk des vielseitigen
Dichters neu zu entdecken, zu würdigen und
im Gedächtnis zu behalten. Joachim Herr¬
mann, der 1991 - teilweise aus dem Nachlass
— die Gedichtsammlung „Israels letzter Psalm“
herausgebracht hat, berichtet im Nachwort des

vorliegenden Bandes über bisher kaum be¬
kannte Daten zum Leben und Schaffen von
Alfred Gong. Auf eine vollständige Übersicht
über sein Werk ist zu hoffen.

Rosemarie Schulak

Alfred Gong: Manifest Alpha. Gedichte. Hg.
und mit einem Nachwort versehen von
Joachim Herrmann. Aachen: Rimbaud 2001.
74 S. Euro 16,- (Texte aus der Bukowina. Bd.
13. Hg. von Bernhard Albers und Reinhard
Kiefer/Schriften der Alfred Gong Gesellschaft.
Bd. 3. Hg. von Jerry Glenn und J. Herrmann).

„fremdLand“

Der Verein Exil veranstaltet zusammen mit
dem Kulturzentrum Spittelberg Amerlinghaus
seit 1997 jährlich einen literarischen Wett¬
bewerb „schreiben zwischen den kulturen“.
Der vorliegende Band des Jahres 2000, der
vierte dieser Reihe, stellt - so wie jeweils auch
in den vorhergehenden und folgenden Jahren
— die besten Arbeiten und die drei Preisträger
mit ihren Texten vor. Eine namhafte Jury konn¬
te unter hundertzweiundachtzig Einsendungen
wählen, das Ergebnis ist erstaunlich.

Junge Autoren unterschiedlicher kultureller
Herkunft schreiben über persönliche und so¬
ziale Erfahrungen auf ihrem Weg nach Öster¬
reich und als Fremde in diesem Land, verar¬
beiten Gegebenheiten ihres Alltags samt
Härten und Irritationen „zwischen den Kultu¬
ren“ teils in sachlichen Berichten, teils in ly¬
rischer Form oder kunstvoll angelegter Prosa.
So gewährt die Anthologie nicht nur packen¬
de Einblicke in menschliche Schicksale und
persönliche Lebensbewältigung sondern auch
in literarisch überaus interessanten Texten.
Auch der Beitrag zweier Österreicher wurde in
die Sammlung „fremdLand“ aufgenommen,
was dem Buch eine zusätzliche Dimension
verleiht.

„Vielleicht werden sie verstehen. ..“, bringt die
Polin Ewa Dziedzic ihren teils lyrischen, teils
prosaisch-bitteren Monolog eines Einwan¬
derers mit seltener Intensität auf den Punkt.
Dies Einsamkeit durch Beschwörung erinner¬
ter Menschenbilder zu überwinden sucht in
seiner Lyrik auch der Bosnier Lukas Szopa:
„Das Leben ist ein Unglück, das Kraft gibt/in
der Ruhe einzuschlafen ...“ „‚In Zeiten wie die¬
sen“ geht der Grazer Multimedia-Künstler
Michael Mastrototaro mit offenen Augen
durch die Welt, beobachtet, kritisiert, macht
Animationsfilme, Internetprojekte, Cartoons
und schreibt Theaterstiicke, Fragmentarisches
und Romane. Seine knappe Prosa, Kurzsze¬
nen, Denkansätze, zeigen bewegte, ständig
wechselnde Bilder wie in einem Film.

Eine eindringliche Darstellung des Fremdseins
ist aber auch dem Wiener Xaver Bayer in „An¬
kunft“ gelungen. Nicht äußere Geschehnisse
treiben hier die Handlung voran. Vielmehr
wird ihm das Innere zum Thema, glaubhaft die
Isolation. Xaver Bayer hat mit seiner Arbeit